Mainz 05:"Wir spielen wie Amateure"

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Halt ihn doch fest! René Adler hatte bei seinem Comeback im Tor des FSV Mainz gute Gründe zu hadern – auch und gerade mit sich selbst.

(Foto: imago/Revierfoto)

Mainz 05 möchte so gerne wieder unbequem sein. Aber das 0:3 in Frankfurt wirkt wie eine Bewerbung für die zweite Liga.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Nach dem dritten Gegentor war für die Fans von Mainz 05 das Pokal-Spiel in Frankfurt beendet: Keine Anfeuerungsrufe mehr, keine Gesänge, nichts mehr war aus der Kurve zu hören. Die brodelnde Stille der Frustration verschwand erst wieder mit dem Abpfiff: Als sich die Mainzer Profis nach ihrer beschämenden Vorstellung und dem 0:3 im Viertelfinale beim Rhein-Main-Rivalen Eintracht Frankfurt auf den Weg in die Kurve machten, wurden sie von ihren Fans übel beschimpft - so wie es bei jedem anderen x-beliebigen Verein längst unselige Tradition ist, wenn sich Krisen verschärfen und die Angst vor dem Abstieg sich breit macht.

Mainz 05 will nach anderthalb Jahren Führungskrise mit der Wahl des neuen Vorstandsvorsitzende Stefan Hofmann endlich wieder Mainz 05 sein: neben dem Platz ein sympathischer Verein und auf dem Platz eine gefürchtete Nervensäge. Doch wohl noch nie war eine Mainzer Elf weiter von dem Idealbild des mutigen Underdogs entfernt als am Mittwoch in Frankfurt.

Einen "Tiefpunkt" sah nicht nur Winterzugang Nigel de Jong erreicht: "So geht das nicht weiter. Wir spielen wie Amateure." Trainer Sandro Schwarz sprach von einem "Tiefschlag". Schwarz ist ein Kind des Vereins, er spielte einst für Nullfünf in der zweiten Liga, er ist in der Stadt geboren und hat in Mainz Abitur gemacht. Im Sommer beförderte ihn Sportvorstand Rouven Schröder vom Nachwuchs- zum Cheftrainer. Angetreten ist der 39-Jährige mit der Absicht, wieder ähnlich begeisternden und identitätsstiftenden Fußball spielen zu lassen wie unter den stilbildenden Vorgängern Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Aufbruchsstimmung sollte wieder einkehren nach dem erfolgreichen, aber nervenzehrenden Abstiegskampf in der letzten Runde mit dem Trainer Martin Schmidt. Gelungen ist das in der Liga bisher nur andeutungsweise. Schwarz ringt um Anerkennung, zuletzt gab es gegen ihn und Schröder in den sozialen Netzwerken geballte Kritik. Auch der Säulenheilige des Klubs, Jürgen Klopp, hat das in Liverpool mitbekommen und seinen ehemaligen Mitspieler zu stärken versucht. Das Pokalderby hätte das Profil des Trainers schärfen können. Doch nach dem 0:3 geht es nur um die Frage: Schafft Schwarz die Wende? Die kurzfristigen Aussichten sind schlecht. Mainz konnte bisher kein einziges Auswärtsspiel in der Liga gewinnen, am Samstag geht es zur TSG Hoffenheim, eine Woche später zu Hertha BSC. Erstmals seit dem Wiederaufstieg in die Bundesliga 2009 fielen die Rheinhessen nach dem 0:2 gegen den FC Bayern am vergangenen Wochenende auf den Relegationsplatz 16. Die Leistung am Mittwoch nährt eher die Anzeichen, dass der tabellarische Tiefpunkt noch nicht erreicht ist. Wie ein zusammengewürfelter Haufen spielten die Mainzer, zusammenhanglos und mutlos. Und die Tore schenkten sie sich selbst ein: Torwart-Routinier René Adler, der nach drei Monaten Verletzungspause erstmals wieder im Tor stand, leitete die Niederlage ein, als er den Ball vor dem Führungstor der Eintracht von Ante Rebic verstolperte (17.). Adler klagte: "Ich hatte Krieg mit meinen Füßen." Das hatten an diesem Tag auch andere 05-Profis, das 0:2 machte FSV-Verteidiger Alexander Hack selbst (52.), das 0:3 durch Omar Mascarell (63.) leitete Hack mit einem krassen Fehlpass ein. Die Mainzer kassieren zu viele einfache Gegentore in dieser Saison; Schwarz will zur Fehlervermeidung nun Befreiungsschläge sehen im Spielaufbau. Dabei war er angetreten, um wieder Fußball spielen zu lassen.

Alarmierend ist die Erkenntnis, dass der Kader den Ausfall von zwei Leistungsträgern nicht verkraftet. In Frankfurt fehlten verletzungsbedingt Jean-Philippe Gbamin und Yoshinori Muto. Gbamin ist im Mittelfeld unverzichtbarer Antreiber und Stabilisator. Muto-Ersatz Anthony Ujah, im Winter für 3,8 Millionen Euro von Liaoning Hongyun aus China erworben, agierte im Sturmzentrum ohne Durchsetzungskraft. In dieser Verfassung braucht eher Ujah Aufbauhilfe, als dass der Nigerianer selbst Aufbauhelfer für seine Elf sein kann.

Mit harter Ansprache versucht Schwarz nun Trotz bei seinen Profis zu wecken: "Ich will, dass die Spieler dieses Gefühl, das sie heute haben, nie wieder erleben wollen", sagte der Trainer in Frankfurt. Doch wie viel innere Kraft hat diese Mannschaft noch?

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