Manchester City:Guardiola hat auch England erobert

Manchester City: Pep Guardiola ist jetzt auch Meister in England. Zuvor gewann der die Bundesliga und auch Spaniens Meisterschaft.

Pep Guardiola ist jetzt auch Meister in England. Zuvor gewann der die Bundesliga und auch Spaniens Meisterschaft.

(Foto: AFP)
  • In England gewinnt Manchester City die Meisterschaft, ohne am Sonntag selbst zu spielen.
  • Trainer Guardiola hat in der Premier League mit seinem Fußball einen Kulturkampf ausgelöst.
  • Der Ballbesitz-Stil des Katalanen und die totale Dominanz erinnern an seine Zeit beim FC Bayern.

Von Sven Haist, London

Pep Guardiola war auf dem Golfplatz. Während seine Spieler den Ligatitel mit Manchester City verstreut auf dem Kontinent feierten, stand der Trainer mit Sohn Marius und Tommy Fleetwood, einem der weltbesten Golfer, unweit seines Wohnorts in Cheshire auf dem Fairway. Die gewählte Form der Freizeitgestaltung war sicher kein Zufall. Mit Golf lässt sich vorzüglich Selbstbeherrschung und die Einhaltung der Etikette suggerieren - Grundzüge, die Guardiola den Menschen auf der Insel in der Stunde des Triumphs unbedingt demonstrieren wollte.

"Das einzige Ergebnis, das für mich zählt, ist Bogey oder Birdie", sagte Guardiola. Das gespielte Desinteresse am Gewinn seiner ersten englischen Meisterschaft sollte dafür sorgen, dass bloß niemand auf die Idee kommt, den Erfolg als persönliche Genugtuung für ihn zu werten, womöglich gar als Punktsieg in der Auseinandersetzung mit den Gepflogenheiten der Premier League. In England hat sich im Fußball die Denkweise versteift, dass Pragmatismus in der Regel die beste Lösung sei, vor dem eigenen wie vor dem gegnerischen Tor. Deswegen wird der weite Pass nach vorne von den Zuschauern weiterhin genauso eingefordert wie hinten eine rustikale Zweikampfführung.

Doch Guardiola, 47, will durch maximale Ballkontrolle den Zufall minimieren, man kennt das noch von seinen Stationen in Barcelona und München. Mit dieser konträren Spielauffassung hat Guardiola seit seiner Ankunft als Trainer im Sommer 2015 bei Manchester City einen Kulturkampf ausgelöst. Dieser Konflikt um die Deutungshoheit übertraf in den vergangenen knapp zwei Jahren das übliche Gezanke in der Branche.

England-Fußball vs. Pep-Fußball: Am Sonntag um 17:50 Uhr war dieses Duell dann also entschieden. Auf Twitter schrieb Gary Neville, der den verbalen Widerstand gegen den katalanischen Trainer-Guru stets angeführt hatte: "Das wird ein langer MNF (Monday Night Football). Wir sind ab 7pm auf Sendung. Schaltet nicht ein!

Schmach der TV-Männer

!" In der Montagabend-Sendung des Senders Sky musste Neville als TV-Experte eine ausgiebige Würdigung des neuen Meisters vornehmen. Eine Schmach, die für den ehemaligen Spieler des Rivalen Manchester United nicht unangenehmer hätte ausfallen können. Zumal er vor knapp einem Jahr noch prophezeit hatte: "Wenn City die Premier League auf Peps Weise gewinnt, würde sich das der Logik widersetzen."

Nach Citys 3:1 über Tottenham Hotspur am Samstag hätte United einen Tag später im Heimspiel gegen West Bromwich mindestens ein Unentschieden benötigt, um das Titelrennen rechnerisch offen zu halten. Stattdessen erzielte Jay Rodriguez in der Schlussphase den Siegtreffer zum 1:0 für den bereits als Absteiger fast feststehenden Klub.

