London während der Olympischen Spiele:Boris, die nasse Christbaumkugel

Metalldetektoren zeigen keine Waffen an, ein verwirrter Präsidentschaftskandidat besucht den wundersamen Bürgermeister Boris Johnson und überall weisen Sicherheitsleute Besucher darauf hin, ihre Kinder nicht zu vergessen.

Jürgen Schmieder

10 Bilder

Experten-Prognose: 54 Olympia-Medaillen für Deutschland

Quelle: dapd

1 / 10

Was ist bloß los in dieser Stadt? Metalldetektoren zeigen keine Waffen an, ein verwirrter Präsidentschaftskandidat ist zu Besuch in der Stadt eines wundersamen Bürgermeisters. Und überall weisen Sicherheitsleute darauf hin, seine Kinder nicht zu vergessen.

Von Jürgen Schmieder, London

Wer in London ist, der hat nun ein bisschen was gesehen, zum Beispiel ein paar Goldmedaillen und viele rote Busse. Aber allein daraus kann die Olympia-Spektakel-Stimmung ja nicht zusammengesetzt sein. Ein Versuch, den geheimen Zusammenhang einiger Vorgänge zu entschlüsseln.

London 2012 - Verkehr

Quelle: dpa

2 / 10

Mittwoch vor den Spielen, Paddington Station: Eine der ersten Stimmen, die der unkundige Besucher in London hört, ist die von Bürgermeister Boris Johnson. Von einem Tonband. Angenehm klingt sie und ruhig. "Hi folks", sagt er. Dann spricht er von "riesigem Druck" auf die U-Bahn-Linien und gibt den Menschen den nicht ganz unwichtigen Hinweis, sich doch bitteschön vor Betreten eines Zuges genau zu überlegen, wohin man fahren möchte.

Donnerstag: Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney macht sich Sorgen um die Spiele - die Sicherheitsbemühungen seien beunruhigend. Konter von Premierminister David Cameron in Anspielung auf die Spiele 2002 in Salt Lake City, die Romney mit organisierte: "Natürlich ist es einfacher, die Olympischen Spiele mitten im Nirgendwo auszurichten." Klar ist nun: Johnson, der Lokalpolitiker, kennt sich in der U-Bahn aus, Cameron in den USA. Johnson will wohl niemals Nachfolger von Cameron werden.

Olympics Day 5 - Gymnastics - Artistic

Quelle: Getty Images

3 / 10

Freitag, nach der Eröffnungsfeier: Ein Busfahrer verfährt sich und rammt eine Überführung. Seine Reaktion: "Sorry, ich bin nicht aus London, ich kenne mich hier nicht aus." Der Mann wusste beim Betreten des Busses nicht, wohin er fahren wollte. Es gab aber auch keine Durchsage von Johnson.

Samstag, Toilette im ExCeL Centre: Ein Mann mit Amerika-Fahne um die Hüften sagt zu einer Frau: "Nein, ich habe meine Pistole nicht dabei - die kontrollieren ja wie die Verrückten hier." Schnell weg.

Sonntag, Basketballarena: Zwischen den einzelnen Partien werden die Toiletten geschlossen. Kinder weinen, Väter fluchen. Auch alleine darf ein kleiner Bub nicht aufs Klo. Begründung: Man könnte das Kind vergessen.

London 2012 - Turnen

Quelle: dpa

4 / 10

Montag, U-Bahn-Station King's Cross: Weil die Stadien leer sind, beschließen die Organisatoren, Soldaten auf die leeren Plätze zu schicken. Reaktion einer Frau in einem Kiosk: "Hätte ich das gewusst, wäre ich vor 15 Jahren zum Militär gegangen."

Dienstag: Es kommt heraus, dass Boris Johnson in einer Kolumne erwähnte, dass Beachvolleyballerinnen "nassen Ottern" ähnelten. Johnson will offenbar definitiv nicht Premierminister werden.

London 2012 - Tennis

Quelle: dpa

5 / 10

Mittwoch, Bahnlinie DLR: Normalerweise hört man an jeder Station den Hinweis, seine Sachen nicht zu vergessen und bitteschön auch Müll mitzunehmen. Heute sagt der Zugführer: "Vergessen Sie bitte nicht Ihre Kinder." Stille, ein paar Menschen kichern. Wieder eine Durchsage: "Lachen Sie nicht, ist gestern geschehen." In der Basketballarena wäre das nicht passiert.

Danach in Wimbledon: Die erste Goldmedaille für das britische Team. Wohl zum ersten Mal in der Geschichte von Wimbledon redet niemand über Tennis. Menschen liegen sich in den Armen. Dann spielt Julia Görges (im Bild) auf Court No. 14. Zuschauer abzüglich Trainer und Betreuer: 17.

