Madrid:Madrid nach Wolfsburg: "90 Minuten im Bernabéu sind sehr lang"

Madrid: Ein peinlicher Ausrutscher oder noch mehr? Cristiano Ronaldo (rechts neben Dante) kam in Wolfsburg nie richtig in Tritt.

Ein peinlicher Ausrutscher oder noch mehr? Cristiano Ronaldo (rechts neben Dante) kam in Wolfsburg nie richtig in Tritt.

(Foto: Michael Sohn/AP)

Real baut im Rückspiel auf den Mythos seines Stadions. Dieter Hecking liefert sich einen Disput mit Marcelo und Ronaldo gibt wie gewohnt den schlechten Verlierer.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Am Mittwoch warfen Klaus Allofs, der Manager des VfL Wolfsburg, und sein Pendant bei Real Madrid, Emilio Butragueño, einen nostalgischen Blick zurück. Vor 30 Jahren hatten sie sich im Bernabéu-Stadion gegenübergestanden: Allofs als Stürmer des 1. FC Köln, Butragueño bei Real. Auch wenn die Konstellation allein schon deshalb eine andere war, weil es sich um das Finalhinspiel des mittlerweile umgetauften Uefa-Cups handelte, bekam Allofs ein wenig von der mitunter erschlagenden Aura des Bernabéu-Stadions mit: Real siegte 5:1. Und so gab Allofs dem VfL nach dem erstaunlichen 2:0-Sieg gegen Real vom Mittwoch eine Warnung für das Rückspiel am Dienstag im Bernabéu mit auf den Weg: "Da werden Dinge passieren, die man noch nicht gesehen hat."

Das kann gut sein. Zu den Spielern, die 1986 bei Real ebenfalls auf dem Platz standen, gehörte auch die mittlerweile verstorbene Legende Juan Gómez, genannt Juanito. Nach einer fürchterlichen Hinspiel- Niederlage bei Inter Mailand passte er einst im San-Siro-Stadion die Italiener auf dem Weg in die Kabine ab - und schüchterte diese mit einem lapidaren Satz ein: "Noventa minuto en el Bernabéu son molto longi." Das war eine sehr eigentümliche Melange aus Italienisch und Spanisch, wurde aber von den Italienern bestens verstanden: "90 Minuten im Bernabéu-Stadion sind sehr lang."

In Madrid läuft die Propaganda-Maschine

Real Madrid kam gegen Inter tatsächlich weiter, so wie bei diversen anderen remontadas, den mythisch verklärten Aufholjagden des zehnmaligen Champions-League-Siegers, die hin und wieder auch mithilfe des Referees von Erfolg gekrönt waren. Zum Beispiel im Achtelfinale des Uefa-Cups 1985/86, als Borussia Mönchengladbach nach einem 5:1-Sieg im Hinspiel in Deutschland nach einer 0:4-Niederlage doch noch ausschied.

Und so kommt in Madrid nun nach dem 0:2 beim VfL Wolfsburg die Propaganda-Maschinerie auf Touren - derart penetrant, dass Roberto, einer der vier Söhne Juanitos, sich am Donnerstag via Twitter meldete und darum bat, den Aphorismus seines Papas nicht schon wieder aus der Zitatensammlung hervorzuholen: "Lasst meinen Vater in Frieden. Immer wenn er genannt wird, krepieren wir", schrieb Roberto Gómez, der selbst eingefleischter Real-Madrid-Fan ist.

Die wirklichen Aufholjagden Reals sind lange her

Tatsächlich sind die wirklich legendären Aufholjagden in der Klubgeschichte Reals in der vorgalaktischen Ära verortet. Also in jener Zeit, bevor Vereinsboss Florentino Pérez seinen Klub mit sündteuren Transfers beglückte. In der Königsklasse liegt die bisher letzte remontada 32 Jahre zurück. Pérez war in Wolfsburg nach der Partie sichtlich bleich und entsetzt, ebenso Butragueño, weitere Klubangestellte und - wenigstens dem Augenschein nach zu urteilen - auch Francisco Javier García Sanz. Der Spanier steht zwar dem Aufsichtsrat des VfL vor und bezieht von der Muttergesellschaft VW Gehalt und Boni. Sein Herz lässt er aber offenkundig nicht kaufen: Er ist und bleibt Hardcore-Fan von Real.

Und so verweigerte García Sanz in der größten Stunde des VfL jeden Kommentar, ähnlich wie Reals 100-Millionen-Euro-Stürmer Cristiano Ronaldo. Der allerdings erwies sich am Mittwoch als der gewohnt gute Verlierer, als er nach dem Duschen seinen portugiesischen Landsmann Vieirinha vom VfL umarmte und dabei vernehmlich ausrief: "¡Gol anulado!" - "Tor annulliert!" Mutmaßlich handelte es sich dabei um die Klage darüber, dass ihm nach 70 Sekunden ein Tor wegen Abseits aberkannt worden war - eine knappe, aber ausweislich der TV-Bilder korrekte Entscheidung des italienischen Referees.

Hecking fetzt sich mit Real-Schauspieler Marcelo

Richtigen Zoff hat es allerdings auch gegeben: als es im Kabinengang zu einer Fortsetzung der Schauspiel-Affäre um Reals Linksverteidiger Marcelo kam. Der hatte sich bei einem Kontakt mit Maximilian Arnold oscarreif fallen lassen und lieferte sich dann im Stadiontunnel einen Disput mit Wolfsburgs Coach Dieter Hecking. Marcelo verpetzte Hecking beim Referee ("Der hat mich Clown genannt!") und rief dann dem Coach zu, man werde sich schon noch sehen: "We will see us . . ." - " . . . wenn ihr rausfliegt", erwiderte Hecking.

Dessen Kollege Zinédine Zidane, der das Traineramt bei Real im Januar übernommen hatte, ist derweil in eine missliche Lage geraten. Nach dem Sieg im Clásico beim FC Barcelona vom Samstag (2:1) hatte er sich freigeschwommen - nun zieht er wieder Kritik auf sich. Vor allem seine Entscheidung, die Siegermannschaft von Barcelona zu verändern, um 30-Millionen-Euro-Einkauf Danilo anstelle von Dani Carvajal (6,5 Millionen) aufzustellen und damit den Marketing-Notwendigkeiten seines Arbeitgebers Genüge zu tun, wird in Madrid mehr als nur hinterfragt. Zidane versprach, das Spiel noch einmal in Ruhe analysieren zu wollen, ansonsten wiederholte er, als rede er im Autosuggestionsmodus, sein Credo, "jetzt nicht durchdrehen" zu wollen. Und auch er bemühte den Appell an die Grandezza des Klubs: "Wir sind noch nicht ausgeschieden. Wir sind Real Madrid und können das Ergebnis im Bernabéu umdrehen." Kapitän Sergio Ramos aktivierte derweil schon den Remontada-Knopf und versicherte: "Die Aufholjagd hat heute begonnen."

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