Englische Meister des 21. Jahrhunderts

2000 Manchester United

2001 Manchester United

2002 FC Arsenal

2003 Manchester United

2004 FC Arsenal

2005 FC Chelsea

2006 FC Chelsea

2007 Manchester United

2008 Manchester United

2009 Manchester United

2010 FC Chelsea

2011 Manchester United

2012 Manchester City

2013 Manchester United

2014 Manchester City

2015 FC Chelsea

2016 Leicester City

2017 FC Chelsea

2018 Manchester City

Fünf Spieltage vor Schluss ist City mit 87 Punkten an der Tabellenspitze uneinholbar enteilt, um 16 Zähler. Als erster Verein in der Historie der höchsten englischen Spielklasse könnte der neureiche Klub eine Spielzeit mit 100 Punkten und mehr abschließen. Drei Siege würden reichen für das Überbieten der bisherigen Bestmarke, die der FC Chelsea 2004/05 mit 95 Zählern aufgestellt hat.

Die Restspannung in der oberen Tabellenhälfte bezieht sich fortan einzig aus der Unklarheit, wie viele Rekorde letztlich gebrochen werden. Die Statistik sieht City unter anderem in folgenden Bereichen auf dem Weg zu einer neuen Bestmarke: größter Vorsprung (16), meiste Siege (28), meiste Tore (93), bestes Torverhältnis (+68), meiste Pässe (24 193), höchster Ballbesitzanteil (72,2%). "Diese Jungs sind einfach fantastisch, hammermäßig - sie sind unglaublich und haben meinen Respekt. Das ist eine der besten Saisons, die ich erlebt habe", sagte Guardiola. Nach der Golfrunde grüßte er bei nasskaltem Wetter mit strahlendem Gesichtsausdruck die Fotografen, die vor seiner Haustüre warteten.

Titel hat er genug - woher also die Schadenfreude?

Mit 23 offiziellen Titeln auf seinen drei Stationen (FC Barcelona, FC Bayern, Manchester City) hat sich Guardiola in der Liste der erfolgreichsten Trainer in Europa, die Sir Alex Ferguson mit 49 Pokalen anführt, auf den sechsten Rang vorgearbeitet. Direkt hinter Intimfeind José Mourinho und Ottmar Hitzfeld.

Wie es so weit kam? Nach all der Schadenfreude, die ihm nach Rang drei in der vergangenen Spielzeit zuteil wurde, hat sich Guardiola entschlossen, die Energie seiner besten Spieler für den Ertrag in der Premier League zu verwenden. Die Ergebnisse erschüttern die anderen Vereine in England regelrecht in ihrem Glauben, wie Fußball gespielt werden muss. So war das auch schon in Deutschland und Spanien, wo Guardiolas Teams ebenfalls oft mit riesigem Vorsprung ins Ziel einliefen.

City hat viel Geld investiert

Es gibt aber auch einen Preis, den City für den Erfolg bezahlt hat - und der fällt höher aus als die etwa 700 Millionen Euro Ablöse für neue Spieler seit 2015: das stets vorzeitige Aus in der Champions League. Weiter als einmal ins Halbfinale ist City nie gekommen, egal wie viel der Klub auch investierte unter Führung des Besitzers Scheich Mansour. Und ohne durchschlagenden Erfolg in Europas prominentestem Wettbewerb, das hat City inzwischen gemerkt, will sich die erhoffte weltweite Bekanntheit nicht so recht einstellen.

Bei einer Stippvisite nach Abu Dhabi konnte sich Guardiola kürzlich die Trophäensammlung des Scheichs ansehen - und bekam noch mal zu hören, welche Bedeutung der Henkelpokal für Mansour und seine arabischen Freunde hätte. Für das Erreichen dieses Ziels wurde Guardiola verpflichtet. Den Ligatitel haben auch schon Roberto Mancini (2012) und Manuel Pellegrini (2014) abgeliefert - wenngleich nicht auf diese Weise.

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