City verliert gegen Tottenham:Guardiolas Trauma kommt wieder hoch

Pep Guardiola beim CL-Spiel Manchester City gegen Tottenham Hotspur

Fassungslos: Pep Guadiola.

(Foto: Getty Images)
  • Manchester City verliert das Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales gegen Tottenham mit 0:1.
  • Damit setzt City-Trainer Pep Guardiola eine Serie von missglückten Auswärtsspielen in der K.-o.-Phase des Europapokals fort.
  • Tottenham beklagt das mögliche Saison-Aus von Harry Kane. Der Stürmer und Kapitän verletzt sich offenbar schwerer.

Von Sven Haist, London

Zu verstehen war es nicht, was Son Heung-min in die Fernsehkamera brüllte. Aber das war auch unerheblich, weil ihm die Freude über sein Tor ins Gesicht geschrieben stand wie jedem anderen, der es mit Tottenham Hotspur hielt. Der Jubel über den Siegtreffer gegen Manchester City schüttelte das eigene Stadion durch, als würde es in Zukunft nie mehr ein Tor zu feiern geben für die Spurs in der vor einer Woche neu eröffneten Arena. Während sich die Mitspieler an der Eckfahne über Son türmten, schwebte der sonst so kontrolliert auftretende Mauricio Pochettino in der Trainerzone vor sich hin. Die Arme hatte der Argentinier wie im Flug zur Seite gestreckt. Zumindest kurzfristig half Tottenham der Treffer, um die Stimmung hochzuhalten am Dienstagabend angesichts des zuvor verletzt ausgewechselten Stürmers Harry Kane. Wohl wissend, die Erinnerung an den Verlust des Vorzeigespielers würde früh genug ins Gedächtnis zurückkehren - und so kam es dann mit Spielende.

Sofern sich die medizinische Erstdiagnose bestätigt, dass sich Kane eine Bänderverletzung am linken Knöchel zugezogen hat, gleicht Tottenhams 1:0 über Manchester City im Hinspiel des englischen Viertelfinals der Champions League nicht mehr als einer Ausfallentschädigung für den eigenen Torjäger. Bei einem unnötigen Tackling an der Mittellinie rutschte Kane auf nassem Rasen weg und grätschte an der Außenlinie in Citys Fabian Delph hinein. Um den Ball zu erwischen sowie sich selbst vor der Attacke zu schützen, streckte Delph den rechten Fuß durch und landete dabei unfreiwillig auf Kanes lädiertem Sprunggelenk. Ohne aufzutreten humpelte Kane gestützt durch zwei Betreuer in die Kabine (58.) und später mit Krücken aus dem Stadion. "Ich habe Sorge, dass er für den Rest der Saison ausfällt. Es sieht nicht gut aus, aber was können wir tun?", sagte Pochettino.

Für Kane, 25, wäre es in seiner Karriere bereits die fünfte Bänderverletzung an beiden Knöcheln. Nachdem zunächst drei Mal der rechte Fuß betroffen war, erwischte es den Kapitän der englischen Nationalmannschaft im Januar beim Ligaspiel gegen Manchester United am linken Sprunggelenk, was ihn zu einer sechswöchigen Pause zwang. Sollte sich nun eine ähnliche Blessur herausstellen, verpasst er nicht nur die verbleibenden Spurs-Spiele, sondern eventuell ebenso die Finalspiele der Nations League mit England im Juni. Nach dem Vorfall wandte sich Pochettino an Delph mit einem anklagenden "Why? Whyyy?", der wiederum die Schuld an Kane weiterreichte. Der Mittelstürmer musste im Spiel einige Regelwidrigkeiten über sich ergehen lassen, darunter ein von Fernandinho ungeahndeter Ellbogenstoß auf den Kopf. Diesen Unmut schleppte er durchs Spiel. So etwas wie Frieden schließen mit Delph konnte Tottenham, als Son dessen kapitalen Stellungsfehler zu seinem 18. Saisontreffer ausnutzte (78.). Den Fauxpas des Aushilfslinksverteidigers bei City forderte Pochettino heraus, indem er den pfeilschnellen Südkoreaner nach einer Viertelstunde auf die rechte Außenseite berief.

