Ski alpin:Der Fall Luitz darf nicht bagatellisiert werden

Ski alpin: Stefan Luitz atmete bei seinem Sieg im Riesenslalom von Beaver Creek zusätzlichen Sauerstoff ein.

Stefan Luitz atmete bei seinem Sieg im Riesenslalom von Beaver Creek zusätzlichen Sauerstoff ein.

(Foto: AP)

Die Sauerstoffeinnahme von Stefan Luitz war nach Lage der Dinge eine grobe Fahrlässigkeit des Deutschen Skiverbandes und kein Doping. Dennoch sollte nicht zu viel Nachsicht gezeigt werden.

Kommentar von Thomas Kistner

Groß ist die Zerknirschung bei den deutschen Alpinen wegen der Sauerstoff-Causa, beim Weltverband Fis sind sie am Grübeln. Dabei ist der Sachverhalt klar, lässt man die Emotion beiseite. Die DSV-Rennläufer haben mit Sauerstoff regeneriert, übrigens anders als die anderen. Das verbieten die Fis-Regeln, sie sind für alle Fis-Athleten bindend. Dass sich DSV-Offizielle nun auf Sichtweisen der Welt-Anti-Doping-Agentur berufen, ist verständlich, aber nicht hilfreich. Zwei Kernpunkte sprechen gegen eine Bagatellisierung dieses Falles.

Da ist zum einen die Frage, ob so eine Sauerstoffzufuhr in beträchtlicher Höhenlage wirklich keine physiologischen Effekte erzielt - in einem Sport, in dem Zehntelsekunden über den Sieg entscheiden. Experten und Expertisen beurteilen das unterschiedlich; dreht man die Sache aber um, zeigt sich, dass die Spitzensportbranche selbst sehr viel auf diese Maßnahme hält: Es geht um Prophylaxe, Regeneration - und auch das sind Effekte, die dem Leistungsvermögen zuträglich sind. "Studien zufolge kann Sauerstoff leistungssteigernd sein", sagt der Pharmakologe Fritz Sörgel, mit Hinweis auf eine Publikation von 2016, "auch wenn mich diese Studien nicht vollends überzeugen." Und zwar, "weil die individuelle Reaktion sehr unterschiedlich sein kann". Das macht die Sache eher komplizierter.

Umso rätselhafter wirkt, wie die DSV-Verantwortlichen in der Sache verfahren sind - statt einfach kurz ins gültige Fis-Regelwerk zu schauen. Es ist ja nicht so, dass sich hier plötzlich altvertraute Bedingungen geändert haben und man dies verpasst hat. Nein, der DSV hat auf Optimierungswünsche seiner Athleten reagiert - und einen Schritt hinein in jene Grauzone getan, wo sich Erlaubtes und Verbotenes mischen. Diesen Schritt tat er wissentlich, wie der Alpin-Chef einräumt: Wolfgang Maier hat sich bezüglich der Sauerstoffnutzung sogar bei drei Dopingexperten erkundigt. Dass das Trio offenbar den Status quo nicht kannte, verstärkt nur die Fahrlässigkeit des Gesamtvorganges. Wäre die Zeit, die es zur Befragung dreier Fachleute brauchte, nicht besser zum Nachblättern im zuständigen Regelwerk genutzt worden - in dem der Fis? Und selbst, wer nur den Wada-Code studiert, findet dort den Hinweis auf mögliche Sonderregelungen der Fachverbände, und sollte halt dann zum Fis-Heft greifen. Zumal in einem Sport, in dem der Sauerstoffhaushalt große Bedeutung hat. Und zumal in einem Verband, der nichts unversucht lässt, was den Athleten winzige, zur Not nur psychologische Vorteile verschafft - Maier sagt, Schübe fürs Selbstvertrauen seien die Motivation gewesen. Heißt umso mehr: Wer alles vermeintlich Legitime so aktiv erprobt und eine Hochkultur der Körperoptimierung pflegt, muss auch die Grenzen gewissenhaft ausloten. Zumal in einer Körper-Branche.

Der Vorfall ist auch ärgerlich aus Sicht einer effektiven Dopingbekämpfung. Wo eine so rigorose Beweislast-Umkehr gilt, ist es schwer genug, den wenigen echten Opfern eine faire Chance zu ermöglichen, mögliche Fehler oder Irrtümer nachzuweisen. Umso weniger darf dieser Prozess aufgeweicht werden. Etwa durch zu viel Nachsicht bei grober Fahrlässigkeit.

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