Eklat bei 1860 München:Die kalte Nacht von Giesing

Mit Spannung erwartet, nach einem Eklat ohne Lösung beendet: Nach der Aufsichtsratssitzung bei 1860 München scheint der Riss zwischen Investor Ismaik und dem Präsidium irreparabel zu sein - und für die Zukunft des Zweitligisten muss nun wohl ein Plan B herhalten.

Von Gerald Kleffmann, Markus Schäflein und Philipp Schneider

Es war 20:07 Uhr, als Dieter Schneider am großen Glasfenster im Obergeschoss der Geschäftsstelle erschien. Der Präsident des Fußball-Zweitligisten 1860 München rauchte eine Zigarette, während der Tross um Investor Hasan Ismaik im ebenfalls gläsernen Treppenhaus weilte, wohin sich wiederum Cousin Noor Basha und Bruder Abdel Rahman zu einer Raucherpause zurückgezogen hatten.

Doch um eine normale Nikotinunterbrechung der mittlerweile schon knapp drei Stunden alten Aufsichtsratssitzung handelte es sich ganz offensichtlich nicht. Der Präsident sah niedergeschlagen aus, im Hintergrund fuchtelte sein Stellvertreter Franz Maget aufgeregt mit den Armen. Dann traten Geschäftsführer Robert Schäfer und Vizepräsident Wolfgang Hauner so nah ans Fenster, dass sie zu sehen waren auf der Bühne des bizarren Schauspiels mit dem Titel: Die kalte Nacht von Giesing. Nachdem Schäfer und Hauner etwas besprochen hatten, stürmte Schneider Hals über Kopf aus dem Raum, um wenige Minuten später zurückzukehren. Hauner gestikulierte nun umso wilder, mit hochrotem Kopf. Dann war dieser Akt zu Ende, die 1860-Vertreter zogen sich mit dem Investorenclan wieder ins Verhandlungszimmer zurück.

Die Sitzung dauerte allerdings nicht mehr lange. Um 21:13 Uhr verließ Ismaik mit dem Cousin Basha, dem Bruder und seinem Münchner Statthalter Hamada Iraki, der überraschend erschienen war, obwohl er seine 1860-Ämter niedergelegt hatte, wutentbrannt die Geschäftsstelle. Wie es war, wollten die Journalisten wissen. "Very bad. I want to go to the DFL", sagte Ismaik. Angesichts dessen, dass die auf die 50+1-Regel zum Schutz der Vereine vor Investoren bedachte Deutsche Fußball-Liga sein Engagement von Anfang an mit Argusaugen beobachtet hatte, war das die größte denkbare Pointe.

"I cannot work with these people."

Sehr schlecht fand Ismaik wohl unter anderem, dass das 1860-Präsidium der Forderung nach Schneiders Rücktritt und womöglich weiteren Abschieden nicht nachgegeben hatte. Und zur Deutschen Fußball-Liga will er wohl, um sich persönlich zu erkundigen, inwieweit weitere Darlehen von ihm - wie von Schneider skizziert - als Schulden gewertet und damit die Lizenz gefährden würden. Falls jemand noch nicht mitbekommen hatte, dass er mit den 1860-Verantwortlichen nicht zusammenarbeiten wollte, teilte Ismaik noch knapp mit: "I cannot work with these people." Dann stieg er auf den Beifahrersitz des schwarzen Range Rovers und ließ zum Abschied noch einmal die Scheibe herunter. "Oh, it's very cold", sagte er. "Bye, bye."

Es könnten die letzten Worte gewesen sein, die man zum Thema 1860 München von dem jordanischen Geschäftsmann gehört hat. 20 Minuten später kamen die Vereinsvertreter herunter, Schneider, Maget und Hauner, mit demonstrativ zur Schau gestellter Entspanntheit. Als Erster sprach Schneider. "Leider konnten wir Hasan Ismaik nicht überzeugen, die im Rahmen des Dreijahresplans zugesicherten Zahlungen zu gewährleisten", sagte er, "er wird sie nach derzeitigem Stand nicht tätigen." Ismaik habe "sein Wort nicht gehalten", ergänzte Maget.

