Luis Scola bei der Basketball-WM:Der Demichelis des Basketballs

Lesezeit: 3 min

Luis Scola gilt als Legende in seiner Heimat - und er wird immer besser. Mit 39. (Foto: AFP)
  • Basketballer Luis Scola ist der Anführer einer überraschend starken argentinischen Mannschaft bei der WM in China.
  • Der große, alte Mann des Basketballs in Argentinien will mit seinem Land an diesem Freitag (gegen Frankreich) ins Finale und endlich Weltmeister werden.

Von Jonas Beckenkamp

Wer über argentinische Sportler spricht, muss über Haare sprechen. Unvergessen die Lockenpracht von Diego Maradona. Das Modell Heavymetal-Tapete des Ex-HSV-Profis Juan Pablo Sorin - oder jenes Glanzhaar von Martin Demichelis, der problemlos in jede Shampoowerbung gepasst hätte. Der frühere Bayern-Verteidiger spielte Fußball, bis er mit 36 leicht ergraute und wenn heute einer in München über ihn spricht, freuen sich alle. "Ja mei, der Mich", heißt es dann. Und damit zu Luis Scola, einem anderen, gut gealterten Argentinier. Wenn man so will ist der 39-jährige Center nämlich so etwas wie der Demichelis des Basketballs. Ein Arbeiter, ein Haarkünstler - und ein Evergreen.

Auch seinen Kopf zierte lange Zeit eine gewaltige Mähne, die er mit einem Zwirn im Zaum hielt. Heute sieht Scola etwas gezähmter und gesetzter aus, mehr Antonio Banderas als Heavymetal. Aber wie viele Argentinier (außer Maradona) bewegt er sich in aller Würde Richtung Sportler-Rente. Während der WM in China schimmern beim großen, alten Mann des südamerikanischen Basketballs deutlich sichtbar graue Stellen durch die neue Mecki-Frisur. Aber was ist schon 39 für einen Basketballer? Da hüpfte Dirk Nowitzki noch munter in der NBA herum. Scola hat es derweil mit dem Nationalteam Argentiniens bis ins Halbfinale der WM geschafft, wo an diesem Freitag die Franzosen warten.

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Manche mögen den 2,06-Meter-Mann für ein lebendes Fossil halten, doch er selbst will vor allem eines werden: endlich Weltmeister. In seiner Heimat gilt er als Idol, einer wie sein früherer Gefährte Manu Ginobili, mit dem er viele Basketball-Schlachten bestritten hat. Aber Ginobili verließ das Nationalteam 2016 aus Altersgründen. Er ging wie viele Argentinier unter Tränen. Luis Scola ist immer noch da. "Er ist ein Anführer, der immer auftaucht, wenn man ihn braucht", schreibt jetzt die Zeitung Clarin in einer hymnenartigen Würdigung. Scola sei "una leyenda" und wie es sich für Legenden gehört, hat er fast alles miterlebt.

Er war schließlich schon beim größten Erfolg der argentinischen Basketball-Geschichte neben dem WM-Titel 1950 dabei. 2004 bezwangen die Gauchos im Olympia-Halbfinale erst die USA und holten im Duell mit Italien Gold. Und zwei Jahre zuvor hatte der damals 22-Jährige - noch kurzrasiert - ebenfalls auf dem Parkett gestanden, als Argentinien die bislang größte WM-Chance der Deutschen um Nowitzki im Halbfinale zerstörte und anschließend im Finale Jugoslawien unterlag.

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Scola ist die ewige Konstante im Welt-Basketball, er rempelte immer irgendwo genüsslich jemanden aus dem Weg oder versenkte seine Würfe. Er war schon ein moderner, beweglicher "Big Man", als der einzige andere bewegliche Big Man noch Nowitzki hieß. In China ist er nun der drittälteste Spieler der gesamten WM und der mit Abstand älteste Akteur im argentinischen Team.

Hinter dem Oldie aus dem Westen von Buenos Aires ist der 28 Jahre alte Facundo Campazzo der zweitälteste bei den Argentiniern. "Ich verstehe, dass jeder über mein Alter redet", sagte Scola in China angesprochen auf das Dauerthema. "Aber so funktioniert mein Gehirn nicht. Ich gehe nicht auf das Parkett und denke: Oh mein Gott, ich bin älter als diese Jungs, sie sind fünf, zehn, fünfzehn Jahre jünger als ich. Das ist keine Goodbye-Tour - das ist eine Weltmeisterschaft!"

Scola hat bei Argentinien mit dem kleinen Dribbelzauberer Campazzo die längste Einsatzzeit pro Spiel (28 Minuten), erzielt die meisten Punkte seines Teams (17,8), holt die meisten Rebounds (7,3). Alleine in den letzten sechs Minuten des überraschenden Viertelfinalcoups über Serbien erzielte der Kapitän zehn Punkte. "Er ist unser Leader", sagt Campazzo, der als Regisseur, Artist und zweimaliger Euroleague-Champion von Real Madrid selbst Anspruch auf diese Rolle hätte.

Scolas Wert zeigt sich dabei nicht nur auf dem Feld, er ist einer, an dem sich andere orientieren können. Zu merken war das lange vor der WM: Da nahm er Argentiniens Nationaltrainer Sergio Hernández beiseite. Sie könnten ins Halbfinale kommen, habe Scola ihm gesagt, berichtete der Coach in China. "Ich habe ihn gefragt, ob er sicher sei. Und er hat es wiederholt: mit Sicherheit, ja. Das ist Scola. Das beschreibt, was Scola ist."

Nach einer langen, erfolgreichen Zeit in Spanien in Vitoria und zehn Jahren in der NBA (u.a. in Houston, Phoenix und Indiana) dachten viele, dass er wie sein compañero Ginobili irgendwann aufhört. Dass er sich zurückzieht und seinem mächtigen Körper ein paar Steaks gönnt. Aber Scola tingelte immer weiter herum, er war einfach zu gut, um Schluss zu machen. Seine Spielweise erlaubte es ihm, trotz mitunter fehlender Geschwindigkeit Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Ein Hakenwurf hier, geschickte Hände beim Rebound da - Scola kann sogar Dreier werfen. Diese Vielseitigkeit macht ihn in gewisser Weise alterslos.

Zuletzt ließ der Power Forward seine Karriere gegen amtliche Bezahlung in China ausklingen, bei den Shanghai Sharks, natürlich als deren Topscorer. Eigentlich hatte er bereits verkündet, dass seine Zeit im Nationaltrikot nach der WM endet. Eigentlich. Mit dem Halbfinaleinzug ist nun aber auch die Olympia-Qualifikation perfekt, Scola könnte in Tokio 2020 bei seinen fünften Sommerspielen starten. "Wer sagt denn, dass Luis nicht dorthin gehen wird", sagte sein Vater Mario Scola während der WM bei Super Deportivo Radio. "Er ist sehr eigensinnig. Das ist ein Fehler und gleichzeitig eine Qualität." In Argentinien haben sie schon viel eigensinnigere Sportler erlebt - einer von ihnen ist gerade wieder Trainer in der Heimat geworden. Er heißt Maradona.

(mit Material von dpa)

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