Guardiola in der Champions League:Ein Stachel, der sich fies verhakt hat

Premier League - Manchester City v Norwich City

Ob Pep Guardiola aus dem 100-Millionen-Pfund-Dribbler Jack Grealish einen an Titeln gemessen erfolgreichen Fußballer macht, wird eine Frage sein, die beide in den nächsten Monaten begleiten wird.

(Foto: Lee Smith/Action Images / Reuters)

Bei Leipzigs Gegner Manchester City rumort es, seit Pep Guardiola angekündigt hat, mal eine Nationalmannschaft trainieren zu wollen. Doch bevor er geht, würde der Trainer gern einen Makel beseitigen.

Von Michael Neudecker, London

Vor ein paar Wochen war Pep Guardiola in einem Zoom-Call auf Einladung einer brasilianischen Investmentbank, er war einer von mehreren Experten, die über dies und das sprachen. Berühmte Namen waren auf der Liste der Redner, es handelte sich um ein sogenanntes Premium-Panel, neben Guardiola war etwa auch Hillary Clinton zu Gast. Zoom-Calls auf Einladung von brasilianischen Investmentbanken sind normalerweise nichts, was einen länger beschäftigen müsste, schon gar nicht Wochen danach, aber Pep Guardiola tritt eben selten auf jenseits von Pressekonferenzen; das zum einen. Zum anderen hat er bei der Gelegenheit ein paar Worte gesagt, die in England seitdem ganz oben auf der Fußball-Themenliste stehen. Es ist davon auszugehen, dass sie davon so schnell nicht wieder verschwinden.

"Nach sieben Jahren mit diesem Klub brauche ich eine Auszeit, denke ich", so wurde er danach zitiert, außerdem wolle er mal eine Nationalmannschaft trainieren, das sei "der nächste Schritt". Die Frage ist seitdem, wie er das nun gemeint hat, mit der Auszeit, und was daraus folgt. Sein Vertrag mit Manchester City endet 2023. Also: Geht Guardiola nach dem Ende der nächsten Saison? Und hört dann ganz als Klubtrainer auf? Nein, nein, sagte Guardiola, 50, ein paar Tage später, so habe er das nicht gemeint. Er wisse gar nicht, wie lange er noch Cheftrainer von City sei, das könnten zwei Monate sein oder fünf Jahre, alles sei doch möglich in diesem Geschäft. Nur eine Pause werde er machen, wenn er Manchester verlasse. Das sei sicher.

Die Frage, wie lange der Premium-Klub Manchester City seinen Premium-Pep noch behalten kann, ist nicht ganz unwichtig, weshalb sie auch dieser Tage wieder diskutiert wird, insbesondere vor dem Champions-League-Spiel gegen RB Leipzig an diesem Mittwoch (21 Uhr). Sehr viel realitätsnäher als Guardiolas Relativierung dürfte nämlich sein, dass er es tatsächlich so gemeint hat, wie er es bei jenem Zoom-Call sagte, jedenfalls geht man in der Branche davon aus. Es ist sogar denkbar, dass diese Saison Guardiolas letzte als Trainer in der Premier League ist. Das hieße dann: Es wäre auch seine letzte Chance, als Trainer die Champions League ohne Lionel Messi zu gewinnen.

Mit Barcelona und Messi gewann Guardiola zweimal die Champions League - aber eben nur mit Barcelona

Die Jahre in Barcelona haben Guardiolas Ruf als Spitzentrainer begründet, er hat ihn in München und Manchester weiter gefestigt. Zu sagen, er wäre ehrgeizig, träfe es nicht vollends: Guardiola ist besessen von diesem Sport, in München haben Weggenossen staunend berichtet, wie der Trainer noch nachts in seinem Büro an der Säbener Straße gesessen und Spielaufzeichnungen analysiert habe. Kaum vorstellbar, dass ein Trainer mit 30 gewonnenen Titeln einen Makel haben kann, aber genau so sieht er das offenbar. Pep Guardiola ist nicht nur besessen, sondern auch sagenhaft eitel. In München hatte er, während das Team die nicht gerade als Ramschware bekannten Anzüge eines deutschen Herrenschneiders bekam, einen eigenen Anzugausstatter, was nicht nur monetäre Gründe hatte.

