Lothar Matthäus im Interview:"Löw sollte Lahm auf links ziehen"

1990 wurde Lothar Matthäus mit Deutschland Weltmeister - unter anderem nach einem dramatischen Halbfinal-Sieg gegen England. Am Sonntag verfolgt er den Klassiker als TV-Experte. Ein Gespräch über Geschichte und Zukunft.

Lena Jakat

Im WM-Halbfinale vor 20 Jahren verwandelte Lothar Matthäus den zweiten deutschen Elfmeter gegen England. Am Sonntag wird der 49-Jährige die Neuauflage dieser historischen Begegnung für den arabischen Fernsehsender Al Jazeera kommentieren - zum ersten Mal direkt aus dem Stadion. In seiner Mittagspause sprach Matthäus mit sueddeutsche.de über die Erfolgsaussichten der deutschen Elf.

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"Ich erwarte auf jeden Fall, dass die deutsche Mannschaft weiterkommt", sagt Lothar Matthäus. Als Experte des arabischen TV-Senders Al Jazeera verfolgt er die Partie am Sonntag vor Ort in Bloemfontein.

(Foto: ag.dpa)

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie sich von der Partie am Sonntag?

Lothar Matthäus: Trotz der zuletzt schlechteren Leistung der deutschen Spieler gegen Ghana erwarte ich auf jeden Fall, dass sie weiterkommen. England hat zwar viele Top-Namen aus der Premier League vorzuweisen - aber die entsprechende Leistung hat die Mannschaft bislang nicht zeigen können.

sueddeutsche.de: Beide Teams sind eher holprig durch die Vorrunde gekommen...

Matthäus: England hat sich in den drei Spielen gesteigert, bei den Deutschen war der Trend umgekehrt. Würde man diese Tendenz weiter verfolgen, müsste eigentlich Deutschland Außenseiter sein. Aber daran glaube ich nicht. Das Spiel gegen Ghana war psychisch eine große Belastung, gerade für die jungen Spieler. Sie haben mentale Stärke bewiesen. Daran können sie wachsen.

sueddeutsche.de: Die Begegnung am Sonntag gilt als Klassiker. Kommt diese Anziehungskraft aus der Partie selbst heraus oder wird sie erst aus der Geschichte verständlich?

Matthäus: Natürlich gab es große historische Spiele gegen England: Das Halbfinale bei der WM 1990, das der EM 1996. Oder denken Sie an Uwe Seelers Kopfball-Tor während der WM 1970 oder das Wembley-Tor 1966. Die Spieler fokussieren sich aber ganz auf die Gegenwart. Die Presse konzentriert sich dagegen auf die Geschichte. Da wird wieder viel Blödsinn geschrieben...

sueddeutsche.de: Die englischen Medien überschlagen sich bereits jetzt mit kriegerischem Vokabular. War das 1990 auch schon so?

Matthäus: Die englische Presse weiß, wie man übertreibt. Das haben wir 1990 auch gespürt . Den Zeitungen geht es aber mehr darum, Schlagzeilen zu machen, nicht so sehr darum, die Spieler zu beeinflussen. Die deutsche Mannschaft interessiert das auch relativ wenig. Sie konzentriert sich auf das Spiel.

sueddeutsche.de: Haben Sie selbst jetzt vor Ort in Südafrika etwas von der angespannten Stimmung zu spüren bekommen?

Matthäus: Meine Karriere wird im Ausland respektiert, auch in England. Englische Fans und auch Journalisten erkennen meine Leistungen als Spieler durchaus an - in privaten Gesprächen kommt das so rüber.

"Das Elfmeterschießen gewinnen wir sowieso"

sueddeutsche.de: Was würden sie mit Ihrer Erfahrung aus der WM 1990 der deutschen Mannschaft für das Spiel am Sonntag raten?

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Vor 20 Jahren holte er mit der Nationalmannschaft selbst den Cup: Im Halbfinale erzielte Kapitän Lothar Matthäus (mit im Bild: Rudi Völler) den zweiten deutschen Elfmeter gegen England.

(Foto: dpa)

Matthäus: Der englische Fußball hat sich geändert, die Mannschaften haben sich geändert. Spiele, die 20 Jahre auseinander liegen, kann man nicht vergleichen. Aber die junge deutsche Mannschaft verkörpert noch immer das, was den deutschen Fußball ausmacht: Die Spieler sind motiviert und mit dem Herzen dabei.

sueddeutsche.de: Wo kann es für die Deutschen gefährlich werden?

Matthäus: Meiner Meinung nach liegt das Problem immer noch auf der linken Außenverteidigerposition. Ich kann nicht nachvollziehen, warum man in einem großen Turnier wie der WM Spieler auf Positionen einsetzt, auf denen sie vorher noch nie gespielt haben. Das war mir zu meiner aktiven Zeit schon unangenehm, wenn mich der Trainer auf eine völlig neue Position gestellt hat. Meine Idee für Joachim Löw: Philipp Lahm auf die linke Seite rüber ziehen; da hat er zwar beim FC Bayern nicht gespielt, aber viele Jahre davor. Jerome Boateng sollte Löw rechts spielen lassen. Dann fühlt er sich auch wohler.

sueddeutsche.de: Und wie geht es aus?

Matthäus: Da bin ich natürlich ein bisschen patriotisch, das ist ganz normal: Ich tippe auf 2:1 für Deutschland - nach Verlängerung. Eigentlich hoffe ich, dass es zum Elfmeterschießen kommt. Denn dann gewinnen wir sowieso.

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