Lucas Hernández:Einer aus der Liga der besten Verteidiger

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Könnte bald in der Abwehr des FC Bayern stehen: Innenverteidiger Lucas Hernández von Atlético Madrid. (Foto: imago/ZUMA Press)
  • Der FC Bayern möchte 2019 offenkundig den Innenverteidiger Lucas Hernández von Atlético Madrid verpflichten.
  • Die Madrilenen wehren sich mit maximalem Einsatz gegen den Weggang des 22-Jährigen, denn für sie steht viel auf dem Spiel.
  • Will der FC Bayern wirklich die horrende Abklösesumme von 80 Millionen Euro zahlen, ist Atlético jedoch machtlos.

Von Javier Cáceres

Zuletzt war von Lucas Hernández wenig zu sehen oder zu hören, zumindest von ihm persönlich. Neulich, beim Punktspiel in Alavés, zog sich der Verteidiger von Atlético Madrid eine Muskelverletzung zu, das Fußballjahr war für ihn beendet. Die Weihnachtstage verbrachte Lucas dann in seinem Geburtsland Frankreich; in den Bergen, als wollte er Abstand gewinnen von all dem Lärm, der um ihn tobt.

Seit gut zehn Tagen dominiert Lucas die Schlagzeilen der spanischen Sportpresse - wegen des offenkundigen Interesses des FC Bayern, ihn im nahenden Jahr zu verpflichten. Die Ablösesumme, die in seinem erst im Sommer bis 2022 verlängerten Vertrag mit Atlético vermerkt ist, würde für einen Bundesliga-Transferrekord sorgen: 80 Millionen Euro. Das ist viel Geld, würde aber Lucas' Wert auf einem inflationären Markt entsprechen. Zum Vergleich: Der Niederländer Virgil van Dijk, 27, wurde vor einem Jahr für 84 Millionen Euro vom FC Southampton zum FC Liverpool von Jürgen Klopp transferiert. Und es gibt nicht wenige Experten, die Lucas, 22, in exakt dieser Liga verorten: in der Liga der besten Innenverteidiger der Welt.

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Es ist fast auf den Tag genau vier Jahre her, dass Lucas sein Erstligadebüt bei Atlético feierte - bei einem 4:1-Sieg bei Athletic Bilbao. Damals war er nicht mehr als ein vielversprechendes Talent aus der eigenen Nachwuchsabteilung mit berühmtem Namen. Sein Vater Jean-François Hernández, mit dem Lucas gebrochen hat, weil jener vor Jahren die Familie verließ und danach nie mehr von sich hören ließ, war ebenfalls Erstligaprofi in Spanien, unter anderem bei Atlético. Mittlerweile hat Lucas eine Menge der Versprechungen eingelöst, die ihn umwehten, vor allem wegen seiner vielseitigen Verwendbarkeit.

Bei der Weltmeisterschaft in Russland, bei der er mit den Franzosen im Sommer 2018 den Titel holte, spielte er Linksverteidiger. Bevorzugt agiert er aber in der Innenverteidigung, links neben dem uruguayischen Marschall Diego Godín, der soeben vor den Toren von Montevideo Hochzeit feierte - umgeben von den einflussreichsten Spielern Atléticos, wie Antoine Griezmann, Koke oder Juanfran, die zuletzt wegen Lucas alarmiert waren. Der Grund: Eine Nachricht, die kurz vor Weihnachten in der Sportzeitung Marca erschienen war.

Demnach wollte der FC Bayern bereits jetzt im Januar die Ablösesumme für Lucas deponieren. Der Spieler selbst - der vor ein paar Monaten wegen seiner Atlético-Vergangenheit ein Angebot von Real Madrid ausgeschlagen haben will, obwohl dort sein Bruder Theo unter Vertrag steht - hatte sich, ebenfalls angeblich, mit den Bayern auf einen Vierjahresvertrag geeinigt. Was folgte, waren hektische Anrufe zwischen Atléticos Vereinsführung sowie dem FC Bayern, Lucas und dessen Manager Manuel García Quilón.