Dies würde bedeuten, dass der so genannte "Plan B" greifen wird, den Geschäftsführer Schäfer angefangen hat auszuarbeiten - für eine Zukunft ohne neues Geld von Ismaik. Wie Maget berichtete, wurde die Erstellung eines solchen Planes schon vor längerem auch vom Investor nachgefragt - schließlich gehören ihm ja weiterhin seine KGaA-Anteile, auch wenn er die Zahlungen einstellt - und seine bereits gegebenen Rangrücktritts-Darlehen möchte er auch irgendwann zurück.

"Ich hoffe, dass er zurücktritt"

"Zum zweiten Punkt: Was eine offensivere Strategie angeht, haben wir Ismaik gebeten, auch dazu Sicherheiten zu geben. Das hat er abgelehnt", setzte Schneider fort. Und dann Punkt drei: Ismaik habe "personelle Entscheidungskompetenzen gefordert, die weit über das von der DFL erlaubte Maß hinausgehen". Als einer fragte, welche, murmelte Maget im Hintergrund: "Alle." Und Schneider ergänzte: "Da wäre es um die höchste Ebene gegangen." Man habe Ismaik nahegelegt, sich einmal bei der DFL nach den Regeln zu erkundigen, ergänzte der Vizepräsident - was der Investor ja nun auch tun will.

Dass der Abend die Eskalation bringen würde, hatte sich schon am Vormittag am Flughafen angedeutet. "Persönlich gibt es kein Problem mit Dieter Schneider", flötete Ismaik nach seiner Ankunft noch kurz vergnügt, "aber was das Business angeht, möchte er in etwas involviert sein, das er nicht liefern kann." Das sei "das Problem", sagte er, um dann zu verkünden: "Ich hoffe, dass er zurücktritt. Wir werden sehen."

Das Geld, sein Druckmittel

Deutlicher als je zuvor erhob Ismaik, der in Besitz von 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile des Klubs ist, den Anspruch, den basisdemokratisch gewählten Präsidenten des Mehrheitsgesellschafters 1860 e. V. aus dem Amt zu drängen. Oder zu erpressen. Wie man es auch sehen mag. Mit seinem Geld, dem Druckmittel, das er zur Verfügung hat.

Aber Ismaik war ja längst noch nicht fertig, er sprach weiter. Sein Oberkörper bebte. Ob es eine gute Idee sei, weiter in 1860 zu investieren? "Mit dem selben Aufsichtsrat? Nein." Was er eigentlich ändern möchte? "Alles in Ordnung bringen." Was er für ein Problem mit Dieter Schneider habe? "Wenn ich ihn frage, warum er etwas gesagt hat, dann sagt er: ,Habe ich nicht.' Und wenn ich dann frage, wer hat das gesagt, dann sagt er nichts. Und wenn ich dann frage: Warum hast du das gemacht, dann sagt er: ,Das war ich nicht.' Er ist nicht ehrlich zu mir."

Es war nicht leicht, seiner Gedankenwelt zu folgen, daher fiel die Frage: Gibt es konkrete Belege, was er meine? Ja, sagte er: "Beim letzten Spiel hat er (Dieter Schneider; d. Red.) Robert Schäfer in eine Ecke gedrückt und ihm gesagt: ,Hasan Ismaik will dich raus haben.' Und dann hat er die Geschichte den Medien erzählt. Ich habe einen Zeugen." Am Abend zeigte sich endgültig, dass der Investor aus Abu Dhabi mit dieser Geschichte inhaltlich weit weg, sehr weit weg war von dem eigentlichen Knackpunkt, um den es in dem Streit zwischen ihm und 1860 München geht.

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