Lukas Podolski:Bumm, Klatsch, Tor

Lukas Podolski: "Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass ich ab sofort nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen werde": Lukas Podolski geht.

"Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass ich ab sofort nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen werde": Lukas Podolski geht.

(Foto: AFP)

Während das DFB-Team zur eigenen Marke wurde, blieb Lukas Podolski stets die Verkörperung des Einfachen. Er wird dem deutschen Fußball fehlen.

Von Sebastian Fischer

Es ist zu früh, um über die Weltmeisterschaft in Russland 2018 nachzudenken. Die deutsche Mannschaft ist ja nicht mal qualifiziert, Manager Oliver Bierhoff hat noch kein Quartier ausgesucht, Trainer Joachim Löw noch nicht über die Besetzung seines Angriffs nachgedacht. Doch es ist schon klar, dass die deutsche Mannschaft Probleme bekommen wird.

Wer wird den jungen Spielern die Hotelschlüsselkarten verstecken, sie veräppeln und ihnen die Angst vor Spielen nehmen? Wer wird mit den Fans, die um die halbe Welt gereist sind, für ein Foto posieren, den Daumen nach oben gereckt? Was passiert, wenn sich jemand vor der Kamera in die Hose greift? Niemand wird erklären können, dass es nicht so schlimm ist.

Und wehe, es titscht ein Ball am Strafraumrand, sodass es einen Angreifer braucht, der nicht nachdenkt; einen Angreifer, der kurz zum Tor schaut, seinen Instinkten vertraut, einen Schritt macht, das rechte Bein durchdrückt, den Oberkörper nach vorn lehnt, das linke Bein schwingt, den Ball mit dem süßesten Punkt seines Spanns trifft, in den Torwinkel drischt. Und dann: grinst.

Jener Spieler, der all das am besten kann, wird dem deutschen Fußball fehlen.

Nach der Europameisterschaft hatte Lukas Podolski, 31, noch erklärt, sich über einen Rücktritt aus dem Nationalteam keine Gedanken gemacht zu haben. Doch am Montagmittag richtete er wie Bastian Schweinsteiger zweieinhalb Wochen zuvor das Wort an seine Fans und Freunde in den sozialen Netzwerken. Er habe etwas mitzuteilen: "Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass ich ab sofort nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen werde."

Nun spielte Podolski in den vergangenen Jahren allerdings ohnehin nur noch wenig für den DFB. Vor der EM war er als Maskottchen verspottet worden, er fand das "respektlos" - und bewies dann, das beste Maskottchen zu sein, das es je gab. Seine beste Szene: Wie er auf der DFB-Pressekonferenz erklärte, er selbst und "80 Prozent von euch kraulen sich auch mal an den Eiern", wonach niemand mehr über Löws Griff in die Hose sprach.

Die zweitbeste Szene: Wie er nach dem Spiel gegen die Slowakei mit einem Sonnenhut mit Kölner Stadtwappen in der Fankurve posierte. Er spielte nur 18 Minuten lang, die Partie war da schon längst entschieden.

Poldi blieb Poldi

"Auf ihn war und ist Verlass", sagte Löw am Montag. Doch die Zeiten, in denen Podolski ein sportlicher Hauptdarsteller war, liegen ein paar Jahre zurück. 2004, mit blonden Strähnen im Haar, fährt er als 19-Jähriger mit Schweinsteiger ins EM-Trainingslager, im Test gegen Ungarn wechselt ihn Rudi Völler für Fredi Bobic ein. Eine graue Mannschaft brauchte Farbe, sie bekam Poldi und Schweini. WM 2006, Achtelfinale gegen Schweden, 2:0, zweimal Poldi. Deutschland brauchte ein Sommermärchen und bekam einen Prinzen.

EM 2008: Podolski, geboren in Gleiwitz, trifft zweimal gegen Polen. Der Lukas aus Köln, wo vor seinem Brauhaus und seinem Modeladen in der Altstadt seine Statue steht, wurde im Nationalteam zur Marke. 48 Tore in 129 Länderspielen, sieben Doppelpacks, die Zahlen sind nun zementiert. Nur Lothar Matthäus und Miroslav Klose haben öfter gespielt, nur Klose, Gerd Müller und Joachim Streich öfter getroffen.

Doch während La Mannschaft zur eigenen Marke wurde, blieb Podolski die Verkörperung des Einfachen in einer Ansammlung der Ästheten. Alle gehorchten Herrn Löw, Podolski sagte Jogi. Schweini wurde zu Schweinsteiger, Poldi blieb Poldi. Deutschland spielte Kurzpässe, Poldi haute drauf - bumm, klatsch, Tor, ein wunderbarer Anachronismus. Auch wenn es ihm wohl schwerfiel, hat er das nun selbst eingesehen, bevor ihm jemand zuvorkommen konnte. "Alles hat seine Zeit", schreibt er, "meine Zeit beim DFB ist vorbei."

Lukas Podolski ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden, er werde sich mehr der Familie widmen, sagt er. Ein paar Tore wird er schon noch schießen, sein Vertrag bei Galatasaray läuft noch zwei Jahre. Doch die großen Poldi-Momente stehen jetzt im Geschichtsbuch. Sollten sie dort unter "M" wie Maskottchen eingetragen sein, dann ist Maskottchen ab sofort ein Kompliment.

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