Für Atlético steht 2019 einiges auf dem Spiel

Die Abwehrschlacht um Lucas wurde mit maximalem Einsatz geführt, denn für Atlético steht 2019 einiges auf dem Spiel. Am Ende der Saison findet im eigenen neuen Stadion, im Metropolitano, das Champions-League-Finale statt. Da würde man sich als Achtelfinalist ungern im Januar das Herz der Abwehr plündern lassen - zumal der 1,85 Meter große Lucas perspektivisch als Chef der Abwehr gilt und schon jetzt Godín als zweikampfstärksten Verteidiger übertrumpft hat. Doch Atlético kann wohl nicht viel mehr als Zeit gewinnen.

Zwar soll der FC Bayern München, wie Atlético in einem offiziellen Kommuniqué mitteilte, die zuletzt freundschaftlichen Beziehungen bestätigt und deshalb auch versichert haben, dass man keine Absicht habe, Hernández gegen den Willen seines derzeitigen Arbeitgebers schon in der bevorstehenden Transferperiode abzuwerben: "Der Spieler kann Atlético in dieser Wintertransferperiode nicht verlassen", tönte Atlético-Boss Gil Marín laut Goal.com.

Doch auch Marín weiß: Falls der Spieler doch die festgeschriebene Ablösesumme beim Ligaverband LFP hinterlegen sollte, ist Atlético völlig machtlos. Und sollte Atlético die aktuelle Schlacht um Lucas gewinnen - den "Krieg" hat der spanische Klub wohl verloren: Gil Marín kündigte für Januar Gespräche mit dem FC Bayern an, über einen möglichen Transfer im Juni.

In Madrid ist zudem zu hören, dass man sich bei Atlético von Lucas hintergangen fühlt - dem Mann, dem man auch in schwierigster Zeit beiseite stand. Zum Beispiel, als er sich 2017 mit seiner jetzigen Frau prügelte, beide wurden danach wegen innerfamiliärer Gewalt verurteilt.

Lucas versicherte zunächst Atlético, dass er mit den Bayern keinerlei Übereinkunft erzielt habe. Als Atlético-Trainer Diego Simeone und die Schwergewichte des Teams Lucas jedoch in der Kabine zur Rede stellten, bekamen sie solche Treueschwüre nicht zu hören. Wenige Tage nach der Meldung Marcas soll Lucas-Manager García Quilón bei Atlético um eine Unterredung gebeten haben: Sein Klient würde bleiben, wenn Atlético das Gehaltsangebot des FC Bayern egalisiere. Dies bewegt sich spanischen Medien zufolge bei angeblich rund acht Millionen Euro netto, mehr als doppelt so viel, wie Lucas aktuell verdient. García Quilón wollte sich weder dazu noch zu anderen Fragen äußern.

Das Jahr 2019 wird Hernández wohl kaum als Atlético-Spieler beenden

Klar ist aber: Für Atlético sind derartige Summen zurzeit nicht zu stemmen, wegen des Resultats einer anderen Transferschlacht um einen weiteren französischen Weltmeister: Antoine Griezmann. Der hatte im Sommer bei Atlético verlängert, nachdem der Klub eine Offerte des FC Barcelona überboten hatte. Griezmann verdient nun angeblich 21 Millionen Euro netto - jährlich. Atlético brachte dies in die Zwickmühle. Stürmer Diego Costa, Torwart Jan Oblak und die Verteidiger Godín und Filipe Luis wurden noch vor Lucas in den Vereinsräumen vorstellig und verlangten ihrerseits Nachbesserungen. Ohne Erfolg, denn in Spanien müssen die Klubs nachweisen, dass die Saläre einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen nicht übersteigen. Atlético darf in dieser Saison nur 293 Millionen Euro ausgeben. Weil das Limit ausgeschöpft ist, lassen Spieler wie Hernández die Möglichkeit eines Wechsels offen.

"Ich fühle mich sehr wohl in Madrid und Spanien, wo mir alle Welt schon seit sehr langer Zeit Vertrauen entgegenbringt", sagte er in einem Interview, das Le Figaro am Freitag veröffentlichte, das aber wohl vor Weihnachten entstanden war.

"Im Fußball gibt es viele Angebote, und ich muss jedes Mal Pro und Contra abwägen, um die bestmögliche Entscheidung für mich, meine Familie und meine weitere Karriere zu treffen", fügte Hernández hinzu. Das Jahr 2019 wird er wohl kaum als Atlético-Spieler beenden.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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