Manchester United:Auf der Lauer

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Manchesters Ein-Mann-Angriff: Romelu Lukaku lässt Paris’ Torwart Gianluigi Buffon zum ersten Mal rechts liegen. (Foto: Martin Bureau/AFP)

Lange hat Romelu Lukaku auf einen Stammplatz bei United warten müssen - seine Uneigennützigkeit verleiht dem Team mehr Durchschlagskraft, als er gebraucht wird, steht er seinen Mann.

Von Sven Haist, Paris

Ein Manchester-Spieler nach dem anderen rannte nach Abpfiff über den Platz zu den Fans. In diesem Haufen aus Profis und Anhängern war kaum noch auszumachen, wer sich im Pulk befand; mit Gewissheit ließ sich nur sagen, dass Romelu Lukaku nicht dabei war. Der Mittelstürmer hielt sich auf der anderen Spielfeldhälfte am Strafraum auf - nicht weil er noch einmal den Ball ins Tor schießen wollte, sondern um Presnel Kimpembe auf die Beine zu helfen. Lukaku drückte seinen Gegenspieler, der einen Handelfmeter verursacht und das Aus für Paris Saint-Germain eingeleitet hatte, an sich heran und redete auf ihn ein. Wie es ist, am Boden zu sein, hat er in seiner Karriere oft genug erfahren. Statt sich für seine beiden Tore im Trikot des englischen Rekordmeisters feiern zu lassen, bewies Lukaku, 25, mit seinem Mitgefühl, dass in ihm mehr steckt als ein kühler Spezialist für Tore.

Die Begeisterung über den in der vierten Minute der Nachspielzeit verwandelten Strafstoß durch Marcus Rashford (der erstmals für den Klub in einem Pflichtspiel zu einem Elfer antrat) drängte Lukakus eigene Verdienste etwas in den Hintergrund. Doch ohne jede Missgunst veröffentlichte Lukaku später ein Foto, das ihn mit seinem Angriffspartner in Vogelflugpose über den Platz gleitend zeigt. Das Bild betitelte er mit "9 and 10", den Trikotnummern.

Durch das Zusammenspiel zwischen dem robusten Neuner (Lukaku) und dem leichtfüßigen Zehner (Rashford) hat Manchester United das 0:2 aus dem Hinspiel im Old Trafford mit einem 3:1 in Paris noch drehen können, obwohl zehn potenzielle Stammkräfte fehlten. Erstmals seit fünf Jahren hat United wieder das Viertelfinale der Champions League erreicht. Dabei hatte Ole Gunnar Solskjaer zu Beginn seiner Interimstätigkeit als verantwortlicher Trainer noch auf eine schnelle, geschmeidige Angriffsreihe gesetzt, wodurch sich für Lukaku eine Zeitlang in der Startelf kein Platz gefunden hatte. Über Wochen arbeitete das belgische Sturmtalent deshalb an Fitness und Abschlussqualität, bis vor einem Monat dann nacheinander die Konkurrenten mit Verletzungen ausfielen. Als er gebraucht wurde, stand Lukaku nun seinen Mann. In den vergangenen drei Spielen erzielte er sechs Treffer. Insgesamt kommt er für Manchester United auf 42 Tore und 13 Vorlagen in 88 Einsätzen.

Am Mittwoch machte er sich als Ballempfänger in der Spitze verfügbar, entweder vorne auf sich allein gestellt oder mit Rashford an seiner Seite. Weil er wohl ahnte, dass seine Mitspieler in dieser Notbesetzung eher nicht in der Lage sein würden, ihn mit Assists zu versorgen, lauerte er vorrangig auf Vorlagen der Pariser Gegner. Nach 111 Sekunden passte ihm Thilo Kehrer den Ball vor dem Tor zu; bei seinem zweiten Treffer nach einer halben Stunde ließ PSG-Torwart Buffon einen Ball vor seine Füße prallen. "An dich selbst zu glauben, kann den Unterschied machen in solchen Momenten", sagte Lukaku.

An kaum einem anderen Spieler im Aufgebot bei United hat sich die Öffentlichkeit mehr abgearbeitet als an Lukaku seit dessen Verpflichtung für knapp 85 Millionen Euro vom FC Everton im Sommer 2017. Sein kolossaler Körperbau macht ihn je nach Sichtweise entweder zu einem idealen Zielspieler, der wegen seiner Wucht kaum aufzuhalten ist, oder zu einem schwerfälligen Angreifer. Dabei gehört Lukaku nicht in die Reihe der Offensiv-Exzentriker, die sich nur über sich selbst definieren. Auch als sich seine Lage im Herbst unter Trainer José Mourinho verschlechterte, leistete er sich kein böses Wort. Im Gegenteil, er forderte die Kollegen zu Loyalität auf. Diese Uneigennützigkeit zeigte er auch am Mittwoch: Um den Vorsprung gegen Paris nach dem dritten Treffer über die Zeit zu retten, verteidigte Lukaku in der eigenen Abwehr mit - als Zentralverteidiger in der Fünferkette.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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