Taktikanalyse zum DFB-Sieg:Löws wichtige Korrektur

WM 2018 - Deutschland - Schweden

Joachim Löw (r.) mit Torschütze Toni Kroos.

(Foto: dpa)
  • Bundestrainer Joachim Löw wählt für das Spiel gegen Schweden einen besseren Matchplan als beim 0:1 gegen Mexiko.
  • Der Plan scheitert jedoch an zwei Patzern auf dem Feld - in der Halbzeit korrigiert Löw dann seine Auftstellung und hat am Ende auch Glück.

Von Martin Schneider, Sotschi

Joachim Löw, das ist nach diesem Schweden-Spiel klar, wird suchen und puzzeln müssen. Gegen Südkorea am kommenden Mittwoch wird wieder eine andere Startelf auflaufen, das ergibt sich schon aus dem banalen Fakt, dass Jérôme Boateng gesperrt sein wird. Im letzten Gruppenspiel - das hat man im ganzen Andrenalin-Bad nach dem Kroos-Freistoß fast vergessen - ist immer noch das Ausscheiden möglich, aber auch der Gruppensieg. Dass dem so ist, liegt natürlich am Freistoß von Toni Kroos - aber auch an Joachim Löws Plan, der gegen Schweden viel besser war als die Taktik gegen Mexiko. Ob seine Startaufstellung die richtige für den Plan war, ist eine andere Frage.

Es war jedenfalls das Ziel, so erzählten es viele Spieler später, flach in den schwedischen Strafraum zu spielen. Ein kluger Gedanke, die Schweden sind große Kopfballmonster, aber jemand wie Innenverteidiger Andreas Granqvist mit seinen 33 Jahren und 192 Zentimetern Länge, dem kann ein Timo Werner doch vielleicht durch die Beine laufen, dachte sich Löw. Er nahm Mesut Özil aus der Startelf und brachte dafür den gegen Mexiko starken Marco Reus.

Mit Thomas Müller und Julian Draxler sollten die Spieler vorne ständig die Positionen wechseln und scharf von außen in den Sechzehner spielen. Das sollte Gefahr erzeugen und gleichzeitig Ballverluste in der Zentrale wie gegen Mexiko unwahrscheinlicher machen - und das klappte bis zur zehnten Minute hervorragend, Deutschland hätte in Führung gehen müssen. Aber ein bisschen Pech und eine gewisse Lässigkeit vor allem in den Aktionen von Julian Draxler verhinderten das frühe 1:0.

Eine Unwucht im Aufbauspiel

In der Zentrale nahm Löw Sami Khedira runter und wählte - für viele überraschend - mit Sebastian Rudy die Variante mit der größten taktischen Disziplin. Das funktionierte bis zu Rudys Auswechslung außergewöhnlich gut, Rudy sicherte Kroos ab (der wie schon gegen Mexiko mit Marcus Berg eine Art Sonderbewacher hatte) und bot sich an, wenn das Risiko vertretbar war. Für den verletzten Mats Hummels stellte Löw Antonio Rüdiger auf und begründete das später damit, dass er auf der linken Abwehrposition einen Linksfuß haben wollte.

Rüdiger ist aber kein geborener Aufbauspieler - und so verhängte Löw eine klare Rollenverteilung. Boateng sollte den öffnenden Pass spielen, der schnelle Rüdiger nach hinten absichern. Diese Vorgabe sorgte aber wieder für eine Unwucht im Spiel, denn Boateng suchte immer den Pass auf Kimmich. Wie schon gegen Mexiko konnte der Gegner das Spiel leicht auf eine Seite lenken, und eine Mannschaft die nur auf einer Seite angreift, ist leichter zu verteidigen. Boateng kannte dieses Problem aber offenbar und versuchte mit langen Bällen schnell die Seiten zu wechseln, was dazu führte, dass er schon früh viele Ballkontakte sammelte und viele Meter machen musste.

In der Theorie war das kein schlechter Matchplan, den der Bundestrainer und sein Team sich da ausgedacht hatten. Aber er scheiterte dann an zwei krassen Fehlern. Ein Patzer von Rüdiger und einer von Kroos ermöglichten den Schweden zwei Super-Chancen, eine davon nutzten sie zur Führung. Und nach dem Gegentor und der verletzungsbedingten Einwechslung von Gündogan für Rudy zerfiel das erdachte System. Die 13 Minuten zwischen 0:1 und Halbzeit schleppte sich das deutsche Team über den Platz - aber im Gegensatz zum Mexiko-Spiel änderte Löw dieses Mal den Plan schnell und richtig.

Unterm Strich ein eindeutiges Gerade-nochmal-gut-gegangen

In der Halbzeit kam Mario Gomez für den schwachen Draxler, und fortan stand immer ein Spieler im Zentrum des Strafraums. Timo Werner musste nicht mehr alles machen (aus dem Sechzehner laufen, in den Sechzehner reinspielen und auch noch selbst abschließen), sondern konnte auf der linken Seite das tun, was er am besten kann: sprinten. So erzielte Deutschland schnell das 1:1 durch Marco Reus, so hätte das Team sich eigentlich schon früher belohnen können - traf aber das Tor nicht. Mit Timo Werner auf links und dem unermüdlichen Joshua Kimmich auf rechts griff das deutsche Team zum ersten Mal bei dieser WM konsequent über beide Seiten an - auch das machte Schweden Probleme. Das ganze Spiel lang verteidigte die Elf im 4-4-2 und lauerte auf deutsche Fehler.

Später bezahlte Löw dann den Preis für sein Abwehrsystem. Boateng, der sich viel zu viel zumutete, ständig weite Wege nach vorne ging, zuweilen am gegnerischen Sechzehner auftauchte, um mehr offensive Wucht zu kreieren, flog vom Platz. Der Bayern-Profi reiste ja angeschlagen zur WM, als er sich verletzte, hieß es, es sei nicht sicher, ob er überhaupt fit werden würde. Bei beiden gelben Karten kam er klar zu spät, nicht unwahrscheinlich, dass er schlicht müde wurde. Löw hatte darauf vertraut, dass sein Abwehrchef es richten würde, und Niklas Süle auf der Bank gelassen. Es hätte Löws entscheidender Fehler sein können.

Als Löw dann sah, wie Boateng vom Platz ging, wechselte er aber mutig, brachte den offensiven Julian Brandt für Jonas Hector. Und beinahe hätten schon seine Einwechslungen den Sieg gebracht. Gomez mit einem Kopfball, Brandt mit dem Pfostenschuss - beide kreierten Gefahr.

Dass Löw sich nun weiter Pläne für diese WM ausdenken kann, das liegt natürlich daran, dass der Freistoß von Toni Kroos in der 95. Minute in den Winkel flog. Die Bilanz von Löw bisher:

1. Halbzeit Mexiko: Falscher Plan und fatale Umsetzung

2. Halbzeit Mexiko: Zu späte Korrektur

1. Halbzeit Schweden: Richtiger Plan mit Patzern und mentalem Tief

2. Halbzeit Schweden: Richtige Korrektur und ein Kroos-Freistoß

Macht unterm Strich ein eindeutiges Gerade-nochmal-gut-gegangen. Es bedeutet aber auch, dass Joachim Löw die Gelegenheit hat, die Deutsche bei Weltmeisterschaften in der Regel auszeichnet. Er kann sich im Turnier steigern.

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