Paris soll eine richtige Fußballstadt werden, eine mit einer echten Rivalität, mit einem Derby, wie sich das für eine so große europäische Stadt gehört. Nicht morgen, aber übermorgen.
Die reichste Familie Frankreichs, die Arnaults, mit einem geschätzten Vermögen von 165 Milliarden Euro eine der vermögendsten Familien der Welt, erkauft sich die Kontrolle über den Paris FC, derzeit Tabellenführer der Ligue 2, der zweiten Liga. Die Sportzeitung L’Équipe, die diese Nachricht als erste meldete, schreibt von einer „Revolution“. Das sollte man ernst nehmen, die Franzosen verstehen sich nun mal auf die Definition von Revolution. Steigt der Paris FC, gegründet 1969 und bisher immer höchstens zweitklassig, bald in die Ligue 1 auf, hätte der katarische PSG endlich wieder einmal einen Widersacher in der Stadt.
Kokett daran: Die Arnaults legen viel Wert darauf, dass nicht ihr Unternehmen, der Luxuskonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH), ein Portfolio von 75 Marken, den Verein übernehme, sondern sie als Familie. Als wäre es eine sentimentale Angelegenheit. L’Équipe zitiert eine Quelle aus der Entourage: „Sie wollen der Gesellschaft, die ihren Aufstieg ermöglicht hat, etwas zurückgeben.“
Nun, das ist wohl der Versuch, jene Fans zu besänftigen, die im Paris FC noch immer einen Arbeiterverein sehen. Der Glamour von Louis Vuitton passt nur leidlich dazu. Wobei: Kümmert das die Fans von heute noch? Und ist es in diesem Fall nicht ganz anders? In Frankreich, England und Italien gehören inzwischen so viele Vereine Eigentümern vom Golf, Investoren aus Amerika und internationalen Fonds, dass das Interesse eines nationalen Unternehmens eher eine hübsche Ausnahme ist. Trotz Pailletten.
Die Arnaults, so viel erfuhr man mittlerweile auch, nehmen für ihr neues Abenteuer im Fußball einen berühmten Berater mit an Bord: Red Bull soll, wenn die Übernahmeoperation 2027 abgeschlossen sein wird, 15 Prozent des FC besitzen. In Frankreich heißt es viel bedeutend: „Red Bull und ihr ,Monsieur Football’“. Gemeint ist Jürgen Klopp, der neue Fußballchef des Getränkekonzerns. 200 Millionen werden die Arnaults in den Klub pumpen, schreibt auch die Zeitung Le Parisien, die der Familie gehört. Der Paris FC soll sich sehr schnell oben etablieren und sich dann möglichst bald auch für die Champions League qualifizieren, das ist das Ziel.
Im nächsten Jahr will man umziehen, ins Stade Jean-Bouin im Westen, gleich neben dem Prinzenpark, wo PSG spielt
Das Interesse der Arnaults am Sport ist nicht neu. Sie sponsern schon lange den größten Segelwettbewerb der Welt, den America’s Cup. Im vergangenen Sommer hing der Schriftzug von Louis Vuitton über jeder Spielstätte der Olympischen Spiele und der Paralympics in Paris, sogar die Medaillen wurden im Haus designt. Neulich stieg die Familie bei der Formel 1 ein, mit einer Milliarde Euro. Der Patriarch, Bernard Arnault, 75, ist ein leidenschaftlicher Tennisfan, von Roger Federer vorab, nun von Carlos Alcaraz, beide sind Markenbotschafter seines Konzerns neben vielen weiteren Sportgrößen, Lionel Messi etwa, dem Schwimmer Léon Marchand, dem Basketballer Victor Wembanyama, und, klar, Kylian Mbappé: Der frühere PSG-Star macht Werbung für Dior und die sauteuren Koffer von Rimowa.

Jürgen Klopp:Von nun an das Gesicht der Dose
Jürgen Klopp wird von Januar 2025 an „Head of Global Soccer“ bei Red Bull. Traditionalisten sind entsetzt, aber was klingt wie ein Kulturbruch, hat aus Klopps Sicht plausible Gründe. Für den Konzern ist die Verpflichtung ein Coup.
Der Paris FC gefiel den Arnaults auch deshalb, weil er Paris im Namen trägt und den Eiffelturm im Vereinswappen, wie PSG. Für das Marketing und das Merchandising ist das entscheidend. Die treibenden Kräfte hinter diesem neuen Engagement sind zwei der fünf Kinder von Bernard Arnault: die Söhne Antoine und Frédéric. Von Antoine Arnault heißt es, er sitze oft im Parc des Princes bei Spielen von PSG, im Vip-Sektor, mit seinen eigenen Kindern. Da gönnt sich ein sehr reicher Mann jetzt also nebenbei eine persönliche Spielerei: den Traum vom Derby.
Man muss schon sehr weit zurückdrehen in der Geschichte, bis in die Achtzigerjahre, als PSG sich mal eine Weile mit Racing Paris maß, damals beide erstklassig. Paris war halt noch nie eine große Fußballstadt. Das liegt einerseits daran, dass viele Pariser intra muros, die Bevölkerung im alten Zentrum, dem Fußball immer eher blasiert begegneten: Die Stadt hat so viel mehr zu bieten für den beschwingten Zeitvertreib als 22 Herrschaften im Laufduell um einen Ball. Und da, wo der Fußball richtig groß wäre, in der Peripherie rund um Paris, in den Banlieues mit ihren schier unerschöpflichen Reservoirs an Talenten, hatten die Vereine nie das nötige Geld, um groß zu werden.
Der Paris FC trägt seine Heimspiele im Stade Charléty aus, einer Arena am südlichen Rand der Stadt, 13. Arrondissement, 20 000 Plätze. Vor 30 Jahren wurde es renoviert, doch der miese Rasen ist oft ein Ärgernis. Im nächsten Jahr will man umziehen, ins Stade Jean-Bouin, im Westen, 16. Arrondissement. Es steht gleich neben dem Prinzenpark. Das wäre eine Nachbarschaft mit Ansage.