Madrid:Schreckgespenst im Schlafanzug

Football Soccer - AS Roma v Real Madrid - UEFA Champions League Round of 16 First Leg

Ein Tor als Genugtuung: Cristiano Ronaldo bejubelt seinen Treffer zum 1:0 für Real Madrid beim Champions-League-Hinspiel in Rom.

(Foto: Alessandro Bianchi/REUTERS)

Coach Zidane kokettiert, Toni Kroos macht Dienst nach Vorschrift, Ronaldo trifft mit sehenswerter Eleganz: Real zeigt Rom die Grenzen auf.

Von Birgit Schönau, Rom

Strahlende Sieger sehen anders aus. Soeben hat Zinédine Zidane bei seinem Champions-League-Debüt als Trainer von Real Madrid den AS Rom 2:0 bezwungen, und jetzt wirkt er derart erschöpft, wie man ihn als Spieler früher selten erlebt hat. Bedächtig konstruiert er seine Sätze um die Vokabel "complicado", schwierig. Zidane, der lange für Juventus Turin gespielt hatte, sagt es auch auf Italienisch: "complicato", und wer weiß, in wie vielen Sprachen er das Wort noch parat hätte. Schwierig sei dieses Match gewesen - gegen die Außerirdischen der Roma, die sich mit gerade mal sechs Punkten und einem einzigen Sieg ins Achtelfinale gemogelt hatten! Schwierig vor allem die erste Hälfte, die dank der betonharten römischen Abwehr (in Wahrheit: 16 Gegentore schon in der Gruppenphase) ja torlos bleiben musste. Schwierig der Fußball, schwierig das Leben, doch zum Glück für Zidane gibt es diesen Spieler mit der Trikotnummer wie die sieben Hügel von Rom. Obwohl der es zuletzt ja auch nicht leicht hatte.

Am Vortag hatte Cristiano Ronaldo noch wutschnaubend den Saal verlassen, in dem ein spanischer Reporter ihm die unzumutbare Frage gestellt hatte, wieso ihm eigentlich auswärts kein Treffer mehr gelinge, seit immerhin vier Spielen: "Nenne mir einen", fauchte CR7, "der mehr Tore macht als ich. Einen!" Dann warf er dem Journalistenpöbel nur noch verächtlich ein "Gracias" hin und entschwand. Als er am Spieltag wieder auftauchte und von den zynischen Römern, die ihr Stadion eigens für ihn tatsächlich zum ersten Mal in dieser Saison fast vollständig gefüllt hatten, wahlweise ausgepfiffen oder als "Messi" verhöhnt wurde, wirkte er zunächst wenig angsteinflößend. Was auch daran lag, dass das mausgraue Auswärtstrikot von Real selbst an dem schönen Portugiesen aussieht wie ein schludrig geschnittener Schlafanzug.

So verbrachte Ronaldo die erste Halbzeit gut getarnt in Lauerstellung, die Kollegen ließen es ähnlich langsam angehen, während die Roma sich ein wenig austoben durfte. Allen voran ihr ägyptischer Wunderläufer Mohamed Salah, der mit Blitzgeschwindigkeit den Platz abzurennen pflegt und mit seinem Hohlkreuz dabei immer etwas an Forrest Gump erinnert. Weil Salah aber, einmal einsam und allein vor dem Tor angekommen, gewöhnlich nicht weiterweiß, ist er eigentlich ziemlich harmlos. Und während er noch überlegte, wohin mit dem Ball, lag der schon auf dem Fuß von Real-Verteidiger Sergio Ramos. Ähnlich erging es dem Italo-Ägypter Stephan El Shaarawy, der neu beim AS ist und deutlich langsamer als Salah, was möglicherweise auch mit seiner wenig windschnittigen Wiedehopf-Frisur zu tun haben könnte. El Shaarawy, Spitzname "Pharao", wollte an diesem Abend unbedingt ein Tor gegen Real Madrid machen, es wäre sozusagen die Krönung gewesen.

Löw sieht einen ordentlichen Auftritt von Antonio Rüdiger

Doch da stand in der Abwehr Ramos, da stand der monumentale Raphael Varane - und vor ihnen musste man auch noch an der deutschen Filteranlage Toni Kroos vorbei, der diesmal Dienst nach Vorschrift machte, zumindest aber keine Rückstände hinterließ. Bundestrainer Joachim Löw, der auf der Tribüne saß wie sein italienischer Kollege Antonio Conte und Leicester-Coach Claudio Ranieri, dürfte wohlwollend registriert haben, dass auch der Deutsche in der Roma-Abwehr einen ordentlichen Auftritt absolvierte. Antonio Rüdiger, vom VfB Stuttgart in die italienische Kapitale gewechselt, wollte seinem Spitznamen "Sor Tentenna" (Herr Wacklig) keine Ehre machen, tapfer forderte er Wegezoll von der Real-Angreifern Ronaldo und James. Dass der nach der Pause nicht mehr entrichtet wurde, lag jedenfalls nicht an Rüdiger. Immerhin 45 Minuten schaffte es die Roma, das Schlimmste zu verhindern und mit einigen frechen Aktionen auch noch gute Laune zu verbreiten - aber danach ließ sich der Klassenunterschied zwischen den Teams nicht mehr verbergen.

"Man schenkt denen einen Meter, und die machen einen Kilometer daraus", seufzte Roms Trainer Luciano Spalletti später, nachdem er alle Einladungen zur Manndeckung in den Wind geschlagen hatte: "Wie viele Männer soll ich denn für Ronaldo abstellen? Drei oder vier? Und meinen Spielern damit signalisieren, dass Ronaldo dreimal besser ist als sie?"

In der 57. Minute beschäftigte sich gerade nur AS-Profi Alessandro Florenzi mit dem majestätischen Portugiesen, der ihn einmal lässig umkurvte und dann einfach stehen ließ, um den Ball im eleganten Bogen ins lange Eck zu versenken. Ein Tor von derart ausgesuchter Klasse, dass dem Publikum aufging, wofür es Eintritt gezahlt hatte: um sehenswert gegen Cristiano Ronaldo zu verlieren. Der Mann im grauen Pyjama ist eben auch ein Schreckgespenst des AS Rom. 2007, damals spielte der Portugiese noch für Manchester United, hatte er zu einem schmachvollen 7:1 zwei Treffer beigesteuert. Roma-Trainer war auch seinerzeit: Luciano Spalletti.

Totti erhält den vielleicht letzten Champions-League-Einsatz

Der musste jetzt auch noch zuschauen, wie der soeben eingewechselte Jesé in der 86. Minute das 2:0 besiegelte. Der tschechische Schiedsrichter Kralovec, eindeutig schlechtester Akteur des Abends, hatte der Roma mindestens einen klaren Elfmeter verweigert, doch das fand Spalletti nicht der Rede wert. Motto: Wenn man schon nicht gewinnen kann, muss man verlieren können. Kurz vor Spielende wechselte er die alten Kämpen und Zidane-Finalgegner von 2006, Daniele De Rossi und Francesco Totti, ein. Eine schöne Geste, die dem fast 40-jährigen Totti seinen vielleicht letzten Champions-League-Auftritt gewährte.

Das Publikum applaudierte bis nach dem Schlusspfiff. Und Zidane fand zum Abschied sein feines Lächeln wieder: "Die Qualifikation ist noch nicht besiegelt", sagte er, "aber wir können heute zufrieden einschlafen."

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