Joachim Löw:Mit der Ruhe von 14 Bundestrainerjahren

Joachim Löw: Glücklich über den Sieg, aber nicht vollständig zufrieden: Joachim Löw.

Glücklich über den Sieg, aber nicht vollständig zufrieden: Joachim Löw.

(Foto: AFP)

Immerhin ein Sieg, wenn auch ein zittriger: Nach dem 2:1 gegen die Ukraine verteidigt Joachim Löw seinen Kurs gegen Kritik. Er müsse "das große Ganze" im Blick behalten.

Von Martin Schneider

Der Bundestrainer hob entschuldigend die Hände. Gerade hatte Joachim Löw in einer hallenden Halle bei der virtuellen Pressekonferenz in Kiew einen ausschweifenden Monolog über die Kritik an seiner Arbeit gehalten und erst danach bemerkt, dass die Übersetzerin das ja laut Uefa-Protokoll alles nochmal auf Ukrainisch wiedergeben muss.

Und nachdem er sich erneut minutenlang in einer anderen Sprache angehört hatte, was er gerade gesagt hatte, nämlich dass natürlich jeder seine Meinung haben könne, er das aber einschätzen könne, er seine Linie habe und einen Plan und - er drückte das wörtlich so aus - er "über den Dingen" stehe, was Kritik angehe, da sagte er. "Sorry. Ich fasse mich ab jetzt kurz." Danach kamen aber kaum noch Fragen. Löw musste zum Bus, der Flieger hob um zwei Uhr nachts in Kiew ab und landete um vier wieder in Köln. Die Nationalmannschaft wollte so kurz wie möglich im Corona-Risikogebiet bleiben. Auch, wenn Köln jetzt ebenso Risikogebiet ist.

Es sind ungemütliche Zeiten für die Nationalmannschaft, es kommt gerade viel zusammen und da sieht sich auch Löw mal zu einer längeren Erklärung genötigt. Die Pandemie und die daraus resultierenden Umstände, klar, die gelten für alle. Aber vor der DFB-Zentrale standen diese Woche Polizisten und Steuerfahnder (wofür Löw nichts kann) und die Nationalmannschaft gewinnt lange Zeit einfach nicht mehr (wofür Löw schon mehr kann) und all das führt zu einer Gemengelage, in der die Öffentlichkeit, aber auch Altinternationale wie Lothar Matthäus, Jürgen Kohler oder Berti Vogts zunehmend scharfe Kritik äußern. Gerade treffen sich die Genannten auch noch in Italien, um das dreißigjährige Jubiläum des WM-Titels von 1990 zu feiern. Löw ist darüber übrigens informiert. "Der Jürgen Klinsmann hat mir heut Mittag ein Foto geschickt", erzählte er.

Und nun das Spiel in der Ukraine, ein 2:1-Sieg zwar, sogar der erste überhaupt in der Nations League, aber Matthias Ginter, Torschütze zum 1:0, fasste das Spiel mit einem "Joa. Geht so" schon recht präzise zusammen. Gegen ein unerfahrene, massiv ersatzgeschwächte Elf unterliefen dem DFB-Team haufenweise Fehler. Zwar hatte Löw recht, wenn er sagte, dass der Gegner aus dem Spiel heraus wenig Torchancen hatte, aber ebenso hatte Bastian Schweinsteiger recht, ARD-Experte und nun auch Alt-Internationaler, als er anmerkte, dass eine ausgebufftere Mannschaft aus den Ballverlusten definitiv mehr herausgeholt hätte.

Löws setzte wieder in der Abwehr auf die Dreierkette. Schweinsteiger wunderte sich darüber und auch Serge Gnabry deutete im Interview vorsichtig an, dass ein weiterer Mittelfeldspieler in Sachen Ballkontrolle vielleicht geholfen hätte. "Kraft in der Offensive schadet nie", sagte er. Doch der Bundestrainer meinte, er werde auch gegen die Schweiz am Dienstag in Köln mit einer mindestens ähnlichen Startformation auflaufen.

Zu viele Ersatzleute?

Einspielen sei notwendig, da die Mannschaft in der Besetzung seit dem Nordirland-Spiel in der Vor-Pandemie-Zeit nicht mehr zusammengespielt hätte und der Stand der Dinge deswegen sei wie er sei. Ein Kritikpunkt der 1990er-Weltmeister war ja, dass Löw zu viele Spieler nominiert habe, die in ihren Klubs auf der Ersatzbank säßen. Löw entgegnete, er hielt es eben für notwendig, den Bayern- und Leipzig-Spielern eine Pause zu geben. Löw: "Ich sehe das große Ganze - nicht immer nur ein einziges Spiel oder das Ergebnis in einem Testspiel."

Man mag Löw wohl zugestehen, dass der Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der EM eher nicht von Mo Dahoud oder Benjamin Henrichs abhängt. Aber wenn der Bundestrainer auf einen Leistungssprung durch mehr Eingespieltheit spekuliert, dann sollte der doch zeitnah und empfindlich ausfallen. Seine Spieler wirkten vor den Mikrofonen jedenfalls erleichtert, dass man endlich mal einen Vorsprung über die Zeit gerettet hat - das ist meist kein Zeichen von überschwappendem Selbstvertrauen. Allein dass das DFB-Team nach dem Elfmetertor von Ruslan Malinovskyi (Niklas Süle hatte plump gefoult) gegen den beherzten, aber verständlicherweise limitierten Gegner nochmal um den Sieg zittern musste, sprach für sich.

Löw hat trotzdem beschlossen, der Situation mit Abgeklärtheit von 14 Bundestrainerjahren zu begegnen. Wer ihn kennt weiß: Alles andere wäre auch eine handfeste Sensation gewesen. Aber die löwsche Ruhe ist unmöglich zu deuten, er geht ja entspannt am Strand spazieren und wird dann Weltmeister oder er lehnt entspannt an einer Laterne und scheidet dann in der Vorrunde aus. Und auch historische Parallelen sind schwierig. Zwar reihte die Nationalmannschaft vor der WM 2018 auch ein mittelprächtiges Spiel hinters nächste, damals lauteten die Ergebnisse 1:1 gegen Spanien, 0:1 gegen Brasilien, 2:1 gegen Saudi-Arabien und 1:2 gegen Österreich, auch damals waren seine Spieler latent unzufrieden, auch damals verwies Löw auf eine Steigerung, wenn es ernst würde.

Aber damals kannte man das Wort "Pandemie" auch nur aus Filmen, die EM findet zudem erst im kommenden Jahr statt, unter welchen Bedingungen weiß man noch nicht und ein paar Spiele stehen ja noch an. "Es ist gut, dass wir gewonnen haben", sagte Löw ja dann doch noch und wenn am Dienstag in Köln gegen die Schweiz ein zweiter Sieg dazu käme, das sähe das große Ganze schon wieder deutlich besser aus.

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