Manchester City:Nur ein Fall für die Portokasse

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Achtung! Wir bleiben im Champions-League-Rennen! Pep Guardiola, der nach dem FC Barcelona und dem FC Bayern seit 2016 ManCity trainiert. (Foto: Steve McCormick/Focus images/imago)

Der Sportgerichtshof Cas hält den Vorwurf schwerer Finanztrickserei im Fall von Manchester City für "verjährt oder "nicht festgestellt" - die Frage kommt auf, welche Beweise er noch gebraucht hätte.

Von Claudio Catuogno und Thomas Kistner

Bisher ist es nur eine knapp eineinhalbseitige Presseerklärung, die der Internationale Sportgerichtshof Cas am Montagmorgen auf seine Webseite gestellt hat: "Manchester City hat die Eigenkapitalfinanzierung nicht als Sponsorenbeiträge getarnt", heißt es da etwas sperrig in Großbuchstaben. Sowie: "Ausschluss von der Teilnahme an Uefa-Klub-Wettbewerben aufgehoben." Wie genau die drei Richter des in Lausanne ansässigen Sportgerichts zu diesem Urteil gelangt sind, wird man erst "in ein paar Tagen" nachlesen können, im ausführlichen Beschluss.

Die Folgen für den englischen Spitzenklub, aber auch für den internationalen Fußball und sein zunehmend kritisch beäugtes Finanzgebaren sind hingegen schon klar: Alles kann jetzt erst mal so weiterlaufen wie bisher. Der Klub des Promitrainers Pep Guardiola darf auch in den kommenden zwei Spielzeiten in der Champions League mitmachen, so er sich qualifiziert (für 2020/21 hat City das als Tabellenzweiter in England soeben geschafft). Und Europas Fußball-Union Uefa? Die darf weiter vergeblich darauf pochen, dass ihre Finanzregeln für alle gelten, auch für von Golf-Scheichs gesteuerte Konstrukte wie Manchester City und Paris Saint-Germain, die ihre Milliarden, nun ja: oft auf etwas andere Weise verdienen als das Gros der internationalen Fußballmarken.

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Man könnte es auch so sagen: Der Cas hat am Montag den Manchester-City-Kapitalismus legitimiert.

Erst im Februar hatte die Uefa - genauer: ihr unabhängiges Finanzkontrollgremium CFCB - den Zwei-Jahre-Bann gegen City verhängt, plus 30 Millionen Dollar Geldstrafe. Die Uefa sprach von "schwerwiegenden Verstößen" gegen ihr Financial-Fairplay-Reglement. Und was zuvor Stück für Stück an die Oberfläche gespült worden war, unter anderem anhand von Dokumenten über die Plattform "Football Leaks", hatte den Vorwurf der groben Finanzmauschelei zumindest mit handfesten Indizien untermauert.

City gehört seit 2009 Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, 49, Mitglied der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi. Das viele Geld, das City seither in immer neue Transfers investiert (bzw. Guardiola überweist), fließt ebenfalls vor allem aus dem mittleren Osten. Offiziell von Sponsoren wie der Staatsfluglinie Etihad. Laut Uefa-Anklage ist es aber vor allem Haupteigner Mansour gewesen, der zahlte - als Sponsoreneinnahmen getarnt. Genau das will die Uefa mit ihren Finanzregeln verhindern: dass einzelne Klubbesitzer unbegrenzt persönliches Vermögen in einen Verein pumpen. Die Klubs sollen nur so viel ausgeben, wie sie wirklich einnehmen, sie sollen nachhaltig wirtschaften, das ist das schlichte Prinzip hinter dem komplexen Regelwerk namens Financial Fairplay (FFP).

Besonders eindrucksvoll waren Citys Gegen-"Beweise" nicht

Nun legten aber Mails zum Beispiel nahe, dass Etihad tatsächlich nur acht Millionen und nicht wie offiziell angegeben 67,5 Millionen Pfund Sponsorengeld überwies, der Rest sei vermutlich aus dem Firmengeflecht des Klubbesitzers Mansour geflossen. Damit das nicht auffällt, so die Aktenlage, wurde getäuscht und verschleiert, wurden Dokumente rückdatiert und der Wert von Gegenleistungen umgerechnet.

