Süddeutsche Zeitung

FSV Mainz 05:"Fünf Spiele, null Punkte - das sagt eigentlich alles"

Mainz 05 bleibt noch hinter Schalke das Schlusslicht der Liga. Doch gegen Champions-League-Teilnehmer Mönchengladbach sieht Neu-Trainer Lichte Grund zur Hoffnung.

Von Frank Hellmann

Am Ende hat Marco Rose seine Mainzer Verbundenheit nicht verbergen wollen. Zunächst feierte der Trainer von Borussia Mönchengladbach mit geballten Fäusten und einem brachialen Freudenschrei den schwer erkämpften 3:2 (1:2)-Auswärtserfolg beim noch punktlosen Schlusslicht FSV Mainz 05. Dann aber spürte der gebürtige Leipziger, dass sein ehemaliger Verein Zuspruch dringend brauchen konnte. Nachdem Kollege Jan-Moritz Lichte seinen Rundgang durch die enttäuschten eigenen Reihen vorgenommen hatte, klatschte auch Rose jeden einzelnen Protagonisten im rot-weiß gemusterten Trikot ab.

Die Begründung für so viel Mitgefühl blieb der Gladbacher Coach nicht schuldig. "Ich habe hier zehn Jahre gespielt und meine schönste Zeit als Fußballer gehabt. Das ist ein großartiger Verein mit ganz tollen Menschen. Meine Tochter ist in Mainz geboren, die Stadt liegt mit am Herzen", sagte Rose, 44. In der digitalen Pressekonferenz formulierte er ausdrücklich den persönlichen Wunsch, Mainz möge "gestärkt aus der Krise hervorgehen". Er hat hier ja ein ganzes Jahrzehnt zugebracht, das emotionale Auf und Ab unter Jürgen Klopp erlebt und 199 Spiele in erster und zweiter Liga bestritten. "Ich hänge mit dem Herzen dran", gestand der frühere Mainzer, der auch für eine aktuelle Bestandsaufnahme zur Verfügung stand: "Ich glaube, es spielt sich jetzt vieles im Kopf ab." Er erinnere sich selbst an eine Phase, "da sind wir unter Klopp auch mit fünf Niederlagen gestartet und haben dann das Derby in Kaiserslautern gewonnen".

Womit sich die Mainzer aktuell eher trösten können: Sie waren gegen einen Champions-League-Teilnehmer eine Stunde lang ebenbürtig. "Wir haben alles gegeben, alles rausgehauen. So muss Mainz 05 auftreten", erklärte der zerknirschte Kapitän Daniel Brosinski. Und doch überwog auch bei ihm die Enttäuschung: "Fünf Spiele, null Punkte - das sagt eigentlich alles." So passt der Tabellenstand zu den Nullfünfern, die auf ihre Zifferkombination im Vereinsnamen so stolz sind, dass sie in Vor-Corona-Zeiten stets eine Zuschauerzahl vermeldeten, die auf "05" endete. Auch das Fassungsvermögen des Stadions ist mit 33 305 Plätzen angegeben.

Bis eine Viertelstunde vor Schluss lagen die Rheinhessen in diesem Geisterspiel in Führung. "Wir haben es nicht geschafft, den Druck aufrechtzuerhalten. Nach dem 2:2 ist es bei uns wieder im Kopf wieder losgegangen. Das Eckballtor zum 2:3 ist auf jeden Fall zu verteidigen - deswegen nervt das so", kritisierte Keeper Robin Zentner, der sich in der Nachspielzeit fast schon verzweifelt am Gladbacher Strafraum tummelte. Auch Sportchef Rouven Schröder betätigte sich als verbaler Aufbauhelfer, nachdem in den vergangenen Wochen mit dem ominösen Spielerstreik am Bruchweg schon genug kaputtgegangen war. "Wir haben erfrischend gespielt, sind total verdient in Führung gegangen. Die Spieltage vier und fünf zeigen uns, dass wir absolut konkurrenzfähig sind. Wir haben noch 29 Spiele und werden alles dafür tun, bald zu punkten. In Mainz wird nie aufgegeben."

Der Gladbacher Coach hatte dem krisengeplagten Heimatverein anfangs den Gefallen getan, gleich fünf Stützen aus der kräftezehrenden Champions-League-Partie bei Inter Mailand (2:2) zunächst auf der Bank zu lassen - auch mit Blick auf Heimspiel in der Königsklasse gegen Real Madrid am Dienstag. Die frühe Führung durch Lars Stindl (15.) gab der neu zusammengestellten Fohlenelf indes keine Sicherheit. Rose bemängelte "inkonsequentes Abwehrverhalten", für das in erster Linie der indisponierte Tony Jantschke stand, was sich zuvorderst Jean-Philippe Mateta zunutze machte. Der Mainzer Mittelstürmer löste mit einem Abstaubertor seine bisherigen Blockaden (23.). Kurz darauf schaffte der 23-jährige Franzose mit einer famosen Einzelaktion in bester Gerd-Müller-Manier - Ballannahme, Drehung, Aufsetzer - das zu diesem Zeitpunkt gar nicht einmal unverdiente 2:1 (36.).

Als Mönchengladbachs Trainer Rose seine besten Kräfte schickt, kippt das Spiel

Mit der Einwechslung seiner Paradestürmer Alassane Plea und Marcus Thuram nach 54 Minuten und seiner Neu-Nationalspieler Jonas Hofmann und Florian Neuhaus nach einer Stunde machte Rose allerdings ernst. Thuram produzierte mit einem Vorstoß einen Handelfmeter, den Hofmann cool verwandelte (76.), dann köpfte Matthias Ginter die Kugel nach Hofmann-Ecke vom kurzen Pfosten über die Linie (83.). Mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit hatte die Borussia die Partie im Stile einer Spitzenmannschaft gedreht, während die Mainzer doch noch eingeknickt waren.

"Nach dem 2:2 hatte man das Gefühl, die Köpfe gehen runter, die Angst beginnt", sagte Lichte. Der nur vorläufig beförderte Assistenztrainer will, dass seine Spieler "Energie aus dem Spiel" ziehen. Trotz der dritten Niederlage unter seiner Regie gab sich der 40 Jahre alte Interimstrainer demonstrativ trotzig: "Unsere Spieler werden besser. Wir investieren, wir investieren - irgendwann wird es anders ausgehen. Diese Zuversicht müssen wir mitnehmen." Nächsten Samstag zum Gastspiel in Augsburg.

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