FC Liverpool:Und plötzlich verlieren die Unbesiegbaren

FC Liverpool: Trainer Jürgen Klopp sagt nach dem Spiel, er sehe die Niederlage als positiv an, weil seine Mannschaft nun wieder befreit aufspielen könne.

Trainer Jürgen Klopp sagt nach dem Spiel, er sehe die Niederlage als positiv an, weil seine Mannschaft nun wieder befreit aufspielen könne.

(Foto: AFP)

Nach 44 Spielen und 422 Tagen ohne Liga-Niederlage patzt Tabellenführer FC Liverpool beim Abstiegskandidaten Watford. Doch Trainer Jürgen Klopp ist sogar erleichtert.

Von Sven Haist, London

Zur Feier des Tages ließ Gary Neville den Korken knallen. Genüsslich veröffentlichte der frühere Rechtsverteidiger von Manchester United, der heute einer der führenden Fußballexperten auf der Insel ist, am Samstagabend ein selbst aufgezeichnetes Video, das ihn im Hotelzimmer beim Öffnen einer Champagnerpulle zeigt. Neville stieß an auf die erste Saisonniederlage des Erzrivalen FC Liverpool in der Premier League - und er tat das nicht allein. Schon am Morgen danach hatten sich mehr als drei Millionen Menschen diesen Clip angesehen und offenbar Gefallen daran gefunden; ebenso wie an Nevilles triumphierender Botschaft, dass Liverpool die Nerven verloren habe. Cheers!

Nach sagenhaften 44 Spielen und 422 Tagen ohne Niederlage erlebte Liverpool am Samstag erstmals wieder, wie es sich anfühlt, in einer Ligapartie als Verlierer vom Platz zu gehen. Für weite Teile von Fußball-England, die seit jeher mit den Reds fremdeln, kam diese Nachricht einer Erlösung gleich. Die zwischenzeitliche Verzweiflung angesichts der Dominanz des Tabellenführers der Liga ging so weit, dass kürzlich ein junger Fan in einem persönlichen Brief an Liverpool-Trainer Jürgen Klopp die Bitte äußerte, sein Team solle endlich aufhören, immer zu gewinnen.

Und in der Tat: Durch das 0:3 nach fahriger Leistung beim Abstiegskandidaten FC Watford, für den zweimal Ismaïla Sarr (54. und 60. Minute) und Troy Deeney (72.) die Tore erzielten, vergab Liverpool nun die Chance auf eine komplette Saison ohne Niederlage - das ist bisher in England nur den "Invincibles", den Unbesiegbaren des FC Arsenal, in der Saison 2003/04 gelungen.

"Wenn wir in 500 Jahren zurückschauen, werden wir sagen, dass es Liverpool fast geschafft hätte - aber das ist nicht meine Sorge", sagte Klopp nach dem Dämpfer. Er sehe die Niederlage sogar als positiv an, weil seine Mannschaft nun wieder befreit aufspielen könne, ohne Rekorde aufstellen oder verteidigen zu müssen, argumentierte der deutsche Coach. Das öffentliche Spötteln traf übrigens nicht nur Liverpool, sondern auch Arsenal: Die englische Stürmerlegende Gary Lineker bezeichnete das überraschende 0:3 der Reds in gewohnt spitzer Art als Arsenals "bestes Resultat der Saison"; erst zwei Tage zuvor waren die Gunners nach einer bisher ernüchternden Saison auch in der Europa League schmählich an Olympiakos Piräus gescheitert.

"Meine Spieler halten so viele Rekorde, warum würden sie noch mehr haben wollen?"

Für Liverpool endete mit dem Ausrutscher auch die Hoffnung, Arsenals ewige Bestmarke von 49 ungeschlagenen Spielen in der Premier League sowie die 18 Spiele lange Rekordsiegesserie von Manchester City vor zwei Jahren überbieten zu können. "Meine Spieler halten so viele Rekorde, warum würden sie noch mehr haben wollen?", fragte Klopp, um selbst zu antworten: "Wir wollen nicht gierig sein."

In der Stunde der Niederlage erwies sich Klopp diesmal als fairer Verlierer, im Gegensatz zu so manchen Pleiten in der Vergangenheit, die er dem Schiedsrichter oder schlechten Wetterbedingungen angelastet hatte. Als Geste der Anerkennung reichte Klopp jedem Spieler von Watford auf dem Platz die Hand - und wiederholte seine Würdigung in der Pressekonferenz: "Glückwunsch an Watford, wohlverdient. Das sollte die Schlagzeile sein." Die Generosität ging ihm natürlich leicht von den Lippen, weil er weiß, dass Liverpool im Titelrennen letztlich sowieso gewinnen wird.

In der Tabelle liegt der Champions-League-Sieger zehn Spieltage vor Schluss noch immer satte 22 Punkte vor Titelverteidiger Manchester City. Es ist zwar jetzt unwahrscheinlich, die erste Meisterschaft seit 30 Jahren bereits am 16. März im Stadtderby beim FC Everton fixieren zu können, aber bis Mitte April sollte Liverpool rechnerisch am Ziel sein - dann würden die Reds just Manchester United als frühesten Meister der englischen Fußballgeschichte ablösen. Dieser sehnlichst erwartete Titel wäre der vorläufige Höhepunkt von Liverpools Erfolgszyklus in der Liga, der im Oktober 2017 nach einem 1:4 in Tottenham startete. Seither verlor der aktuelle Welt- und Europameister des Klubfußballs gerade mal fünf Ligaspiele in zweieinhalb Jahren.

Die Niederlage in Watford dient zudem als Warnung, jetzt wieder Fahrt aufzunehmen für die finale Phase der Saison. Nach dem kurzen Winterurlaub für Mannschaft und Trainer vor ein paar Wochen mühten sich die Reds bereits bei den Siegen über Norwich und West Ham, im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gab es ein 0:1 bei Atlético Madrid. Diese Bilanz weist Ähnlichkeiten auf mit der Vorsaison, als Liverpool nach einem Trainingslager im spanischen Marbella im Februar ebenfalls schwer wieder in die Gänge kam und damals entscheidende Punkte im Meisterduell mit Manchester City liegen ließ.

Am Dienstag geht es für Liverpool im Achtelfinale des FA-Cups zum FC Chelsea, acht Tage danach wartet Atlético zum Rückspiel. Dann möchte der FC Liverpool wieder selbst die Korken knallen lassen.

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