Süddeutsche Zeitung

Lukas Podolski in der Nationalelf:Schwere Tage für den Wohlfühl-Menschen

Deutsch? Polnisch? Kölsch? Lukas Podolski erklärt sich beim DFB-Aufenthalt in seinem Geburtsland in vielen Sprachen. Am liebsten würde er aber nur eines tun: endlich wieder 90 Minuten Fußball spielen. Er durchlebt eine problematische Phase in seiner Karriere.

Von Thomas Hummel, Warschau

Lukas Podolski steht in einem Vorraum im ersten Stock des Hotels Westin in der Warschauer Innenstadt, um ihn herum wuseln die Menschen. Mitspieler, Mitarbeiter des DFB, Medienleute aus Deutschland und Polen. Lukas Podolski spricht mal hier mit jemandem, mal dort. Er lächelt oft. Aus ein paar Metern Entfernung ist nicht immer klar, welche Sprache er gerade verwendet: Deutsch? Polnisch? Kölsch? Egal, er beherrscht alles. Zu sehen und spüren ist indes, dass hier jemand zufrieden ist. Sehr zufrieden sogar.

Der 29-Jährige ist ein Wohlfühl-Mensch. Geht es ihm gut, ist er glücklich mit den Menschen um ihn herum, dann strahlt Lukas Podolski sein Poldi-Lächeln über das halbe Gesicht. Er geht herzlich und direkt auf die Leute zu. Seitdem er am Freitagvormittag in Polen gelandet ist, sagt er: "Hier fühle ich mich immer wohl."

Vier Autostunden südlich, in Gleiwitz, Oberschlesien, ist er geboren. Er hat dort noch Familienangehörige, die er regelmäßig besucht. Nun trifft es sich, dass die deutsche Nationalmannschaft am Samstag in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 auf Polen trifft. Für ihn ist das "was ganz Besonderes, wenn ich quasi gegen mein Geburtsland spiele".

Wer gehässig sein will, kann an dieser Stelle einwerfen, dass es für ihn derzeit immer etwas Besonderes ist, wenn er Fußball spielen darf. Vor allem von Anpfiff an. Podolski erlebt eine schwierige Phase in seiner Karriere.

Er ist nun zwar Weltmeister und hat nach dem Sieg in Rio vermutlich zwei Wochen lang durchgehend über das halbe Gesicht gestrahlt. Doch auf dem Platz war er in Brasilien wenig gestanden. Knapp zehn Minuten zu Beginn gegen Portugal, als es bereits 4:0 stand. Im letzten Gruppenspiel dann die Chance von Beginn an gegen die USA.

Doch Podolski lief am Spiel vorbei, setzte kaum einen Sprint an, berührte kaum einen Ball. In der Halbzeit wurde er ausgewechselt. Später stellte sich heraus, dass er sich früh eine schmerzhafte Muskelverletzung zugezogen hatte. "Lukas hat sicherlich keine leichte WM gehabt", sagte DFB-Manager Oliver Bierhoff, "aber es war dann fast schockierend, mit welcher Verletzung er gespielt hat."

Der Auftritt gegen die USA blieb sein letzter in Brasilien. Zurück beim FC Arsenal erlebt er nun erneut: die Rolle als Ersatzmann. Erst ein paar Kurzeinsätze erhielt er in dieser Saison. Podolski spricht nun schon öffentlich davon, unter diesen Umständen den Klub wechseln zu wollen. "Ich bin keiner, der einen Vertrag aussitzt, mir gefällt es nicht auf der Bank", sagte er.

Trotz dieser Widrigkeiten musste er nie fürchten, dass Bundestrainer Joachim Löw ihn nicht nominieren würde. Es ist nicht die erste Krise in der Karriere Podolskis, doch Löw nominiert seinen Lukas nun seit zehn Jahren und betont stets seine Stärken. In Löws Nationalmannschaft fühlt sich Podolski wohl und wenn sich Podolski wohlfühlt, ist er auch ein besserer Fußballer.

Im Warschauer Hotel Westin sagte der Bundestrainer über seinen Lieblingsschüler: "Der bringt immer vom ersten Tag an seine Qualität ein. Er ist immer sofort auf Touren." Deshalb dürfe er sich auch "berechtigte Hoffnungen" auf einen Einsatz im Nationalstadion machen, es wäre dann sein 119. Länderspiel. Ob von Beginn an oder als Einwechselspieler, darauf wollte sich Löw nicht festlegen.

Die Konkurrenten auf der linken Außenbahn heißen André Schürrle und Julian Draxler, die gerade von Verletzung bzw. Krankheit genesen sind. Oder Neuling Karim Bellarabi, der von Löw ebenfalls ausgiebig gelobt wird. Podolski selbst meint: "Ich habe nicht den Spielrhythmus, um Ansprüche stellen zu können. Aber ich gebe Gas und ich bin fit."

Ähnliches hatte er vor der WM gesagt. Damals rechneten viele Beobachter mit guten Aussichten für ihn auf einen Stammplatz beim Turnier, weil der Londoner mit dem Kölner Herzen vor Energie und Lust und Willen fast zu platzen schien. Doch Löw entschied anders, brachte stattdessen lieber Mario Götze oder Schürrle. Der Bundestrainer hat sich von Podolski nicht abgewandt, die Einsatzminuten gehen aber schon länger merklich zurück.

Vielleicht ist es auch so, wie Oliver Bierhoff ausführte: "Poldi ist ein einmaliger Typ. Er ist ein wichtiger Teil unserer Mannschaft, nicht nur, wenn er auf dem Platz steht. Er hat eine super Ausstrahlung." Es hörte sich an, als wäre der Mensch Podolski mit seinem Lachen und seinem Charme unabkömmlich, der Fußballer Podolski aber nicht mehr ganz so wichtig.

Vieles deutet darauf hin, dass Podolski im Winter den Wohnort wechselt. Und weil er eben ein Wohlfühl-Mensch ist, weil er weder in München noch in London dauerhaft glücklich wurde, denken bei ihm alle sofort an seine Heimat. Köln natürlich. Oder Polen? Ein paar Kilometer von seinem Heimatort entfernt spielt der aktuelle Tabellenführer der Ekstraklasa: Gornik Zabrze. Podolski ist seit seiner Jugend Fan. Polnische Journalisten fragen in Warschau, ob der Klub eine Option sei. Das allerdings verschiebt Podolski ins Fußball-Rentenalter: "Wenn ich nicht zu alt dafür bin und mir meine Knochen nicht weh tun - warum nicht?"

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