Mainz - Hamburg (15.30 Uhr):Nicht mehr nach Hamburg

HSV holt Nationalspieler Nicolai Müller

Der bisher letzte erfolgreiche Abwerbeversuch: Nicolai Müller kam vor der Saison von Mainz 05 zu Hamburg und Dietmar Beiersdorfer (links).

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Der FSV Mainz 05 verdient Geld, der HSV verbrennt Geld - auch deshalb versuchen die Hamburger immer wieder, Personal aus der Führungsriege des Konkurrenten abzuwerben. Bisher vergeblich.

Von Tobias Schächter, Mainz

Vergangenen August hat sich Christian Heidel anlässlich des Wechsels von Nicolai Müller zum Hamburger SV die Mühe gemacht, die Transferbilanzen des HSV und von Mainz 05 zu vergleichen. Der Mainzer Manager fand heraus, dass die Nullfünfer in den drei Spielzeiten zuvor ein Plus von 20 Millionen Euro erwirtschaftet hatten, der HSV im gleichen Zeitraum ein Minus von 20 Millionen. Die Ablösesumme von 4,5 Millionen Euro plus Zusatzleistungen im Erfolgsfall sowie Müllers Gehalt konnte der HSV nur dank eines Darlehns von Investor Klaus-Michael Kühne aufbringen.

Rund neun Monate ist das jetzt her. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass unter der Rubrik "Zusatzleistungen" in der Ablösevereinbarung auch der Klassenerhalt des HSV steht. Dass es noch mal so weit kommen würde, dass der Nicht-Abstieg schon als Erfolg gilt in Hamburg - damals erschien das den Verantwortlichen absurd. Es sollte doch alles besser werden.

Doch die Transferoffensive der neuen Klubführung um den Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer vergangenen Sommer brachte: nichts. "Die Neuzugänge haben zuvor mehr gezeigt als bei uns", gab Beiersdorfer jüngst zu. Auch Nicolai Müller erfüllte die Erwartungen nicht. In Mainz unter Trainer Thomas Tuchel sogar zum Nationalspielerchen (zwei Einsätze) gewachsen, dürfte Müller im Sonntagsspiel, bei seiner Rückkehr nach Mainz, wohl erneut zunächst auf der Ersatzbank Platz nehmen. Auch unter Bruno Labbadia, dem vierten HSV-Trainer in dieser Spielzeit, ist der Flügelflitzer nicht gesetzt.

Die Lage des HSV ist weiter prekär

Nach dem 3:2 gegen den FC Augsburg am vergangenen Wochenende - Labbadias erstem Sieg im zweiten Spiel - sollte der HSV nun besser auch in Mainz punkten, die Lage ist mit 28 Punkten auf Relegationsplatz 16 weiter prekär. Die Mainzer hingegen sind nach zuletzt zwei Siegen in Serie mit nun 37 Punkten praktisch gerettet, ein Sieg könnte letzte theoretische Zweifel ausräumen. FSV-Trainer Martin Schmidt sagt: "Wir können, die Hamburger müssen gewinnen."

In Mainz sind sie kurioserweise vor den letzten vier Saisonspielen plötzlich punktemäßig den Europapokalplätzen näher als den Abstiegsrängen. Die Korrektur auf dem Trainerstuhl hat gewirkt. Martin Schmidt hat die DNA des aggressiven Vorwärtsverteidigungsfußballs von Mainz 05 nach fünf Jahren als U-23-Trainer verinnerlicht, das zahlte sich rasch aus. Vorgänger Kasper Hjulmand wollte unbedingt mit mehr Ballbesitz spielen, der Manager Heidel traute Hjulmand jene Wende im Abstiegskampf auch deshalb nicht zu, die der Schweizer Schmidt nun beeindruckend geschafft hat.

Mit einem Lizenzspieleretat von rund 23 Millionen Euro bewegt sich Nullfünf im hinteren Drittel der Liga. Der hochverschuldete HSV bewegt einen Lizenzspieleretat, der rund doppelt so hoch ist wie der von Mainz, kann sich Spieler wie Müller aber nur leisten, weil sich Investor Kühne engagiert. Dass ihre besten Spieler abgeworben werden, betrachten sie in Mainz als "business as usual" (Heidel). Aber auch wenn es niemand offiziell sagt: Ein Sieg gegen den HSV wäre für viele Offizielle im Klub trotzdem eine Genugtuung.

Offenbar hat der HSV im Winter versucht, verdiente Mitarbeiter aus der ausgezeichneten Nachwuchsabteilung von Mainz 05 abzuwerben. Das sorgte für großen Unmut in Rheinhessen. Die Initiative sollte schon zur nächsten geplanten Neuausrichtung des HSV gehören, jener ab diesem Sommer.

Klopp wurde nicht HSV-Coach - wegen des Bartes

Eigentlich sollte ja der ehemalige Mainzer Trainer Thomas Tuchel in der kommenden Runde den HSV trainieren. Doch als die Abstiegsgefahr allzu konkret wurde, machte der Klub doch lieber sofort Bruno Labbadia zum Trainer, mit Vertrag bis Ende Juni 2016. In Hamburg fanden sie es im Zusammenhang mit einer möglichen Inthronisierung von Tuchel offenbar eine gute Idee, in der Mainzer Nachwuchsabteilung zu wildern. Bei Mainz wurden in den letzten Jahren die Weltmeister André Schürrle und Erik Durm ebenso ausgebildet wie Jan Kirchhoff, Roman Neustädter (beide Schalke), Mario Vrancic (Paderborn) oder der derzeitige Abwehrchef der Nullfünfer, Stefan Bell.

Der HSV sucht seit Jahren vergeblich nach einer personellen und konzeptionellen Kontinuität, wie sie Mainz 05 vorbildlich lebt. Doch das wird er auch weiter ohne die wesentlichen Mainzer Protagonisten tun müssen. Den in Mainz sozialisierten Trainer Jürgen Klopp wollte die damalige HSV-Führungsriege um Beierdsorfer, Katja Kraus und Bernd Hofmann 2007 nicht, er erschien ihnen als zu schmuddelig mit seinem Drei-Tage-Bart - eine epochale Fehleinschätzung. Auch Thomas Tuchel geht nun lieber nach Dortmund. Und vor ein paar Jahren wollte der Uwe-Seeler-Klub auch mal einen Mainzer Manager verpflichten, er heißt: Christian Heidel. Er ist seiner "Lebensaufgabe" Mainz 05 bis heute treu geblieben.

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