Männer-Finale bei den Australian Open:Fünf Stunden, 53 Minuten

Ein Tennisspiel mit "zwei großartigen Kriegern". Der Sieger: "Ein Mann aus Stahl." Novak Djokovic und Rafael Nadal liefern sich bei den Australian Open in Melbourne das längste Finale der Grand-Slam-Geschichte. Der Serbe gewinnt nach fast sechs Stunden Spielzeit. Bei der Siegerehrung können sich beide Spieler kaum mehr auf den Beinen halten.

René Hofmann

Um 21 Uhr Ortszeit hatte es noch 33 Grad am Sonntag in Melbourne. Rafael Nadal und Novak Djokovic duellierten sich da bereits seit eineinhalb Stunden. Bei den Seitenwechseln legte Nadal sich ein großes Handtuch in den Nacken, das mit Eis gefüllt war. Nicht weit von der Rod Laver Arena gibt es ein Museum, das von den Sternstunden des Sports in Australien erzählt. Dort sollte das Handtuch hin, als Objekt, das für immer an ein einmaliges Tennis-Match erinnert, das in der Hitze der Nacht entschieden wurde, das sich über zwei Tage streckte, wie ein 24-Stunden-Autorennen.

Tennis Australian Open 2012

Erschöpft nach dem Rekord-Match: Novak Djokovic

(Foto: dpa)

Als Novak Djokovic nach fünf Stunden und 53 Minuten Spielzeit am Montagmorgen um 1.37 Uhr Ortszeit den ersten Matchball zum 5:7, 6:4, 6:2, 6:7 (5), 7:5 vollstreckte, war es immer noch 23 Grad warm.

Dem packenden Schlagabtausch folgte eine skurrile Zeremonie. "Die zwei großartigen Krieger", so rief der Stadionsprecher Djokovic und Nadal auf - doch die beiden waren so erledigt, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Nadal musste sich bei den Reden der Offiziellen am Netz anlehnen, Djokovic war auch froh, als den beiden zwei Stühle gebracht wurden.

Als er ans Mikrofon gebeten wurde, ordnete er das Geschehen gleich in den sporthistorischen Kontext ein: "Wir haben heute Nacht Geschichte geschrieben, leider kann es nicht zwei Sieger geben." Von Nadals Rede wird vor allem eines in Erinnerung bleiben: Dass er sie mit den Worten "Guten Morgen!" begann.

Seit 1968 ist Tennis ein Profisport. 4:54 Stunden - das war die Rekordmarke für das Finale eines Grand-Slam-Turniers bis zu diesem Sonntag gewesen, aufgestellt von Ivan Lendl und Mats Wilander bei den US Open 1988. Das längste Match der Geschichte der Australian Open? Rafael Nadals Sieg gegen seinen Landsmann Fernando Verdasco vor drei Jahren im Halbfinale, Spielzeit fünf Stunden und 14 Minuten.

Dass es eng werden würde zwischen Nadal und Djokovic, dass sich ihr drittes Gegeneinander im letzten Match eines Grand-Slam-Turniers nacheinander ziehen würde - das war zu erwarten gewesen. Dass sie aber alle Ausdauermarken pulverisieren würden - das nicht.

Drama ab Satz vier

Nadal hatte im Halbfinale am Donnerstag Roger Federer in vier Sätzen niedergerungen. Djokovic hatte sich am Freitag fast fünf Stunden lang mit dem Schotten Andy Murray gemessen. Die Nummer eins der Weltrangliste zog deshalb mit einem Nachteil ins Match mit Nadal, der Nummer zwei: "Er hatte einen extra Tag Pause", wusste Djokovic, "für mich wird deshalb entscheidend sein, wie gut ich mich erholen kann."

2012 Australian Open - Day 14

"Wir haben Geschichte geschrieben. Leider kann es nicht zwei Sieger geben": Novak Djokovic (links) nach seinem Erfolg gegen Rafael Nadal (rechts). Der sagt: "Dieses Match werde ich nie vergessen, es war etwas ganz Spezielles."

(Foto: Getty Images)

Die Übung glückte ihm offensichtlich exzellent. Von den Anstrengungen der sechs Runden bis zum Finale war ihm nichts mehr anzumerken. Den ersten Satz musste er nach 80 Minuten 5:7 verloren geben, den zweiten holte er sich 66 Minuten später 6:4. Der dritte war ein Schnelldurchgang: Djokovic gewann ihn in 45 Minuten 6:2. Richtig dramatisch wurde es erst in der vierten Runde, ab der die Partie an einen Boxkampf erinnerte: Es sah so aus, als könne der Serbe dem Spanier einen K.o. verpassen.

Beim Stand von 4:4 boten sich Djokovic drei Breakchancen. Er sah frisch aus, zuversichtlich, wirklich stark. Nadal dagegen wirkte unzufrieden, zögerlich, angeknockt. Was dann geschah, war deshalb wirklich erstaunlich: Nadal wehrte alle drei Breakchancen ab, mit mutigen, kraftvollen Schlägen - und plötzlich war er zurück im Spiel. Weil Regen aufzog, wurde das Dach geschlossen. Den Satz gewann Nadal im Tie-Break nach 88 Minuten 7:5. Und plötzlich war er im Vorteil: Im fünften Satz durfte er zuerst aufschlagen. Wenn Djokovic mit den Bällen in der Tasche zum Servieren an die Grundlinie schritt, war er deshalb meist unter Druck. Mit dem aber geht der 24-Jährige fast schon spielerisch um.

Davon, dass Nadal, 25, das Break zum 4:2 glückte, ließ Djokovic sich nicht verunsichern. Umgehend erspielte er sich das Re-Break. Im elften Spiel nahm er Nadal den Aufschlag ab, doch die Entscheidung war auch das noch nicht. Bei eigenem Aufschlag ließ er Nadal nach 30:0 noch einmal zurückkommen und musste sogar eine Breakchance abwehren, bevor er sich und die 15.000 in der Arena dann bei erster Gelegenheit doch erlöste.

Im Überschwang riss Djokovic sich das T-Shirt vom Leib, weshalb sehr gut zu erkennen war, dass der Ausruf des Stadionsprechers - "Ein Mann aus Stahl!" - dann doch etwas übertrieben war. Für Djokovic ist es der dritte Australian-Open-Titel nach 2008 und 2011. Mit den drei Siegen in Wimbledon, bei den US Open und den Australian Open nacheinander steht er nun auf einer Stufe mit Rod Laver, Pete Sampras, Roger Federer und Rafael Nadal.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: