Süddeutsche Zeitung

Männertennis:Machtkämpfe

Bei der Absetzung von ATP-Chef Chris Kermode geht es um Geld - aber auch um die Rivalität zwischen Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells/Los Angeles

Es geht ums Geld bei diesem Streit im Männertennis, so wie es im Profisport meistens ums Geld geht, wenn irgendwo gestritten wird. Wer bekommt was, und ist das gerecht so? Das ist die Kernfrage, um die sich die Debatten der vergangenen Monate und diese Abstimmung des Spielerrats am vergangenen Donnerstag im kalifornischen Indian Wells gedreht hat. Das Ergebnis: Der Vertrag mit Chris Kermode wird nicht verlängert, er muss am Ende dieser Saison als Chef des Männerverbandes Association of Tennis Professionals (ATP) aufhören.

Tennis boomt, weltweit, das Vermarktungspotenzial in diesem Sport ist allein deshalb derart immens, weil bei den Männern die derzeit laut Weltrangliste elf besten Akteure aus elf verschiedenen Ländern kommen. Betrachtet man die elf besten Frauen, kommen noch einmal sechs Nationen hinzu. Es ist ein Wanderzirkus, der rund um die Welt überall dort Turniere austrägt, wo sich möglichst viel Geld verdienen lässt. Daran ist erst einmal nichts Verwerfliches zu erkennen, und wie das funktioniert, das lässt sich derzeit wieder auf dieser prächtigen Anlage in der Wüste bestaunen. Die Leute kommen wegen der Spiele, gewiss. Aber sie schlürfen auch Champagner in der Sonne, während sie den Stars zum Beispiel auf der Trainingswiese neben dem Stadium 1 so nahe kommen können wie sonst nirgendwo.

Als Nachfolger werden Gimelstob und Tiley gehandelt

Die Veranstalter schütten in diesem Jahr ein Preisgeld von 9,035 Millionen Dollar aus. Im ersten Jahr des Briten Kermode als ATP-Chef (2014) waren es 5,2 Millionen. Das ist eine Steigerung von mehr als 73 Prozent innerhalb von fünf Jahren, und gerade für jene Spieler, deren Nachname nicht Federer oder Nadal oder Djokovic lautet, ist das bedeutsam. Philipp Kohlschreiber (6:4, 6:4 gegen den Australier Nick Kyrgios) und Jan-Lennard Struff (3:6, 6:3, 6:2 gegen den Litauer Ricardas Berankis) haben mit ihren Siegen und dem damit verbundenen Einzug in die dritte Runde jeweils bereits 48 775 Dollar eingenommen - nicht verdient, wohlgemerkt, die Ausgaben für Tennisspieler können aufgrund der Rumreiserei und den Gehältern für Trainer, Physios und Manager hoch sein. Fürs Achtelfinale gibt es 91 205 Dollar, die Sieger bei Männern und Frauen bekommen jeweils 1,35 Millionen Dollar.

Genau darum ging es bei diesem Streit: um den Verteilungsschlüssel. Man kann nun argumentieren, dass unter der Führung von Kermode alle Beteiligten mehr Geld bekommen haben, so sieht das zum Beispiel Stan Wawrinka, der die Absetzung Kermodes heftig kritisiert: "Ich bin wirklich, wirklich traurig, und ich bin enttäuscht. Wenn man sich ansieht, was Chris für diesen Sport getan hat, für jeden einzelnen Spieler, für die Fans, für jeden, der damit zu tun hat: Es war außerordentlich."

Es gibt eine andere Lesart, der zufolge Kermode, dessen Arbeit laut Berichten mit mehr als 1,3 Millionen Dollar pro Jahr vergütet wird, bisweilen eher auf der Seite der Turnierveranstalter denn der Spieler stand. Ein Beispiel: Bei den US Open im vergangenen Jahr nahm der amerikanische Tennisverband 350 Millionen Dollar ein, 53 Millionen Dollar schüttete er als Preisgeld an die Spieler aus. Das ist unfassbar viel Geld, sicher, nur sind 15 Prozent der Einnahmen doch eher gering im Vergleich zu anderen Sportarten. In den US-Profiligen NBA und NFL (jeweils etwa 50 Prozent) ist der Anteil der Spielergehälter im Tarifvertrag festgelegt, die deutsche Fußball-Bundesliga hat bei Einnahmen von 3,8 Milliarden Euro Gehälter einen sogenannten Personalaufwand von 1,32 Milliarden Euro und liegt damit bei knapp 35 Prozent.

"Wir haben mit unseren Familien alles geopfert, um professionelle Spieler zu werden. Obwohl der Sport immer wächst, haben wir kein Mitspracherecht über unsere Zukunft", schrieb Vasek Pospisil, der im Spielerrat die Akteure auf den Weltranglisten-Positionen 51 bis 100 vertritt, zu Beginn des Jahres im Internet, er ging noch weiter: "Es ist Zeit für einen Wechsel. Das kann erreicht werden, indem wir uns einig sind, und wenn wir fordern, was wir für unsere harte Arbeit wirklich verdienen."

Es geht ums Geld, es geht aber auch um die Spieler, deren Nachname Federer, Nadal und Djokovic lauten. Novak Djokovic ist der Präsident der Spielervereinigung, und es heißt nun, dass sich vor allem Roger Federer und Rafael Nadal - die nicht im Spielerrat sitzen - von der Entscheidung übergangen fühlen. "Ich persönlich hätte es gut gefunden, wenn Kermode noch ein paar Jahre weiter gemacht hätte", sagte Nadal in Indian Wells und gab an, nicht nach seiner Meinung gefragt worden zu sein. Djokovic sagte dazu nur: "Nein, wir haben nicht geredet - er hätte mich ja auch mal ansprechen können."

Da braut sich etwas zusammen im Männertennis, nun muss schließlich ein Nachfolger für Kermode gefunden werden. Es heißt, dass Djokovic den ehemaligen US-Profi Justin Gimelstob bevorzuge, und dass Gimelstob den Job auch gerne machen würde. Nur muss sich der 42-Jährige gerade wegen einer Tätlichkeit vor Gericht verantworten. Federer und Nadal sollen Craig Tiley präferieren, Turnierdirektor der Australian Open und Partner des von Federers Agentur organisiertem Laver Cup.

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SZ vom 11.03.2019
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