Luca Toni wechselt nach Dubai:Ein Turm für die Wüste

Luca Tonis Art, Tore zu schießen, ist bei Juventus Turin nicht mehr gefragt - er wechselt nach Dubai. Das Engagement beim Al-Nasr Sports Club lässt sich der Italiener vermutlich üppig honorieren, rückblickend hat seine Karriere trotzdem etwas Wichtiges gezeigt: Man muss kein Ausnahmetalent sein, um als Torjäger richtig abzuräumen.

Birgit Schönau, Rom

Man mag sich das eigentlich gar nicht vorstellen: Luca Toni in der Wüste, der letzte Lebemann des europäischen Fußballs auf dem Trockenen. Sicher, auch in Dubai gibt es ein Hofbräuhaus - so jedenfalls nennt sich das Restaurant eines dort ansässigen Luxushotels, wo Weißbier, Weißwurst und Brezn angeboten werden. Weil Dubai außerdem den Fußballklub Al-Nasr Sports Club vorzuweisen hat, zieht Toni jetzt an den Persischen Golf. Und beendet seine Ohrenschrauber-Karriere im Stadion Al-Maktoum. 12.000 Zuschauerplätze, keiner davon für Frauen.

Cagliari Calcio vs Juventus FC

Lässt seine Karriere in Dubai ausklingen: Luca Toni.

(Foto: dpa)

Es ist anzunehmen, dass dem 34-Jährigen der Staubfußball beim Emir ordentlich vergoldet wird. Denn Luca Toni mag wohl Wein, Weib und Gesang, die Kohle musste aber auch immer stimmen. Und irgendeinen Grund muss es ja haben, wenn man von Madama Juventus und den duftenden Fleischtöpfen des Barolo-Landes Piemont in Gefilde zieht, wo der Fußball und der Rotwein ein trauriges Schattendasein fristen.

Juventus Turin kennt in Italien jedes Kind, Al-Nasr aber muss sich so etwas wie einen Ruf erst noch erspielen. Im vergangenen Jahr reichten alle Anstrengungen gerade für den dritten Platz - in Dubai. Jetzt soll es Toni richten, den man bei Juve schon länger nicht mehr brauchte. In einem Kalenderjahr hatte es Toni auf 15 Einsätze und zwei Tore gebracht, bei einem Monatsgehalt von stolzen 260.000 Euro netto.

Der neue Juve-Trainer Antonio Conte hatte dem langen Stürmer unmissverständlich klargemacht, dass er seine Tore viel zu teuer fand und Tonis Einsatz überhaupt verzichtbar. Bei Conte müssen die Spieler rennen, bis ihnen die Zunge aus dem Hals hängt, sonst ist der Coach nicht zufrieden. Toni aber hat es nicht so mit dem Rennen, er ist der klassische Strafraumturm, der sich den Ball auf die Stirn pflanzen lässt und eher zufällig manchmal auch mit dem Fuß trifft.

Das Verhältnis zwischen dem knarzigen Conte und dem Genussmenschen Toni war schon nahe dem Gefrierpunkt, als der Stürmer Ende November in einem Restaurant in Modena mit seiner Dauerverlobten Marta feierte und dabei dem Lambrusco fröhlich zusprach. "Der Alkoholtest ergab mit 0,6 Promille eine nur geringfügige Überschreitung des zulässigen Höchstwertes von 0,5 Promille", gab Juventus später in einem gewohnt humorlosen Kommuniqué bekannt: Toni war den Führerschein los, für drei Monate.

In Dubai trifft er auf den früheren Inter-Torwart Walter Zenga. Dessen Vorgänger war Frank Pagelsdorf, als Spieler wie als Trainer ein ordentlicher Ballarbeiter. Bei Zenga schillert da eher das Bizarre, einen bunten Vogel wie ihn kann so schnell nichts erschüttern, am wenigsten einer wie Toni. Vermutlich werden die beiden Italiener am Golf eine gemütliche Zeit miteinander haben. Gemütlicher als zuletzt.

39 Tore in der ersten Saison in München

Lang vorbei scheinen die Jahre zu sein, da Luca Toni in München spielend die deutsch-italienischen Beziehungen verbesserte. 39 Saisontore erzielte er im Jahr 2008 für die Bayern, er avancierte zum Liebling der selbsternannten "nördlichsten Stadt Italiens" und zum Glamour-Star der diesbezüglich chronisch unterversorgten Bundesliga.

Doch der markige Holländer Louis van Gaal konnte mit dem ebenso lebenslustigen wie anarchischen Italiener wenig anfangen, er betrachtete ihn als Störenfried in seinem Erziehungsprogramm. So rasch, wie Tonis Stern in München aufgegangen war, versank er wieder, und in den Medien mutierte sein Image der Sympathie zu dem einer launischen, geldgierigen Diva.

Toni musste weg und zwar schnell, weil ihn aber keiner bezahlen wollte, verlieh der FC Bayern ihn im Januar 2010 an den AS Rom. Hier stimmte die Küche und die Kulisse wieder, er machte ein paar wichtige Tore und erstürmte sich die Anerkennung der Tifosi. Aber die finanziell ewig klamme Roma reichte den Stürmer im Sommer dann doch lieber weiter an den CFC Genua. Italiens ältester Fußballklub sollte für Toni ein Fiasko werden. "Ich soll Toni eine Note geben?" fragte sein Präsident Enrico Preziosi. "Da sage ich Drei, wie seine Tore." Eine Drei bedeutet in Italien mangelhaft.

Juventus ließ sich trotzdem nicht schrecken. Im Januar 2011 heuerte Toni bei seinem dritten Serie-A-Klub in zwölf Monaten an und es sah ganz so aus, als würde er seine Karriere so beenden, wie er sie einst begonnen hatte: Als wackerer Wanderarbeiter des Calcio, der neun Klubs in den ersten elf Jahren absolviert hatte, einmal von der Provinz in die große, weite Welt und dann wieder zurück.

Jetzt endet vermutlich in Dubai die Saga vom Großen Ohrendreher, es ist jedoch nicht gesagt, dass Toni nicht doch noch wie eine Fata Morgana in das eine oder andere europäische Stadion zurückkommt. Von ihm bleiben zum Beispiel die zwei Treffer im Herzflimmer-Match des FC Bayern in Getafe, wie auch die Erkenntnis, dass man kein Ausnahmetalent sein muss, um als Torjäger richtig abzuräumen. Vor allem aber hat Luca Toni in Palermo wie in Florenz, in München wie in Rom bewiesen, dass spielen nicht von schinden kommt. Sondern dass man als Profi zuerst mal seinen Spaß hat. Und sei es in der Wüste.

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