Derby in Manchester:Im Schatten früherer Größe

Derby in Manchester: Ole Gunnar Solskjaer und Pep Guardiola beim Plausch - solche Szenen gab es viele in Manchester.

Ole Gunnar Solskjaer und Pep Guardiola beim Plausch - solche Szenen gab es viele in Manchester.

(Foto: Paul Ellis/AP)

Das 0:0 zwischen ManUnited und City gerät zum Langweiler, nach dem sich alle einen Tick zu gern haben - finden zumindest kritische Klub-Legenden von United.

Von Sven Haist, London

In der Beurteilung des Resultats war man sich bei Manchester United und Manchester City sofort einig. Die sonst einander wenig zugeneigten Lager zeigten sich über das 0:0 jeweils erfreut. Mit der Punkteteilung waren beide Klubs gut bedient - denn die Darbietung im Old Trafford, das Manchester-Derby am 12. Premier-League-Spieltag, hätte eigentlich gar keine Punkte verdient gehabt. Im Gegensatz zu den hitzigen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, in denen die Emotionen das Derby auf Betriebstemperatur hielten, gelangen United und City am Samstag bloß vier Schüsse aufs Tor.

Nur zwei gelbe Karten machten das 183. Stadtduell zu einem Friedensgipfel, der keine Erkenntnisse beinhaltete, über die man nicht schon vorher Bescheid gewusst hätte. Die Times konstatierte, dass das Manchester-Derby ein "Leckerbissen" sein sollte, sich aber wie "eine schreckliche Verschwendung des Anlasses" anfühlte. Das Resümee von City-Coach Pep Guardiola fiel so aus: "1:1, ah nee, 0:0, jeweils ein Punkt..."

In aller Freundschaft beglückwünschten sich die Spieler nach Abpfiff zu ihren Leistungen. Als City-Innenverteidiger John Stones versuchte, die Partie schönzureden, platzte Roy Keane - früher für seine harte Gangart im United-Mittelfeld bekannt - im Sky-Studio der Kragen. "Man gibt sich nicht mit einem Remis zufrieden", giftete Keane: "Ich höre Stones über ein Clean Sheet reden", ein Spiel ohne Gegentor, "und sonstigen Blablabla. Ich habe nie so viele Umarmungen und Unterhaltungen gesehen. Jeder möchte berühmt und mit allen befreundet sein. Geht einfach in den (Spieler-) Tunnel!"

Auf die Standpauke von Keane folgten die Ausführungen seines ehemaligen Mitspielers Gary Neville, der ebenfalls kein gutes Haar an der Partie ließ. Die Qualität sei "sehr schlecht" gewesen, betonte Neville: "Wir haben früher viel Wert auf Tempo und Nervenkitzel gelegt, um die Premier League zu gewinnen. Nichts davon war heute vorhanden. Das sollten wir nicht akzeptieren."

Weil seine Elf kaum Tore schießt, verlegt sich Trainer Guardiola jetzt aufs Verteidigen

Durch das Unentschieden haben sich United und City auf dem Weg nach oben gegenseitig aufgehalten und bleiben mit einem Spiel weniger im Tabellenmittelmaß zurück. Trotz mehrmaliger Versuche schaffte es weder United (bisherige Gegner: Chelsea, City, Tottenham) noch City (Tottenham, Liverpool, United, Leicester) in dieser Saison, einen Titelkonkurrenten zu schlagen.

Beide Klubs sind weit von ihrem Leistungsvermögen entfernt. Speziell bei City scheint sich anzudeuten, dass Guardiola (abgesehen vom verletzten Sergio Agüero und möglichen Wintertransfers) nicht mehr viel in der Hinterhand hat. Die Torflaute ist weiter das größte Manko; als bester Schütze steht Riyad Mahrez bei vier Treffern nach elf Spieltagen.

Um die ungewohnte Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor aufzufangen, hat Guardiola den Schwerpunkt offenbar auf die Defensive verlegt. Sechs gegentorlose Partien in Serie bedeuten die Einstellung des Klubrekords - aber ebenso die Gefahr, den eigenen Spielstil unkenntlich zu machen. Kaum Forechecking, fehlende Dominanz und mangelndes Risiko veranlassten Fernsehexperte Neville zur Rundumkritik: "Das war nicht Manchester City! Das war nicht Pep Guardiola! Ein absoluter Schatten von der Mannschaft, die vor zwei Jahren die Liga gewonnen hat!"

In diesem Team stecke kein Titel mehr, pflichtete ihm Keane bei: "Man muss sich nur die Stürmer anschauen: Jedes Mal, wenn Agüero von einer Verletzung zurückkommt, scheint er wieder einen Schlag abzubekommen. Und sein Vertreter Gabriel Jesus wird City sicher nicht zum Ligatitel schießen." Guardiolas pragmatisches Vorgehen ("Wenn wir uns schwer tun, Tore zu schießen, müssen wir in anderen Bereichen solide sein") erinnerte an seine Anfangszeit in England, als er in der Schlussphase der Spielzeit 2016/17 die Anforderungen an seine Spieler reduzierte, um die Qualifikation zur Champions League nicht zu gefährden. Das enge Tabellenbild in dieser Saison birgt ähnliche Tücken.

Für Manchester United ging es vier Tage nach dem blamablen Vorrundenaus gegen RB Leipzig in der Champions League vorrangig darum, eine neuerliche Trainerdiskussion zu verhindern. Aus diesem Grund wählte Ole Gunnar Solskjaer für sein Team eine Taktik, die den Gegner neutralisieren sollte.

Mit drei zentralen Mittelfeldspielern vor der Abwehr verriegelte United wiederholt das Zentrum und legte sich in der eigenen Hälfte auf die Lauer nach Kontern. Der abermalige Formationswechsel erhärtete den Verdacht, dass Solskjaer selbst im Ungewissen ist, welchen Spielern und welcher Ausrichtung er vertrauen soll - außer sich jeweils am Gegner zu orientieren. Immerhin hält der Teamgeist den Wendemanövern stand; das könnte noch wichtig werden.

Manchester United - Manchester City

Ferran Torres (links) von Manchester City hält Paul Pogba von Manchester United am Trikot fest.

(Foto: Phil Noble/dpa)

Wie die Debatten um Solskjaer reißen auch die Wechselgerüchte um Paul Pogba auf der Insel nicht ab, den mit 105 Millionen Euro Ablöse teuersten Spieler der Klubhistorie. Am Vorabend des Leipzig-Spiels hatte Pogbas umstrittener Berater Mino Raiola in der italienischen Zeitung Tuttosport angekündigt, die Zeit seines Klienten beim Rekordmeister sei vorbei. Der Zeitpunkt war wohlüberlegt, weil Raiola die Aufmerksamkeit des Spiels nutzen wollte, um Interessenten anzulocken. Für den französischen Weltmeister, der an United bis 2022 gebunden ist, halten sich die Angebote nach überschaubaren Darbietungen in Grenzen. Im Duell mit City lieferte Pogba, 27, einen unauffälligen, aber immerhin mannschaftsdienlichen Beitrag.

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