Pep Guardiola hat als Trainer bei einigen der besten Klubs der Welt gearbeitet, in Manchester hat er zudem den Luxus, dass Geld eine eher untergeordnete Rolle spielt. Die Champions League hat er bislang zweimal mit Barcelona gewonnen, aber eben nur mit Barcelona, mit einem Wunderteam, wie es nur wenige in der Fußballhistorie gab, und das er nicht selbst zusammenstellte. Wenn er es jetzt mit Manchester wieder nicht schaffen sollte, wäre das mehr als ein kleiner Stachel für ihn. Es wäre einer, der sich so fies verhakt hat, dass man ihn nicht mehr rausbekommt.

Guardiola wollte Harry Kane - und bekam Jack Grealish, den ersten 100-Millionen-Pfund-Spieler der Premier League

Zu oft wollte er in den vergangenen Jahren, wenn es auf die große europäische Bühne ging, etwas Besonderes erschaffen: Er wollte einen Pep-Moment, in dem die ganze Welt staunt, was dem Genius jetzt wieder eingefallen ist, so erzählt man in seinem Umfeld. Dass Pep Guardiola Teams zusammenstellen und anleiten kann, die auch ohne aus dem eigenen Nachwuchs kommende Spieler wie Messi, Xavi und Iniesta herausragenden Fußball spielen können und Meisterschaften gewinnen, steht außer Frage. Er hat in Manchester einen mehr als beachtlichen Kader zur Verfügung, dem im August noch der englische Nationalspieler und Fanliebling Jack Grealish hinzugefügt wurde, für 100 Millionen Pfund (117 Millionen Euro) Transfergebühr an Aston Villa. So hoch war die Ausstiegsklausel in dessen Vertrag - plus angeblich zehn Millionen Pfund Abschlussprämie an Grealishs Vater und seine Berateragentur Stellar Sports. Grealish ist jetzt der teuerste Spieler, den je ein Premier-League-Klub gekauft hat. Die englischen Medien erwähnen das ganz gerne: Grealish, der erste 100-Millionen-Pfund-Spieler, der aufläuft, Grealish, der erste 100-Millionen-Pfund-Spieler, der ein Tor schießt. Grealish, Guardiolas erster 100-Millionen-Pfund-Spieler.

Am Ende der Transferperiode wollte Guardiola noch Harry Kane aus Tottenham holen, unbedingt - übrigens im Gegensatz zu Cristiano Ronaldo, den Guardiola nie wollte, es gab dem Vernehmen nach noch nicht einmal Verhandlungen. Kane, der Kapitän der englischen Nationalmannschaft, blieb dann aber doch in Tottenham, was in England mit Erstaunen zur Kenntnis genommen wurde. Dass Guardiola und City-Besitzer Scheich Mansour einen Spieler nicht bekommen, ist eher ungewöhnlich. Sein Klub habe zwar "alles versucht", sagte Guardiola kürzlich, "aber wenn nur ein Klub verhandeln will, gibt es nicht viel zu sagen".

Auch ohne Kane aber ist Guardiolas Mannschaft gut genug, um den Titel zu gewinnen, ein Team wie Leipzig sollte kein größeres Hindernis darstellen, nicht zuletzt wegen Grealish, der einen ordentlichen Start in Manchester hingelegt hat. Tommy Elphick, Grealishs früherer Teamkollege bei Aston Villa, sagte vor kurzem dem Fußballmagazin FourFourTwo, Guardiola sei bekannt als "der absolute Gott des Fußballs", es sei interessant zu sehen, "was er aus Jack machen kann". Ob Pep Guardiola aus dem 100-Millionen-Pfund-Dribbler Jack Grealish einen an Titeln gemessen erfolgreichen Fußballer macht, wird eine Frage sein, die beide in den nächsten Monaten begleiten wird, Grealish wie Guardiola.

Ob - und wie schnell. Grealish, der noch nie in der Champions League gespielt hat, ist seit ein paar Tagen 26 Jahre alt, er hat noch ein bisschen Zeit. Bei Pep Guardiola ist das nicht mehr so sicher.

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