Mit der britischen Flagge in der Hand sauste "die blonde Gefahr" an einer Seilbahn hängend durch den Victoria Park neben dem Olympiagelände. Für einige Minuten fühlte sich Johnson wie James Bond, bis

Quelle: Getty Images

6 / 10

Später im Victoria Park: Boris Johnson will sportlich mit zwei britischen Fähnchen an einem Drahtseil durch den Park schweben, bleibt aber in der Mitte stecken. Er sieht aus wie eine Mischung aus Christbaumkugel und nassem Otter. Er sagt später, dass diese Darbietung keine Goldmedaille verdient habe. Johnson will irgendwann doch Premierminister werden.

Noch später, wieder in Wimbledon: Versuch, den Eingang bei Court No. 1 zu finden. Der Ordner schickt einen zu Gate 8. Der Helfer dort glaubt zu wissen, dass der Eingang bei Gate 3 sei. Dort aber schüttelt der Ordner mitleidig den Kopf und versichert, es müsse Gate 14 sein. Das allerdings ist der Eingang für Fotografen. Also nach oben zu Gate 9, dann wieder hinunter zu Gate 22 und am Ende doch zu Gate 1. Das ist der Eingang. Die Ordnerin wundert sich, wie man an einem sakralen Ort wie Wimbledon so abgehetzt erscheinen könne. Klar ist nun: Johnson hat in seinem Büro 80 Fernseher stehen. Dort verfolgt er alles, amüsiert sich über trottelige Touristen.

-

Quelle: AFP

7 / 10

Donnerstag, ExCeL Centre: Wladimir Putin (im Bild mit russischen Judoka) sieht sich die Wettkämpfe im Judo an, Landsmann Tagir Khaibulajew gewinnt. Johnson gibt sich weltpolitisch, er fordert den russischen Präsidenten auf, an den Wettkämpfen teilzunehmen: "Mit nacktem Oberkörper, das wollen die Leute sehen. Wir wollen ein Olympia der Politiker." Putin nimmt nicht teil.

Später in King's Cross: Boris Johnson wird in der U-Bahn gesehen, er fährt in Richtung Osten. Seine eigene Stimme hört er übrigens nicht mehr. Weil abseits der Olympischen Spiele kaum was los ist in London, ist der Hinweis mit der Routenplanung ja auch sinnlos. Johnson vergisst beim Aussteigen keine Kinder.

-

Quelle: AP

8 / 10

Freitag: Ein Sponsor aus Weißrussland kündigt an, dass ein Olympiasieger aus seinem Heimatland Wurst bis zum Lebensende bekäme. Sergej Martinow (für Fans der weißrussischen Aussprache: Siarhei Martynau) gewinnt sogleich mit dem Kleinkalibergewehr. Britische Olympiasieger bekommen eine eigene Briefmarke (im Bild Radfahrer Bradley Wiggins). Johnson überlegt, doch noch teilzunehmen. Aber Putin ist schon weg.

Später am Freitag: Ein Polizist marschiert mit voller Bewaffnung durch das Sicherheitstor, es gibt kein Geräusch und keine Warnlichter, was doch ein wenig beunruhigt. Kurzer Gedanke an den amerikanischen Waffenbesitzer.

Olympia 2012: Leichtathletik.

Quelle: dapd

9 / 10

Samstagabend, Olympiastadion: Eine Kampfrichterin disqualifiziert die deutsche Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf. Ihr verdutztes Gesicht wird auf der Großleinwand eingeblendet. Sie will einen Beweis, sieht sich das Video an, da sagt die Kampfrichterin: "Oooh, da haben wir wohl einen Fehler gemacht." Schwarzkopf bekommt die Silbermedaille.

Später, außerhalb des Stadions: Ein Ordner sagt, dass es nur noch einen Ausgang gebe und schickt einen nach links. Man läuft ums Stadion, wird dabei jeweils nach links geschickt, bis man wieder beim ersten Ordner steht. Er deutet auf den Ausgang rechts von ihm. Wer sich beschwert, bekommt zu hören: "Oooh, da habe ich wohl einen Fehler gemacht." Eine Großleinwand ist nicht in der Nähe. Boris Johnson auch nicht.

149003002

Quelle: AFP

10 / 10

Sonntag, Boxhalle: Zwei Stunden vor Beginn des ersten Kampfes saugt eine Putzfrau den Boxring. Sie braucht 40 Minuten. Während des ersten Duells rutscht eine Kämpferin aus. Beim Hinausgehen fragt ein Junge seinen Vater, warum die polnische Boxerin sich so ärgere. Antwort: "Weil sie voll auf die Fresse bekommen hat."

Montagmittag, Olympiapark: Boris Johnson (im Bild mit britischen Soldaten) wurde seit 16 Stunden nicht mehr gesehen, doch sein Plan ist ohnehin durchschaut, den hat er schon im Alter von zehn Jahren erwähnt. Berufswunsch damals: "König der Welt". Vor dem Olympiastadion sitzen zwei Helfer, sie sehen aus, als hätten sie gerade einen Marathon geschafft. Der eine fragt: "Wie lange noch?" - "Sieben Tage!" - "Puh!" Dann fällt er um.

© SZ.de/ske/bavo
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: