Manchester City verliert in Turin:Guardiola und die „Saison voller großer Schwierigkeiten“

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Ratlos in Turin: Pep Guardiola und Stürmer Erling Haaland durchleben eine Ergebniskrise. (Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Manchester City offenbart beim 0:2 in Turin erneut Schwächen, muss als 22. der Champions-League-Tabelle ums Weiterkommen fürchten. Und der Trainer erklärt, was die Krise mit ihm macht.

Von Felix Haselsteiner, Turin

Vor zwei Monaten war Pep Guardiola schon einmal nach Italien gereist, in eine schöne Vergangenheit. In Brescia traf er sich während einer Länderspielpause im Oktober unter anderem mit Roberto Baggio und Luca Toni zum Abendessen. Es gab Rotwein und Geschichten von früher, als das Trio vor mehr als 20 Jahren in Norditalien zusammengespielt hatte. Toni beschwerte sich später auf Instagram im Scherz darüber, dass Guardiola ihm mit seiner Idee von der falschen Neun eine Zeit lang den Arbeitsmarkt als Strafraumstürmer kaputtgemacht hatte. Man konnte in dem kurzen Video einen sehr gelöst lachenden Trainer von Manchester City sehen, womöglich lag es an der Umgebung.

Guardiola hat aus seiner Zeit in Brescia sein bis heute herausragendes Italienisch behalten sowie eine gewisse Liebe für den Calcio und das Land, man merkt das an Kleinigkeiten. Daran zum Beispiel, wie er die jüngste Niederlage in der größten Krise seiner Karriere kommentierte.

Als er am Mittwochabend in Turin nach einem 0:2 gegen Juventus in der Pressekonferenz Platz nahm, folgte erst einmal die inzwischen bekannte Verteidigung. Auf Englisch sagte er die Sätze, die man inzwischen aufnehmen und zweimal die Woche einspielen könnte, als Antwort auf alles: „Ich liebe meine Mannschaft, die Art, wie wir spielen, und niemand wird mich vom Gegenteil überzeugen.“

Kurze, trotzige Antworten sind eine Begleiterscheinung dieser Krise von Manchester City und Alltag der britischen Reporter, die ihre Fragen inzwischen ebenso kurz und prägnant stellen. Es brauchte schon die höflichen italienischen Journalisten und ihre präzisen Formulierungen, um auf mehr Erkenntnisse zu kommen. Auf Italienisch verlor sich Guardiola kurz darauf nämlich in einer längeren Erklärung darüber, warum er seine Mannschaft weiter inbrünstig verteidigen werde. Es ging nun um den Calcio an sich, das Spiel, die Passwege, die Hereingaben, die fehlenden Abschlüsse – und am Ende seiner Verteidigung gelangte Guardiola zu einer Erkenntnis: „Importano le vittorie“, wichtig seien im Fußball nur die Siege: „Und solange wir nicht gewinnen, sind meine Argumente nur Ausreden.“

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In eine einigermaßen brisante Situation ist Manchester City am Mittwochabend geschlittert, bei Guardiolas zweiter Italienreise in diesem Herbst. Auf Platz 22 der Tabelle der Champions League steht City aktuell und hat in diesem Wettbewerb gerade einmal acht Punkte in dieser Saison geholt, sechs davon stammen von Siegen gegen Slovan Bratislava und Sparta Prag. Gegen die besseren Gegner sind die Probleme an den Ergebnissen abzulesen: Inter Mailand (0:0), Sporting Lissabon (1:4), Feyenoord Rotterdam (3:3) und nun eben Juventus Turin haben zu einer Situation beigetragen, in der erst im Januar zwei Endspiele gegen Paris Saint-Germain und den FC Brügge über ein Weiterkommen entscheiden werden.

Nur die Siege sind dann wichtig, darin ist Guardiola ausdrücklich recht zu geben. Im Falle seiner Argumente beziehungsweise Ausreden allerdings nicht immer: Natürlich ist es nicht nur eine Ergebniskrise, in der sich seine Mannschaft wiederfindet. Dass City sich nicht etwa selbst schlägt, sondern mit relativ simplen Methoden in die Knie zu zwingen ist, zeigte am Mittwochabend Juventus Turin.

Erling Haaland hat 18 Ballkontakte, er findet keine Bindung an die Offensive

Deren Trainer Thiago Motta ist zwar bekannt als Taktiker, wagte allerdings keine spektakulären Experimente, sondern verließ sich auf die Grundtugenden, die seine Mannschaft derzeit auszeichnen: eine exzellente Disziplin in der Defensive – und ein Gespür für den Raum beim Kontern. In der ersten Halbzeit resultierte das noch in einer abwartenden Rasenschachpartie, in der zweiten wiederum nutzte Turin seine Gelegenheiten: Ein Sturmlauf des Innenverteidigers Federico Gatti samt Seitfallzieher stiftete Verwirrung in der City-Defensive, an deren Ende Dusan Vlahovic per Kopfball zur Führung traf (53. Minute). Zwanzig Minuten später war es eine Kombination der Eingewechselten, die das Spiel entschied: Der frühere Schalker Weston McKennie setzte erst Timothy Weah mit einem öffnenden Pass in Szene und traf dann nach dessen Flanke zum 2:0, diesmal mit einem gelungenen Seitfallzieher.

Zweimal konnte man bei diesen Toren erkennen, dass eine der Kerneigenschaften von Guardiolas Mannschaft derzeit nicht mehr greift: Eine womöglich etwas verunsicherte, aber weiterhin herausragende Ballbesitzmannschaft ist Manchester City zwar noch – aber eben auch eine Elf ohne die notwendige Intensität in der Rückwärtsbewegung, die in der Vergangenheit womöglich noch entscheidender war als die offensiven Wunderwerke. Aber auch die fehlten in Turin: Die 18 Ballkontakte und der eine Torschuss von Erling Haaland sind als Argumente dafür ins Feld zu führen, dass City derzeit keinen Weg findet, seinen Stürmer in die Offensivaktionen einzubeziehen.

Fußballerisch muss Guardiola darauf nun Antworten finden. Die Zeit drängt, am Wochenende kommt Manchester United zum Derby. Und trotzdem wurde man das Gefühl nicht los, dass sich auch diese zweite Reise nach Italien für Guardiola in gewisser Weise gelohnt hat.

Man konnte ihn in Italien erneut nicht nur als Trainer, sondern als Menschen beobachten. Für den Sender Prime Video traf er sich in Turin vor dem Spiel noch einmal mit Luca Toni: Diesmal stand kein Rotwein vor den beiden, dafür waren Kameras dabei. Die allerdings schien der sonst häufig verschlossene Guardiola zu vergessen. Er berichtete aus seinem Innenleben, von seinem schlechten Schlafryhthmus und seiner ebenso schlechten Verdauung, er wirkte ehrlich und offen – nicht trotzig und missgestimmt.

Ob er daran glaube, dass er in dieser Saison noch den Titel in der Champions League gewinnen könne, fragte Toni an einer Stelle. „Ich weiß es nicht, Luca“, antwortet Guardiola: „Ich glaube, ehrlich gesagt, dass es eine Saison voller großer Schwierigkeiten bleiben wird.“

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