Böse Erinnerungen an Liverpool

Die rücksichtslos geführte Begegnung - in der Tottenham neben Kane in der Schlussphase noch Dele Alli wegen einer Handblessur austauschen musste - beeinträchtigte den Rhythmus bei Manchester City. Konträr zum 0:3 in Liverpool im vergangenen Viertelfinal-Hinspiel der Königsklasse, bei dem Pep Guardiola sein Team taktisch überfordert hatte, entschied er sich diesmal in der bislang wichtigsten Saisonpartie mit der Minimierung der offensiven Risikobereitschaft fürs andere Extrem. Als wäre es ihm einzig darum gegangen, das Weiterkommen auf keinen Fall erneut im Hinspiel zu vergeigen, ließ sich die konservative Ausrichtung bei der Wahl der Startelf kaum unterbieten.

Bereits nach neun Minuten machte Guardiola eine weitere Rolle rückwärts, indem er im Spielaufbau den in die Mitte rückenden Delph wieder nach außen stellte. Für den fortan auftretenden personellen Patt in der Spielfeldmitte fiel City keine Idee zur Auflösung ein. "In der Vorsaison war die Ausgangslage viel, viel schlimmer", sagte Guardiola. Manchmal sei ein 0:1 gar besser als ein 0:0, weil sein Team im Rückspiel nun definitiv Tore schießen müsse.

Seit der Spielzeit 2011/12 hat Guardiola mit seinen Vereinen bloß drei von 15 Auswärtsspielen in den K.o.-Runden des Europapokals gewonnen (mit dem FC Bayern gegen Arsenal; sowie mit City gegen Basel und Schalke). Zur doppelten Konterabsicherung agierten Fernandinho und Ilkay Gündogan gegen Tottenham gemeinsam vor der anfälligen Abwehr. Im Trio mit dem in die Jahre gekommenen Spielmacher David Silva stellte sich dadurch allerdings ein Tempodefizit im Mittelfeld ein.

Sané und De Bruyne sitzen auf der Bank

Der Verzicht auf den wiedergenesenen Kevin De Bruyne und den formstarken Leroy Sané von Beginn an zugunsten zusätzlicher defensiver Stabilität erwies sich im selben Maß als Trugschluss wie auf den angeschlagenen Sergio Agüero zu setzen. Der argentinische Angreifer verschoss in der zwölften Minute einen kontroversen Handelfmeter. Womit das psychologische Trauma des Klubs (und wohl von Guardiola) wieder hochkam, in der Champions League vorrangig an sich selbst zu scheitern.

"Ein Stück weit ist es unser Schicksal, dass uns in wichtigen Spielen die Nerven flattern. Wir versuchen, das Besondere zu machen. Dabei ist weniger manchmal mehr", sagte Gündogan. "Wir lassen uns von Negativereignissen viel zu weit zurückwerfen. Das darf einer großen Mannschaft nicht passieren - und deswegen sind wir keine." Mit der schonungslosen Analyse widersprach Gündogan indirekt den Einschätzungen seines Chefs, der ein unglaubliches Spiel des Teams gesehen haben wollte. Die unterschiedlichen Meinungen fallen in eine Phase, in welcher der deutsche Nationalspieler seinen Marktwert austestet. Trotz eines Angebots weigert sich Gündogan seinen bis Sommer 2020 datierten Vertrag in Manchester zu verlängern. Am Spieltag tauchten Gerüchte in den Medien auf über ein angebliches Interesse des FC Bayern.

Durch das maue Hinspiel-Resultat muss Manchester City nächsten Mittwoch von Beginn an gegen das vorzeitige Aus in der Königsklasse angehen, das den Klub ähnlich schwer treffen würde wie die Achtelfinal-Pleite des gleichermaßen mit Geld aufgepumpten Paris Saint-Germain. Immerhin kommt City zugute, dass bei Tottenham ein Einsatz von Harry Kane nahezu ausgeschlossen sein dürfte. Wobei die Spurs halt erst mal nicht gezwungen sein werden, ein Tor zu schießen. Und falls doch, haben sie ja noch Son Heung-min.

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