Mainz - Stuttgart (15.30 Uhr):Leader ohne Sprache

1. FSV Mainz 05 v SV Werder Bremen - Bundesliga; Gbamin

Er weiß, was er will: Jean-Philippe Gbamin träumt davon, in der Premier League spielen zu dürfen. Vorerst bleibt er aber in Mainz.

(Foto: Lukas Schulze/Getty)

Im Sommer hat Mainz mal wieder drei Säulen des Kaders verloren. Ein "Mondangebot" aus England für Jean-Philippe Gbamin wurde abgelehnt - um ihn herum soll das neue Team aufgebaut werden.

Von Tobias Schächter, Mainz

Jean-Philippe Gbamin sagt voller Überzeugung: "Ich nehme die Rolle als Führungsspieler an." Nein, das stimmt eigentlich nicht, in Wahrheit hat der in Frankreich aufgewachsene Nationalspieler der Elfenbeinküste gerade in seiner Muttersprache gesagt: "J'accepte le rôle de leader." Jean-Phillipe Gbamin, 22, geht mit Mainz 05 in seine dritte Bundesligasaison, die an diesem Sonntag mit einem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart beginnt. Noch immer spricht er kein Deutsch, ein Übersetzer transferiert seine Gedanken vom Französischen ins Deutsche. Jean-Phillip Gbamin aber übernimmt im zentralen Mittelfeld der Mainzer in der kommenden Saison noch mehr die Rolle des Antreibers als in den vergangenen beiden Jahren, als der aus Lens gekommene Athlet sich kontinuierlich zur herausragenden Figur im Spiel der Rheinhessen entwickelte.

Er muss es auch, denn die Mainzer haben in dieser Transferperiode in jedem Mannschaftsteil "ein Schwergewicht" (FSV-Sportvorstand Rouven Schröder) abgebeben: Innenverteidiger Abdou Diallo wechselte für 28 Millionen Euro zu Borussia Dortmund, Mittelfeldtalent Suat Serdar für elf Millionen zum FC Schalke und Stürmer Yoshinori Muto für elf Millionen zu Newcastle United. Auch für Gbamin hatte der Klub in diesem Sommer ein "Mondangebot aus England" vorliegen, so Schröder. Aber die Mainzer sagten: No!

Gut 24 Millionen Euro wurden in Talente investiert

Dieses "No" konnte sich der Klub leisten, rund 50 Millionen Euro spülten die Verkäufe dieses Sommers in die Kassen - wovon rund 24 Millionen reinvestiert wurden: in Stürmer Jean-Philippe Mateta, 20, von Olympique Lyon, Verteidiger Moussa Niakhaté, 22, vom FC Metz, Mittelfeldspieler Pierre Kunde, 22, von Atlético Madrid und Linksverteidiger Aaron Martin, 21, von Espanyol Barcelona. Die Zugänge sind alle Talente, die bei erwarteter sportlicher Entwicklung in Zukunft eine wirtschaftliche Rendite abwerfen könnten. Aber wie schnell sich die jungen Profis im neuen Land und in der neuen Mannschaft integrieren, kann niemand seriös voraussagen.

In Gbamin einen weiteren gestandenen Profi abzugeben, kam deshalb für Mainz nicht in Frage, obwohl der Profi keinen Hehl daraus gemacht hatte, das Angebot aus England gerne annehmen zu wollen. Doch der FSV will nach zwei schrillen Jahren mit Führungskrisen, Strukturreform, personeller Erneuerung und zwei nervenzehrenden Abstiegskämpfen endlich wieder ruhige Zeiten auf und neben dem Platz erleben. Und dafür soll der durchsetzungsstarke Jean-Philippe Gbamin ein Garant sein. Dass er die deutsche Sprache noch immer nicht spricht, ist für Sportvorstand Rouven Schröder dabei kein Hindernis, er sagt: "Jean-Phillipe ist ein Leader ohne Sprache. Integration und Anerkennung entstehen im Profifußball vor allem auf dem Platz."

Vertrag bis 2023 verlängert

Gbamin träumt davon, irgendwann in der Premier League zu spielen, das gibt er offen zu. Dass er die Absage der Mainzer für einen Wechsel nach England klaglos hingenommen hat, hat viele Gründe. Offenbar stammte das Angebot nicht von einem Spitzenklub, und der ehemalige französische U 21-Nationalspieler weiß, dass es künftig für ihn - bleibt er verletzungsfrei - weiter Angebote von sportlich womöglich lukrativeren Vereinen geben wird. Zudem einigten sich Schröder und Gbamins Berater am Donnerstag darauf, den Vertrag des Spielers noch einmal um ein Jahr bis 2023 zu verlängern. Der beste Mainzer Profi dürfte auch in der Gehaltsliste des Klubs nun ganz oben angekommen sein. Laut Schröder "honoriert" der Verein mit der Gehaltserhöhung den "professionellen Umgang" des Spielers mit der Haltung des Klubs in Bezug auf dessen Wechselmöglichkeiten.

Wie Diallo vor einem Jahr aus Monaco, kam Gbamin vor zwei Jahren aus Lens für die Kaufsumme von fünf Millionen Euro nach Mainz. Der neue Kontrakt soll keine festgeschriebene Ablösesumme enthalten. Mainz 05 kann bei einem möglichen Verkauf nach dieser Saison die Einkaufsumme wohl versechsfachen und hat jetzt ein Jahr Zeit, sich um einen Nachfolger zu kümmern. Das wollen die Mainzer ohne Abstiegsängste tun.

Trainer Sandro Schwarz setzt gegen Stuttgart zum Saisonauftakt auf einen starken Gbamin, auch weil in René Adler, Alexander Hack, Levin Öztunali, Emil Berggreen und Danny Latza wichtige Spieler sicher ausfallen. Den letzten Rundenstart verpatzte Mainz 05 mit zwei Niederlagen gegen die damaligen Aufsteiger Hannover und Stuttgart. Diesmal verspricht Jean-Phillipe Gbamin: "Wir wollen diesmal unbedingt besser starten." Obwohl, eigentlich sagte er: "Nous voulons vraiment commencer mieux cette fois."

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