Süddeutsche Zeitung

Mainz 05:Nostalgie schießt keine Tore

Auch der neue Trainer Bo Svensson kann die Niederlage der Mainzer im Derby gegen Frankfurt nicht verhindern. Die Selbstkritik der Rheinhessen ist deutlich.

Von Frank Hellmann

Daniel Brosinski bot nach Schlusspfiff das Sinnbild der Ernüchterung. Die Hände auf beide Knie gestützt, den Kopf zu Boden gesenkt: In dieser Haltung verharrte einer der Wortführer beim FSV Mainz 05 eine ganze Weile. Seit 2014 rackert sich der gebürtige Karlsruher wahlweise auf der rechten und linken Abwehrseite für die Rheinhessen ab, nun nach der 0:2-Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt beschlich den bald 32 Jahren alten Brosinski das dumpfe Gefühl, dass mehr als elf Jahre ununterbrochene Bundesliga-Zugehörigkeit für diesen Standort mehr denn je in Gefahr geraten.

"Es werden immer weniger Spieler. Sechs Punkte sind eindeutig zu wenig", sagte Brosinski, der sich wie alle Nullfünfer von der Inthronisierung seines einstigen Mitspielers Bo Svensson als bereits vierten Cheftrainer viel mehr erhofft hatte. Doch nur weil mit Christian Heidel, 57, als neuer Vorstand, Martin Schmidt, 53, als neuer Sportchef und eben Svensson, 41, gleich drei Ex-Mainzer auf sportlicher Ebene das Sagen haben, stellt sich auf dem Rasen nicht gleich Besserung ein. Nostalgie schießt keine Tore. Svensson reagierte nach seinem missglückten Einstand gefasst: "Wir werden jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken oder in Selbstmitleid verfallen." Der bodenständige Däne wollte eine Mannschaft gesehen haben, "die noch vieles besser kann, aber sie lebt". Er sei überzeugt davon, dass "diese Gruppe das Zeug hat, die Klasse zu halten".

Doch erst einmal ist der Effekt des Trainerwechsels verpufft. Innenverteidiger Alexander Hack benannte die Defizite: "Wir haben gerade in der ersten Halbzeit nicht gezeigt, dass wir den Siegeswillen im Derby gegen Frankfurt haben. Dieser Siegeswille muss wiederkommen, sonst wird es ganz schwer." Svensson hatte das Team in einer 4-4-2-Anordnung zwar deutlich höher postiert, doch die mangelnde Torgefahr blieb das Hauptmanko der nun auf Tabellenplatz 18 abgerutschten Mainzer.

"Wir hatten einen guten Plan, aber ihn schlecht umgesetzt", räumte Kapitän Danny Latza ein. "Jeder wusste, worum es geht, aber wir konnten es nicht auf den Platz bringen. Vorne war es zu wenig." Und hinten beging Abwehrspieler Moussa Niakhaté entscheidende Fehler, indem er sich gleich zwei Mal in überflüssiger Art am Textil seiner Gegenspieler vergriff, so dass Schiedsrichter Bastian Dankert nichts anderes übrig blieb, als auf den Strafstoßpunkt zu zeigen. Frankfurts Torjäger André Silva verwandelte jeweils sicher zu seinen Saisontreffern zehn und elf (24. und 72.).

Der Videoassistent revidiert zwei Mainzer Elfmeter

Es passte zum "gebrauchten Tag" (Latza), dass auch die Mainzer zunächst zwei Elfmeter erhielten, gegen die jedoch Videoassistent Matthias Jöllenbeck aus Köln berechtigten Einspruch erhob. Dankert revidierte daraufhin seine Entscheidungen nach einem hohen Bein von Djibril Sow (62.) und einem Handspiel von Almamy Touré (89.).

"Übergeordnet geht es um die Elfer", sagte Schmidt, "aber ich möchte es nicht daran festmachen, denn letztlich haben wir kein Tor geschossen." Der Schweizer hatte selbst vor fast genau fünf Jahren seinen Einstand als Mainzer Bundesliga-Trainer bei einem frenetisch bejubelten 3:1-Heimsieg gegen die Eintracht gefeiert, damals half indes noch das Publikum als aufpeitschender Faktor mit.

Die beste Mainzer Phase ergab sich in diesem Geisterspiel nach der Pause, als Jonathan Burkardt erst freistehend danebenzielte (54.), dann an den Pfosten köpfelte (56.), ehe sich ihm Nationaltorwart Kevin Trapp in den Weg stellte (64.). Der 20-Jährige machte sich hernach große Vorwürfe: "Ich vergebe zwei, drei Chancen echt kläglich."

Auswechselspieler Mateta gibt sich lustlos

Der beste Mainzer Torjäger Jean-Philippe Mateta hätte in Topform sicherlich helfen können, doch mit seiner Körpersprache hat der Franzose das Recht auf einen Startelfeinsatz auch unter Svensson schon verwirkt. Wie zum Beleg boykottierte der Angreifer das Aufwärmprogramm hinter der Torauslinie teilweise und schaute minutenlang zu - kaum verwunderlich, dass Mateta bei seinem Kurzeinsatz in der Schlussphase kaum noch etwas zustande brachte. Auch an solchen Details ist gut abzulesen, wie viel Arbeit Svensson noch vor sich hat. Nächstes Wochenende geht es für das Schlusslicht zu Borussia Dortmund, dann kommt zum Hinrunden-Ende noch der VfL Wolfsburg.

Für Frankfurt rückt derweil nach dem ersten Derbyerfolg seit 34 Jahren endgültig das internationale Geschäft in den Blickpunkt. Der letzte Sieg der Eintracht in Mainz fand bei einem DFB-Pokalspiel im Oktober 1986 statt. "Es tut gut, dass diese Serie unterbrochen ist", befand Trainer Adi Hütter, "es war kein einfaches Spiel, doch über 90 Minuten waren wir die spielerisch bessere Mannschaft." Sein Landsmann Martin Hinteregger formulierte offen jene Ambitionen, die offenbar seit Saisonbeginn in den Frankfurter Köpfen herumspuken. "Unser Blick geht seit dem ersten Spieltag nach Europa. Wir waren zwei Mal in der Europa League - und da wollen wir wieder hin."

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