Luiz Gustavo:Die besungene Stütze von Marseille

Luiz Gustavo: Luiz Gustavo hat die europäische Spitze im Blick

Luiz Gustavo hat die europäische Spitze im Blick

(Foto: AFP)
  • Luiz Gustavo, einst Champions-League-Sieger mit dem FC Bayern, wechselte im vergangenen Sommer nach Marseille.
  • Dort wird der Brasilianer verehrt, weil er nach einer schwierigen Zeit beim VfL Wolfsburg zu alter Stärke gefunden hat.
  • Im Europa-League-Finale gegen Atlético Madrid soll er den Franzosen die nötige Sicherheit verleihen.

Von Sebastian Fischer

Es hallten Böller durch Salzburg und in den Tunnel zum Stadion hinein, in dem Luiz Gustavo mit Olympique Marseille gerade das Halbfinale der Europa League gewonnen hatte, da lobte er die Menschen, die für das Getöse verantwortlich waren. "Unsere Fans werden dort sein", sagte er über das Europa-League-Finale an diesem Mittwoch in Lyon gegen den Favoriten Atlético Madrid.

"Das ist sehr gut für uns." Wer verstehen will, warum der langjährige Bundesligaprofi Luiz Gustavo derzeit so gut und zufrieden ist wie lange nicht mehr, der kommt an den berüchtigten Anhängern aus Marseille nicht vorbei, den fanatischsten in Frankreich, deren Ankunft in Lyon der Polizei durchaus Sorgen bereitet. Seit ein paar Monaten singen sie, wenn sie nicht gerade mit dem Feuer spielen, ein neues Lied, auf die Melodie von Freed from Desire: "Luiz Gustavo, de Marseille á Janeiro!" Gustavo, geboren nicht in Rio de Janeiro, sondern in Pindamonhangaba im Staat São Paulo, Champions-League-Sieger mit dem FC Bayern, ist in diesem Sommer, in dem er 31 Jahre alt wird, wohl auf der größten Bühne seiner Karriere angekommen.

Bevor seine internationale Laufbahn 2007 beim Zweitligisten TSG Hoffenheim begann, sollen sie ihn mit dem Argument gelockt haben, in der zwei Millionen Einwohner zählenden Metropolregion Rhein- Neckar zu leben. "Where are all the people?", soll Gustavo gefragt haben, als er ankam. Und nun singen sie in der zweitgrößten Stadt Frankreichs seinen Namen. Vor einem Jahr kämpfte er mit dem VfL Wolfsburg gegen den Abstieg, ehe er nach Frankreich wechselte. Und nun ist er einer der wichtigsten Spieler in der Mannschaft, die in der Europa League Bilbao und Leipzig schlug und in der Ligue 1 am letzten Spieltag noch die Qualifikationsrunde zur Champions League erreichen kann.

"Natürlich war es für ihn die richtige Entscheidung, zu gehen" sagt Klaus Allofs - der Manager, der ihn 2013 vom FC Bayern nach Wolfsburg holte, für rund 16 Millionen Euro Ablöse, und bis 2016 beim VfL arbeitete. "Ich glaube, dass er ein Anführer ist", sagt Allofs. Für sein Spiel sei es wichtig, "dass er diese Bedeutung hat". In Wolfsburg hatte er diese Bedeutung verloren.

Vom bösen Bankdrücker zum verwegenen Schlüsselspieler

Gustavo erreichte beim FC Bayern internationale Klasse, 2011 debütierte er für die brasilianische Nationalelf. In München stets hoch geschätzt, verlor er im Triple-Jahr 2013 jedoch seinen Stammplatz im Mittelfeld. Er war enttäuscht, der Wechsel nach Wolfsburg war ein Kompromiss, eine Art Neubeginn, der sich zunächst bewährte. 2015 gewann er mit dem VfL den DFB-Pokal und wurde in der Liga Zweiter. Doch in der Saison 2016/2017 stand er beispielhaft für die Entwicklung der Wolfsburger zum Abstiegskandidaten. Trainer Valérien Ismaël setzte ihn auf die Bank und sagte, der Kapitän könne dem Team nicht helfen. Von persönlichen Problemen Gustavos war die Rede, von der Lustlosigkeit eines hochbezahlten Profis, und immer wieder von seinem Wunsch zu wechseln. Wenn er spielte, dann oft wie bei einem 0:6 gegen München, als er vom Platz flog und auf den Schiedsrichter losging. Die Mitspieler mussten ihn zurückhalten.

Zwar war Gustavo schon immer ein rustikaler Spieler, eher der Jens Nowotny unter den Brasilianern - mit dem früheren Leverkusener teilt er sich den Rekord für die meisten Platzverweise der Bundesligageschichte, acht insgesamt. Doch im vergangenen Jahr litt sein Image darunter. Als würde er es provozieren, ließ er sich einen Schnurrbart stehen, der ziemlich böse aussah. Inzwischen trägt er zum Schnäuzer eine Afrofrisur, die an den Polizisten Ricardo Tubbs erinnert, der in der Achtzigerjahre-Serie "Miami Vice" mit dem Kollegen Sonny Crockett Drogenhändler jagte. Wenn man so will, ist er jetzt also immer noch verwegen, aber wieder einer von den Guten.

Keine Traumpässe, keine Zauberei - aber extrem intelligent

In der Ligue 1 hat er 33 Spiele gemacht, 33 Mal stand er in der Startelf, 30 Mal spielte er durch, nur viermal fehlte er - dreimal gelb-, einmal rotgesperrt. Er begann die Saison im defensiven Mittelfeld und spielte zuletzt als Innenverteidiger. "Im Mittelfeld oder dahinter, das Wichtige ist, dass Luiz Gustavo spielt", sagt Trainer Rudi Garcia, der ihn angeblich schon als Trainer von AS Rom verpflichten wollte. Er nennt Gustavo einen "extrem intelligenten Spieler".

Gustavo selbst hat schnell gelernt, Französisch zu sprechen, ein Indiz für seine Zufriedenheit. Im Halbfinale in Salzburg, das Marseille mit viel Glück überstand, war seine Bedeutung zu sehen. Für die kreativen Momente ist Frankreichs bisweilen genialer Nationalspieler Dimitri Payet zuständig, Gustavo für Sicherheit, Organisation und Emotion. Klaus Allofs musste an jenen Spieler denken, den er einst nach Wolfsburg holte, als er das Spiel anschaute und sah, wie Gustavos Grätschen seinen Mitspielern Mut zu machen schienen. Es sei der Schlüssel, sagt er, Gustavo richtig einzusetzen, von ihm nichts Falsches zu erwarten: keine Traumpässe, keine Zauberei, sondern Arbeit. Und Allofs musste an seine eigene Zeit in Marseille denken, er war dort von 1987 bis '89 Stürmer. "Entweder wird man dort geliebt oder das Gegenteil. Wenn man geliebt wird, ist es großartig."

Das Gustavo-Lied, so viel steht fest, singen die Fans aus Verehrung.

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