Männer-Nationalmannschaft:Frankreich schlägt Grozer

Frankreich - Deutschland

Abschied mit Schmerzen: Auch Georg Grozer (schwarzes Trikot) konnte bei seinem vorerst letzten Auftritt im Nationaldress nicht verhindern, dass die deutsche Auswahl gegen Frankreich die Olympia-Qualifikation verpasste.

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Beim Aus in der Olympia-Qualifikation zeigt sich, dass ein entfesselter Volleyballer wie Georg Grozer nicht reicht, um ein Klasseteam wie Frankreich zu bezwingen.

Von Sebastian Winter, Berlin/München

Im zweiten Satz sendete Georg Grozer den Franzosen auf der anderen Netzseite und den 6577 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle noch einmal ein Zeichen der Stärke. Der Hauptangreifer der deutschen Volleyballer präsentierte ihnen nach einem seiner wuchtigen Schläge den angespannten Bizeps. Man hätte das nun als etwas prollige Aktion ad acta legen können, doch bei Grozer war es mehr. Es war die durchaus amüsante Kopie jener Geste, mit der sich der französische Spitzen-Außenangreifer Earvin N'Gapeth nach seinem Angriffspunkt ein paar Augenblicke zuvor provokant ans Publikum gewandt hatte. N'Gapeth grinste nach Grozers Retourkutsche, der Deutsche ebenfalls, die beiden haben in der russischen Liga schon einige Schlachten geschlagen. Und sie wussten, dass sie an diesem Abend wieder zu den Hauptprotagonisten gehören würden.

Am Ende grinste Grozer nicht mehr, trotz seiner famosen Leistung im Finale des Olympiaqualifikationsturniers. Der 35-Jährige verschwand nach dem mit 0:3 (20:25, 20:25, 23:25) verlorenen Duell wortlos und tief enttäuscht aus der Arena, begleitet von seinen Töchtern. Zuvor hatte der beste deutsche Volleyballer der jüngeren Vergangenheit noch einmal das große Drama geliefert. Schon beim 1:1 im ersten Satz war der ohnehin an der Wade lädierte Grozer nach einem Angriff auf dem Fuß des Franzosen Nicolas Le Goff gelandet und zu Boden gesunken. Geplagt von den daraus resultierenden Knieschmerzen humpelte er dann durchs Spiel, zog sich in einer Auszeit eine Bandage übers rechte Bein - und erzielte insgesamt 20 Punkte: fast die Hälfte seiner Mannschaft und weitaus mehr als N'Gapeth und die anderen Franzosen.

Im Grunde war das Spiel ums einzige verbliebene Olympiaticket in Volleyball-Europa ein Duell Grozer vs. Frankreich. Das Problem ist, dass ein Spieler alleine nur schwerlich eine ganze Weltklasse-Auswahl bezwingen kann (1982 hatte "Mr. Volleyball" Burkhard Sude bei "Wetten, dass...?" immerhin mal eine Mannschaft mit 6:3 geschlagen und die Wette gewonnen, aber sie spielte halt auch nur in der Verbandsliga). Letztlich waren die Aufschläge, die Annahme und auch der Angriff der DVV-Auswahl zu schwach, um die Franzosen besiegen zu können, zumal diese ihre beste Turnierleistung zeigten.

Auch Grozers Partner Kampa denkt an Rücktritt

Es war auch deshalb einer der schwärzesten Abende in Grozers Nationalmannschafts-Karriere, weil diese nun nicht in Tokio endet, wie er es sich gewünscht hatte. Sondern in Berlin, einen Sieg von der Qualifikation entfernt. Grozer, 35 Jahre alt, hatte wiederholt betont, spätestens nach Tokio aufhören zu wollen. Nach 13 Jahren im Team, Platz fünf bei den Olympischen Spielen 2012 in London und WM-Bronze zwei Jahre später, seinem größten Erfolg neben dem Champions-League-Sieg mit dem russischen Klub Belgorod im selben Jahr und EM-Silber mit Deutschland 2017. "Danke, dass er so viele Bälle versenkt hat. Es war mir eine Ehre und Freude, ihn so lange begleiten und ihm die Bälle zuspielen zu dürfen. Es ist eine Freundschaft zu ihm gewachsen, die bestehen bleiben wird. Wir hätten ihm gerne einen Abschied aus Tokio gegönnt", würdigte Kapitän und Zuspieler Lukas Kampa die Verdienste von Grozer.

Bei den Männern deutet sich ein großer Umbruch an. Auch der Stratege Kampa denkt über einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft nach: "Wenn noch mal eine Welt- oder Europameisterschaft kommt, dann will ich nichts ausschließen. Ich fühle mich noch nicht so alt. Aber das Pensum, das ich seit 2008 in der Nationalmannschaft mache, werde ich nicht mehr schaffen. Ich habe zwei kleine Kinder, meine Frau ist die meiste Zeit alleine", sagte der 33-Jährige. Der starke Mittelblocker Marcus Böhme ist 34, Libero Markus Steuerwald 30. Er war schon aus der Auswahl zurückgetreten, aber für das Berliner Turnier wieder in den Kader gerückt. Und die Außenangreifer Denis Kaliberda und Christian Fromm, der gegen Frankreich am meisten enttäuschte, sind auch schon 29. Mit Grozer sind das sechs Führungsfiguren, die die Mannschaft über Jahre hinweg geprägt haben. Die auf dem Zenit ihrer Profilaufbahn stehen - und zugleich vor den Scherben der verpassten Olympia-Qualifikation.

Kann Trainer Giani gehalten werden?

Zwar wächst eine neue Generation junger Spieler heran, Krick, Schott, Zenger, Hirsch, Brehme, Karlitzek, Reichert und Zimmermann waren auch alle in Berlin dabei. Doch so einfach lassen sich die erfahrenen Stammkräfte nicht ersetzen, Grozer schon gar nicht. Es war eine extrem hochwertige Formation, die gegen Frankreich zum letzten Mal gemeinsam auf dem Feld stand. Der Aufbau dürfte nun langwierig werden, zumal auch der Trainer offenlässt, ob er bleibt.

Andrea Gianis Vertrag läuft in diesem Jahr aus, nach dem Olympia-Aus äußerte er sich ausweichend zu seiner Zukunft. "Wir müssen mit dem Präsidenten über die Zukunft reden", sagte der 49-jährige Italiener. Giani hat dem Team einen neuen, offensiveren Spielstil verordnet, und es mit seiner Erfahrung aus hunderten Länderspielen zu einem europäischen Schwergewicht geformt, mit offener Kommunikation und viel technischer und taktischer Finesse. Giani war als Spieler Welt- und Europameister, Champions-League-Sieger, zweimal hat er mit Italien Olympia-Silber gewonnen. Dass er seine aktuelle Mannschaft nun nicht nach Tokio geführt hat, schmerzt auch ihn. "Andrea ist ein außergewöhnlicher Trainer, ein riesen Typ, ich hoffe, dass er weitermacht", sagte Kampa.

Dann verabschiedete sich auch der Kapitän. Am Mittwoch ist bereits sein nächstes Ligaspiel mit dem polnischen Spitzenklub Jastrzębski Węgiel: "Die wollen uns schnell wiederhaben. Das sind die, die uns bezahlen". Auch Grozer fliegt zügig zurück nach St. Petersburg. Mit schmerzendem Bein. Und wohl noch viel mehr Wut im Bauch nach diesem bitteren Ende.

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