Sportarena in Los Angeles:Wenn Draisaitl und James durchschnaufen, wuseln die Ameisen

Sportarena in Los Angeles: LeBron James spielt mit den Lakers zu Hause in der Arena in LA - fast gleichzeitig spielen dort aber auch die Kings in den Eishockey-Playoffs der NHL.

LeBron James spielt mit den Lakers zu Hause in der Arena in LA - fast gleichzeitig spielen dort aber auch die Kings in den Eishockey-Playoffs der NHL.

(Foto: Kirby Lee/USA Today/Reuters)

In LA teilen sich die Basketballer der Lakers und Clippers mit dem Eishockey-Klub Kings eine Halle. Innerhalb von 48 Stunden finden dort vier Playoff-Spiele satt. Wie funktioniert so ein Dauerumbau? Beobachtungen bei Tag und bei Nacht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Leon Draisaitl schlurft geknickt durch die Katakomben der Arena im Stadtzentrum von Los Angeles. Kein Wunder, seine Edmonton Oilers haben gerade eine bittere Niederlage erlebt: 2:3 nach Verlängerung bei den LA Kings. Der deutsche Eishockey-Profi sieht jetzt, um 22.51 Uhr am Freitagabend, so aus, als könne er sich kaum Schlimmeres vorstellen als ein Gespräch mit dem Reporter aus der Heimat, also: kurzes Kopfnicken. Man muss jetzt keine Frage stellen, ist doch klar, wie es Draisaitl gerade geht.

Der Anblick, wie sich Leon Draisaitl im blauen Anzug alleine durch die Halle schleppt, ist umso intensiver, wenn man bemerkt, was neben und hinter ihm passiert. Es wirkt wie diese Szene im Liebesfilm, wenn der verlassene Protagonist in Zeitlupe durchs Leben läuft, die Welt um ihn herum aber in den Schnellvorlauf geschaltet hat.

Was passiert: Der Arbeitstag von Draisaitl endet, für andere hat er gerade erst begonnen. Es wirkt wie Chaos, ist jedoch perfekt organisiert wie ein Ameisenhaufen - und das muss es auch sein. Sie bauen jetzt um, von Kings-Eishockey zu Clippers-Basketball, später dann zu Lakers-Basketball und wieder zurück zu Kings-Eishockey. Das Programm am vergangenen Wochenende:

Freitag, 19.15 Uhr: Eishockey-Playoffs, erste Runde, Spiel drei, die Kings besiegen wie erwähnt die Oilers mit 3:2 in der Verlängerung.

Samstag, 12.30 Uhr: Basketball-Playoffs, erste Runde, Partie drei; die LA Clippers verlieren ohne ihre verletzten Schlüsselspieler Kawhi Leonard und Paul George mit 100:112 gegen die Phoenix Suns mit Kevin Durant, Devin Booker und Chris Paul.

Samstag, 19 Uhr: wieder Basketball-Playoffs, Partie drei. Nun tragen die LA Lakers ihr erstes Playoff-Heimspiel bei voller Auslastung seit zehn Jahren aus; erst waren sie zu schlecht für die Playoffs gewesen, danach: Pandemie-Beschränkungen. Die Lakers gewinnen 111:101.

Sonntag, 18 Uhr: Eishockey-Playoffs, Spiel vier - dazu gleich mehr.

Sportarena in Los Angeles: Und so sieht es in der Crypto-Arena aus, wenn ein Eishockey-Match stattfindet.

Und so sieht es in der Crypto-Arena aus, wenn ein Eishockey-Match stattfindet.

(Foto: Harry How/Getty Images)

Vier Playoff-Partien innerhalb von 48 Stunden. Auf dem Eis Berühmtheiten wie Connor McDavid (Oilers) und Drew Doughty (Kings), auf dem Basketball-Parkett die Spektakelleute Ja Morant (Grizzlies), Anthony Davis, LeBron James (Lakers) und auch Dennis Schröder, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Auf den Tribünen: Leonardo DiCaprio, Will Ferrell (in Kings-Gesichtsbemalung) oder Red-Hot-Chili-Peppers-Bassist Flea, der vor dem Lakers-Spiel die US-Hymne auf der Trompete gespielt hatte.

Vier Playoff-Partien innerhalb von 48 Stunden: Wie funktioniert das?

"Och, heute Nacht ist das relativ entspannt - wir haben mehr als acht Stunden Zeit. Um sechs Uhr morgens sollten wir fertig sein", sagt Michael Roth. Er ist der Arena-Erklärer, seit ihrer Eröffnung im Jahr 1999 arbeitet er für die Anschutz Entertainment Group, den Besitzer der Kings und dieser Halle.

Aus 232 Teilen puzzeln Arbeiter ein Basketballfeld, und danach noch mal ein anderes

Roth ist tiefenentspannt. Es ist, wie man in den USA so sagt: nicht sein erstes Rodeo. Er deutet auf einen Mann, der gerade ein Eishockeytor durch den Gang schiebt. Auf seinem Kapuzenpulli die Aufschrift: "250th Doubleheader". Dieser freudige Anlass war am 8. April. Der vergangene Samstag war demzufolge das 251. Mal, dass es hier in der Arena zwei Profipartien an einem Tag gegeben hat - nicht eingerechnet die Tage, an denen mittags Basketball gespielt wurde und später ein Konzert stattfand. Den, wie sie es hier nennen, "Perfect Storm", gab es im Mai 2012: sechs Playoff-Partien innerhalb von vier Tagen, dazu die letzte Etappe des Radrennens Tour of California; zwischen Eishockey und Basketball kamen die Fahrer vor der Arena ins Ziel.

