Süddeutsche Zeitung

Zukunft von Bundestrainer Löw:Es braucht mehr als ein Ja-Wort

  • Macht Bundestrainer Joachim Löw doch weiter? In wenigen Tagen soll eine Entscheidung fallen.
  • Der DFB hat sich bereits festgelegt, dass man ihn weiter möchte - doch zumindest zwei Namen kursieren als alternative Lösungen.

Von Philipp Selldorf

Er ziehe jeden Oldtimer einem neuen Modell vor, hat Joachim Löw in einem SZ-Interview mal gesagt, aber er hat dabei nicht über die Vorliebe für seine alten Weltmeister gesprochen, sondern über seine Neigung zu alten Automobilen. Vor ein paar Jahren hat er sich einen fast 60 Jahre alten Mercedes angeschafft, im Sommer sei es damit auf den schönen Schwarzwaldstraßen "so ein ruhiges, bequemes, entspanntes Fahren", schwärmte er.

Für die Bewohner der Stadt Freiburg ist der Anblick des Bundestrainers in einem feschen Oldtimer keine große Überraschung, und schon gar keine Überraschung ist für sie der Anblick des Bundestrainers beim entspannten Kaffeetrinken im Straßencafé. Diese Ansicht gehört zu den üblichen Sehenswürdigkeiten der Stadt wie das Freiburger Münster oder das Schwabentor. Nicht ganz so üblich und erwartbar aber war das Bild des kaffeetrinkenden, Oldtimer fahrenden Bundestrainers an jenem Wochenende, das der vorzeitigen Heimkehr der Nationalelf und ihres Trainers von der WM folgte. Ein Wochenende, an dem die ganze Fußballnation nach Freiburg geschaut hat.

Als Kandidaten für eine mögliche Nachfolge gelten Ralf Rangnick und Matthias Sammer

Den DFB-Chefcoach hätte die Fußballnation in diesen Tagen wohl eher hinter verschlossenen Türen und zugezogenen Vorhängen erwartet als beim Plausch im Café. Schließlich war dieses Wochenende als ein womöglich ganz besonderes Wochenende annonciert worden - als das vielleicht letzte in Löws dann zwölfjähriger Amtszeit als Cheftrainer. Dass Löw nun aber fotografiert wurde, wie er relaxed im T-Shirt und mit der obligatorischen Sonnenbrille am Bistro-Tisch saß, das ließe sich durchaus als Botschaft deuten, behaupten Kenner: Dass er sich nicht treiben lasse, dass er das Tempo seiner Beschlussfassung selbst bestimme. Und dass er sich nicht aus der Ruhe bringen lassen werde.

Auf dem Heimflug aus Moskau am Tag nach dem 0:2 gegen Südkorea hatte die Führung des DFB deutlich wissen lassen, dass sie von Löw sehr bald ein Ja- oder Neinwort hören wolle. Ein komplettes Wochenende enthalte doch eine hinreichende Menge Bedenkzeit, hieß es. Montag war zwar nicht der ultimative Stichtag, aber doch eine Art Wunschtermin. "Wir haben mit ihm besprochen, dass die Entscheidung zügig fallen muss", sagte der erste Vizepräsident Rainer Koch. Wie DFB-Präsident Reinhard Grindel, Generalsekretär Friedrich Curtius und DFL-Vertreter Peter Peters saß auch Koch in der Chartermaschine, die das Nationalteam aus Russland nach Hause brachte. "Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiterzumachen", erklärte er nun am Sonntag.

Zweifellos darf man solche öffentlichen Äußerungen als freundliches Druckmittel interpretieren. Der Präsident Grindel ließ am Wochenende eine Telefonkonferenz mit allen greifbaren Mitgliedern des DFB-Präsidiums (es umfasst 18 Personen) organisieren, um die Meinungslage zu diskutieren.

Einhellig hätten sich die Teilnehmer für die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Löw ausgesprochen, hieß es - abgesehen davon, dass dessen Vertrag ohnehin bis 2022 gültig ist. Diese Äußerung des Führungsgremiums ist einerseits ein seriöser Vertrauensbeweis - und andererseits die sanfteste Form, dem geschätzten Mitarbeiter die Pistole auf die Brust zu setzen. Löw soll sich, wenn nicht am Montag, so doch in Kürze bekennen - oder den Weg freimachen für einen Nachfolger.

Öffentliche Bewerbungen sind bisher nicht abgegeben worden, auch nicht von Lothar Matthäus, obwohl ihn in Russland freundlicherweise ein russischer Reporter auf eventuelle Ambitionen ansprach. Aber Leute aus dem Profigeschäft versichern, dass es mindestens zwei Persönlichkeiten gebe, die wegen ihres Interesses trotz anderweitiger Verpflichtungen als "logische Kandidaten" gelten müssten: Matthias Sammer, 50, und Ralf Rangnick, 60.

Doch vorerst entscheidet nur einer über die Besetzung der Stelle, und das ist der Amtsinhaber. Für Löws Beschlussfassung ist es nicht unerheblich, dass ein Proteststurm nach dem kläglichen Auftritt des Weltmeisters weitgehend ausgeblieben ist. Er könnte dies als Bestätigung auffassen, denn sein Ansehen in der Öffentlichkeit ist ihm wichtig. Dass kein wichtiger Fußball-Mensch hervorgetreten ist und seine Absetzung gefordert hat, dass nicht mal ein unwichtiger Fußball-Mensch dies getan hat, das dürfte ihm schon gefallen - und ihn nach anfänglicher Skepsis womöglich doch zum Weitermachen bewegen.

Beschwerden der Spieler über Löws Arbeit in Russland und bei der Vorbereitung in Südtirol sind ebenfalls nicht zu hören. Jérôme Boateng etwa sprach Löw frei von Schuld, doch Boateng möchte natürlich auch weiterhin in der Nationalelf spielen. Mancher ehemalige Weltmeister ahnt, dass es nicht im Interesse der Karriere wäre, den alten Trainer zu kritisieren, der womöglich auch der neue Trainer sein wird. Einige Umgestaltungen im Spielerkader sind aber, schon wegen der öffentlichen Erwartung, ziemlich wahrscheinlich.

Löw weiß, dass er dem DFB mehr überbringen muss als sein Jawort, falls er weitermachen möchte. Die von ihm selbst für nötig erklärten "tief greifenden Maßnahmen" bedingen sichtbare Veränderungen, und es wird nicht reichen, den übergroßen Assistentenstab zu verringern sowie den einen oder anderen überzähligen "Spezialtrainer" zu verabschieden. Zu hören ist tatsächlich, dass sich Löw bereits mit möglichen Zukunftsszenarien befasst: Er überlegt offenbar, wie das Umfeld der A-Elf künftig aussehen und welche alten oder neuen Vertrauten er einbinden könnte.

In zwei, drei Tagen wissen der DFB und das Fußballland mehr darüber. Dann, so ist aus Freiburg zu hören, wolle sich Jogi Löw erklären.

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SZ vom 02.07.2018/jbe/cat
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