City wiederum hatte all das rundweg bestritten und war gegen den Uefa-Beschluss vor den Cas gezogen. Der Fall sei "von der Uefa initiiert, von der Uefa verfolgt und von der Uefa beurteilt" worden, hieß es, Geschäftsführer Ferran Soriano klagte, die Finanzkontrollkammer vertraue "eher auf gestohlene und aus dem Kontext gerissene Mails als auf all die anderen Beweise, die wir geliefert haben". Besonders eindrucksvoll waren Citys Gegen-"Beweise" allerdings nicht, der zweite Teil des Uefa-Vorwurfs lautete gar auf totale Blockade. Und zu diesem Urteil gelangte auch der Cas: Dafür, dass der Klub "nicht mit den Uefa-Instanzen zusammengearbeitet" habe, hielten die Richter eine Strafe für angemessen: zehn Millionen Dollar, statt der ursprünglich verhängten 30 Millionen.

Es wird sich jetzt gewiss jemand finden in Manchester oder Abu Dhabi, der das mit Freude aus der Portokasse bezahlt.

Die Reaktion der Uefa fiel wortkarg aus, Niederlage ist Niederlage. Nur ein paar grundsätzliche Anmerkungen gab es aus der Zentrale in Nyon: "In den letzten Jahren hat das Financial Fairplay eine wichtige Rolle beim Schutz der Klubs und bei ihrer finanziellen Nachhaltigkeit gespielt." Man bleibe seinen "Grundsätzen verpflichtet", werde aber "diesbezüglich keine weiteren Kommentare abgeben". Tatsächlich wurden mehr als 40 Klubs bisher wegen Verstößen gegen das 2009 eingeführte und sukzessive präzisierte FFP bestraft.

Doch meistens waren das kleinere Standorte aus dem Osten und Südosten Europas - keine Großkaliber, deren Mitwirken in der Königsklasse der Uefa ja erst die gigantischen Einnahmen sichert. Als Manchester City und Paris Saint-Germain 2014 schon einmal in den Blick gerieten, half der damalige Uefa-Generalsekretär und heutige Fifa-Präsident Gianni Infantino sogar persönlich, möglichst milde Konsequenzen auszudealen. Bloß nicht den Ast ansägen, auf dem man gemeinsam sitzt.

Die Zwei-Jahres-Sperre nun gegen City war das erste Signal, dass es der Uefa in der Zeit nach Infantino, unter dem Slowenen Aleksander Ceferin, offenbar ernst ist mit ihrem FFP. Die Frage, wie schwer der Rückschlag durch den Cas-Entscheid nun ist, wird man den Details des Urteils entnehmen müssen. Denn zum einen erkannte der Cas Teile der Vorwürfe schlicht als verjährt, gemessen am von der Uefa selbst für maßgeblich erklärten Fünf-Jahres-Zeitraum. Da sich die Enthüllungen auf die Jahre 2012 bis 2016 beziehen, könnte dieser Punkt nachvollziehbar sein.

Vor allem aber bezeichnen die Richter die Vorwürfe als "nicht festgestellt", nicht bewiesen - das wirft die Frage auf: Welche Beweise hätte der Cas noch gebraucht? Das undurchsichtige Geflecht globaler Geschäftsbeziehungen, das solchen Finanzströmen oft zugrunde liegt, wird ja gerade aufgestellt, damit am Ende nichts nachvollziehbar ist.

Vor diesem Hintergrund ist besonders spannend, dass die Affäre um das Finanzgebaren der Citizens auch das britische Serious Fraud Office in Bewegung gesetzt hat. Die Strafverfolgungsbehörde für schweren Betrug hat sich nach SZ-Erkenntnissen über die vergangenen Wochen in Justizkreisen außerhalb der Insel zu Beziehungsgeflechten und Einflussmöglichkeiten im europäischen Fußball erkundigt. Branchenkenner werten dies als klaren Hinweis, dass den Milliarden-Operationen rund um die Klubs der britischen Premier League und ihren möglichen transnationalen Verästelungen nun insgesamt mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Das wäre ein vielversprechender Ansatz mit ganz anderen Ermittlungsmethoden, als sie der Spezialjustiz des sich selbst verwaltenden Sports zur Verfügung stehen.

© SZ vom 14.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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