Sie sind das also gewohnt, Roth sagt: "Heute machen wir das locker - mit zehn Leuten, das reicht."

Die zehn Leute, die Roth erwähnt, kümmern sich nur darum, dass in der Nacht zum Sonntag aus der Eisfläche ein Basketball-Parkett wird. Neben den Umkleidekabinen gibt es eine Art Lagerhalle, darin verstaut: 700 Plastikmatten, die über das Eis gelegt werden. 232 Parkett-Puzzleteile, aus denen das Clippers-Spielfeld wird. Zwei Korb-Anlagen, zusammengeklappt. Die zusätzlichen 849 Stühle - beim Basketball passen wegen des kleineren Spielfelds exakt 19 079 Zuschauer in die Arena - sind in den Gängen verteilt.

Jeder Quadratmeter hinter den Kulissen wird genutzt, überall steht was rum: ein Hockeywood-Zeichen im Gang zur Suite für Freunde und Familien; neben der Kings-Kabine ein Bogen, unter dem später Lakers-Spieler rumlaufen. Ein Eishockey-Tor neben dem Presseraum.

Es hat beinahe etwas Meditatives, den Leuten bei ihrer Arbeit zuzusehen. Das Aufregende ist die Routine, mit der sie alles bewerkstelligen. Es gibt Videos vom Umbau im Schnellvorlauf - nicht nur aus LA, sondern auch von der Arena in Toronto und dem Madison Square Garden in New York. Eindrucksvoll.

Sportarena in Los Angeles: Im Inneren der Arena von Los Angeles stapeln sich dann schon mal gerne Eishockeytore.

Im Inneren der Arena von Los Angeles stapeln sich dann schon mal gerne Eishockeytore.

(Foto: Schmieder / oh)

Zehn Leute also für die Spielfläche - ansonsten sind freilich viel mehr unterwegs. Banner mit Vereinslogos müssen abgehängt werden, weil zum Beispiel Clippers-Fans nicht an die Meisterschaften der Lakers erinnert werden sollen. Während die 17 Lakers-Flaggen beim Eishockey zu sehen sein dürfen.

Ist das ein Beispiel für den völlig überdrehten Sport-Kapitalismus - oder muss man das anders sehen?

Insgesamt arbeiten 1750 Leute daran, Tribünen zu säubern, 168 Vip-Logen sowie 53 Essens- und Getränke-Stationen umzubauen, die Souvenir-Läden umzudekorieren. Besonders stressig ist das am Samstag, dem Tag mit den zwei Basketballspielen. Auch, weil sie das Parkett komplett tauschen - ist einfacher, als die Logos der Vereine neu anzubringen. Sie schaffen das in weniger als 90 Minuten. "Dafür brauchen wir aber 40 Leute", sagt Roth. Der aufwändigste Umbau sei wiederum der von Basketball auf Eishockey, weil Parkett und Plastikmatten weggebracht werden müssen - und Arena um sieben auf 16 Grad runtergekühlt wird. Erst dann wird das Eis präpariert.

Die Kings nehmen bei einer Playoff-Partie der ersten Runde über Tickets, Fanartikel und Catering etwa 3,5 Millionen Dollar ein, die Clippers vier und die Lakers mehr als fünf Millionen - der Gesamtumsatz am vergangenen Wochenende also: 16 Millionen Dollar. Was zu der Frage führt: Ist das, was hier stattfindet, nun ein Beispiel für den völlig überdrehten Sport-Kapitalismus? Oder kann man das, muss man das anders sehen?

Beschweren sich nicht immer alle, wenn Sportstätten - zum Beispiel nach Olympia oder der Fußball-WM - nicht genutzt werden und verkommen? Ist die Arena in LA nicht ein Beispiel für Effizienz, zumal sie mit den Solarpanels auf dem Dach, der LED-Beleuchtung und den wasserlosen Toiletten als eine der umweltfreundlichsten der Welt gilt?

Vielleicht so: In LA haben sie bei der Bewerbung um Olympia 2028 gesagt: Alles ist schon da - oder wird ohnehin gebaut. Die neue Halle der Clippers zum Beispiel, direkt neben dem neuen Footballpalast der Profiklubs Rams und Chargers und dem legendären Forum, in dem die Lakers einst ihre "Showtime"-Ära begannen. Was eben gebraucht wird, sie sind bereit dafür in LA, und die Stadt ist sportbegeistert genug, damit es sich rechnet. Ein Wochenende mit vier Playoff-Partien ist: nur ein Wochenende von vielen bei mehr als 250 Events pro Jahr.

Und damit zurück zu Leon Draisaitl: Die Oilers bauten nach der Niederlage am Freitag ebenfalls um (Draisaitl spielte nun in einer Sturmreihe mit McDavid), und nachdem sie 0:3 in Rückstand geraten waren, noch einmal (Draisaitl war jetzt Center). Was passierte: Vorlage Draisaitl. Tor Draisaitl. Tor Draisaitl. In der Verlängerung erzielen die Oilers den Treffer zum 5:4-Sieg. Am Dienstag geht es in Edmonton beim Stand von 2:2 in der Best-of-Seven-Serie weiter.

Keine 48 Stunden nach dem kopfhängenden Schlurfen geht, nein: federt Draisaitl durch den Gang in der Arena in Los Angeles, stoppt beim Reporter aus der Heimat, sagt: "Wir wissen, wie schnell es gehen kann in diesem Sport - und dass wir eine Truppe sind, die nie aufgibt." Im Hintergrund bauen sie schon wieder um. Montag, 19 Uhr: Lakers gegen Grizzlies, Spiel vier.

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