Lyons deutlicher Sieg in Zagreb:Eine geradezu absurde Halbzeit

Französische Behörden untersuchen Lyons 7:1 gegen Zagreb, vorerst allerdings ohne Ergebnis. Ein verdächtig zwinkernder Dinamo-Verteidiger schürt jedoch die Vermutung, dass ein Betrugsfall vorliegen könnte - die Uefa hält sich bis dato zurück und will den Bericht des Schiedsrichters abwarten.

Michael Neudecker

Die Sache war im Grunde klar: Vor dem letzten Vorrundenspieltag der Champions League lag Ajax Amsterdam in der Gruppe D drei Punkte vor Olympique Lyon auf Platz zwei und war im Torverhältnis um sieben Treffer besser gestellt - und der bei Punktgleichheit zählende direkte Vergleich war in diesem Fall unbedeutend (zweimal 0:0). Drei Punkte, sieben Tore, das kann man im Fußball kaum aufholen, nicht an einem Abend.

Lyons deutlicher Sieg in Zagreb: Frenetischer Jubel: Zagrebs Spieler freuen sich ausgelassen über das 1:0 gegen Olympique Lyon. Feiern so Betrüger? Nach sieben Gegentoren im weiteren Spielverlauf steht dieser Verdacht zumindest im Raum.

Frenetischer Jubel: Zagrebs Spieler freuen sich ausgelassen über das 1:0 gegen Olympique Lyon. Feiern so Betrüger? Nach sieben Gegentoren im weiteren Spielverlauf steht dieser Verdacht zumindest im Raum.

(Foto: AP)

Doch als sich der Abend zu Ende neigte, war es tatsächlich passiert: Ajax hatte 0:3 gegen Real Madrid verloren, Olympique Lyon sage und schreibe 7:1 bei Dinamo Zagreb gewonnen. Nun steht Lyon im Achtelfinale, Ajax ist ausgeschieden. "Ein 7:1 kommt auf diesem Niveau normalerweise nicht vor", sagte Amsterdams Trainer Frank de Boer, "die Uefa muss die Sache untersuchen."

Am Donnerstagvormittag reagierte zuerst die französische Glücksspielaufsicht Arjel: Sie teilte mit, die Partie werde untersucht. Das sei "ein normaler Vorgang bei einem ungewöhnlichen Ergebnis in einem Sportwettbewerb". Am späten Nachmittag dann gab die Behörde bereits bekannt, "keinerlei Unregelmäßigkeiten" festgestellt zu haben.

Was bleibt, ist der ungewöhnliche Spielverlauf einer ungewöhnlichen Partie. Zagreb - das alle fünf Vorrundenspiele davor verloren und dabei lediglich zwei Treffer erzielt hatte - war in der 40. Minute 1:0 in Führung gegangen; Zagreb war allerdings nach einer gelbroten Karte gegen Jerko Leko (28.) nur noch zu zehnt.

Kurz vor dem Halbzeitpfiff glich Lyon durch einen abgefälschten Flankenversuch aus - und erzielte danach zwischen der 48. und der 75. Minute, in nicht einmal einer halben Stunde Bruttospielzeit, sechs Treffer, vier davon alleine Stürmer Bafétimbi Gomis.

Manche Tore muteten geradezu absurd an, etwa das 4:1, bei dem drei Spieler Zagrebs am Strafraum den ballführenden Gegner rückwärts laufend begleiteten, ohne anzugreifen, auch dann nicht, als sie die Strafraumgrenze überschritten.

Zeichen für Betrug?

Am Seitenrand schimpfte Zagrebs Trainer Krunoslav Jurcic, er gestikulierte und gab offensichtlich verzweifelt und lautstark Anweisungen. Noch in der Nacht wurde er von Dinamo Zagreb entlassen.

Die Reaktion in internationalen Medien am Donnerstag fiel teilweise heftig aus. Die spanische Sportzeitung Marca befand, das Spiel sei "ganz, ganz komisch" gewesen, und das niederländische Blatt De Telegraaf beschrieb eine Szene aus der 64. Minute, in der das 5:1 für Lyon fiel - eine Szene, die auch in Videos vom Spiel gut zu beobachten ist.

Zagrebs Verteidiger Domagoj Vida holt den Ball aus dem Netz, Gomis kommt hinzu, auch er will den Ball, er legt Vida eine Hand auf den Rücken, daraufhin lässt Vida den Ball los, zwinkert Gomis zu und hebt den Daumen. Das sei, so glaubt die Zeitung, ein Hinweis auf einen Betrug.

"Unsinn" sei das, wurde Lyons Sportdirektor Bernard Lacombe am Donnerstagnachmittag in französischen Medien zitiert, man müsse "damit aufhören". In einem Kommuniqué ließ Lyon verlauten, man begrüße die Untersuchung, bedauere aber, dass die Berichterstattung sich "nicht auf den sportlichen Teil einer unglaublichen Heldentat" beschränke, "die sowohl Olympique Lyon als auch der französische Fußball vollbracht haben".

Auch Zagreb nahm Stellung: Man "verurteile die Unterstellungen", man habe "gegen eine stärkere und zahlenmäßig überlegene Mannschaft verloren".

Schließlich meldete sich auch die Uefa zu Wort. "Zum jetzigen Zeitpunkt", teile ein Sprecher mit, "habe das Warnsystem "keine irregulären Wettmuster bezüglich des gestrigen Spiels gezeigt, die eine Untersuchung rechtfertigen würden". Man warte allerdings noch die Berichte der Schiedsrichter ab, um zu sehen, ob nach deren Meinung "etwas Verdächtiges passiert sein könnte". Erst dann würde man Untersuchungen einleiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: