Liverpool in der Champions League:Klopp beschwert sich sprachgewaltig

  • Champions-League-Sieger Liverpool verliert sein Auftaktspiel in Neapel 0:2.
  • Ein umstrittener Elfmeter sorgt bei Trainer Jürgen Klopp für Ärger.
  • Er kritisiert Schiedsrichter Felix Brych - mit dessen Entscheidungen er schon häufiger nicht zufrieden war.

Von Sven Haist, Neapel

Die Fans des SSC Neapel kannten kein Halten mehr. Nach dem zweiten Tor ihrer Mannschaft gegen den FC Liverpool rannten die Anhänger im halbleeren Unterrang der Curva B am Zaun entlang, um möglichst nah ranzukommen an Fernando Llorente. Der Angreifer ließ sich an der Eckfahne bejubeln, nur Laufbahn und Absperrung trennten ihn von den anstürmenden Zuschauern. Der Stadionsprecher brüllte neun Mal Feeer-naaan-dooo ins Mikrofon, die Neapolitaner schrien ebenso oft Llooo-reeen-teee zurück. Bis wirklich jeder im und außerhalb des Stadions San Paolo mitbekommen hatte, wer dieses Tor erzielte hatte. Sogar der sonst so stoische Trainer Carlo Ancelotti lief in Siegerpose aufs Spielfeld.

Im ehrwürdigen San Paolo herrschte nach dem 2:0 (0:0) über Liverpool fast so eine heiße Stimmung wie im Inneren des Vesuv, dessen Vulkangestein am Golf von Neapel aufragt. Zu bestaunen gab es für die Fans ein Ergebnis, das es für den Vorjahreszweiten der Serie A bis dahin nicht gegeben hatte - ein Heimerfolg gegen den Titelverteidiger der Champions League. Zuletzt verlor der AC Mailand als amtierender Champion vor 25 Jahren einmal das erste Spiel gegen Ajax Amsterdam.

Napolis Erfolg zum Auftakt der diesjährigen Champions League stellt ohne Weiteres den bedeutendsten Sieg des Klubs im Wettbewerb dar und sorgt für eine vielversprechende Ausgangslage in der Gruppe mit dem FC Salzburg und KRC Genk. Bei den bisherigen fünf Teilnahmen verabschiedeten sich die Neapolitaner spätestens im Achtelfinale, an erwähnenswerten Siegen blieben einzig die etwas in die Jahre gekommenen Erfolge gegen den FC Chelsea und Manchester City in Erinnerung.

Klopp lenkt die Aufmerksamkeit auf die Elfmeter-Entscheidung

In der Vorsaison gelang Neapel in der Gruppenphase zwar ein 1:0 im Duell mit Liverpool; wegen eines 0:1 in Anfield am letzten Spieltag reichte es jedoch aufgrund der schlechteren Tordifferenz nicht zum Weiterkommen. Dieses Erlebnis ist jetzt verdrängt durch die Tore von Dries Mertens (82.) und Fernando Llorente (90.+2). Nach dem verwandelten Elfmeter durch Mertens plärrte der Ansager dessen Namen gar zehn Mal durchs Stadion. Weniger laute Erwähnung fanden dagegen Neapels taktisch feine Defensivleistung und die technisch versierten Spieler in der Offensive - weil Liverpool-Trainer Jürgen Klopp die Aufmerksamkeit nach dem Spiel ganz auf die Elfmeterentscheidung lenkte.

Sprachgewaltig beklagte sich Klopp, 52, über das kontrovers diskutierte Foulspiel seines Linksverteidigers Andy Robertson an José Callejón im Strafraum. Sein Unmut richtete sich auf den deutschen Schiedsrichter Felix Brych, 44, und den Videoassistenten Bastian Dankert, der nach Klopps Ansicht hätte eingreifen müssen. Ohne den Ball zu spielen, hatte Robertson im Zweikampf den Fuß in den Laufweg seines Gegenspielers gestellt. Callejón hatte es sichtbar auf die folgende Oberschenkelberührung abgesehen, um einen Elfmeter zu provozieren. Brych legte sich direkt auf Strafstoß fest, Mertens traf für Neapel. "Wir haben den einen Punkt nicht bekommen wegen des Elfers", sagte Klopp: "Für mich ist das ein klarer und offensichtlicher Fehler. Wenn der Spieler abhebt, bevor ein Kontakt da war, kann das keiner sein."

Klopp hat sich schon häufiger über Brych echauffiert

Nach dem Abpfiff gab Klopp nahezu jedem Spieler die Hand: nur Schiedsrichter Brych nicht. Fast demonstrativ wendete sich der deutsche Trainer unmittelbar vor dem Unparteiischen ab. Als er auf der Pressekonferenz auf den Videoassistenten angesprochen wurde, rieb sich Klopp mit der Hand erst mal beide Augen, dann sagte er in sarkastischem Tonfall: "Sie werden schon eine Erklärung finden, warum sie das richtige getan haben."

Klopps Missfallen setzt die Reihe an Unstimmigkeiten fort, die sich in der Vergangenheit mit Brych als Schiedsrichter beobachten ließen. Bei drei der vergangenen fünf Pflichtspiele, an denen beide beteiligt waren, empörte sich Klopp im Nachgang über Brych. Im April 2018 ereiferte er sich im Halbfinal-Hinspiel der Champions League bei Liverpools 5:2 über einen umstrittenen Handelfmeter für die AS Roma (Klopp: "Das war so ein geiles Spiel - und dann gibt Brych einen Elfmeter, der keiner war"). Und beim deutschen Pokalfinale im Mai 2015, in dem Klopp mit Borussia Dortmund dem VfL Wolfsburg unterlag, ging er wegen eines aus seiner Sicht nicht gegebenen Strafstoßes ebenfalls auf den Fifa-Schiedsrichter aus München los ("Brych ist so zufrieden mit seiner Leistung, das ist Wahnsinn. Wie soll man sich da weiterentwickeln?").

Auf der Pressekonferenz im San Paolo startete Klopp unter den Medienvertretern spontan eine Umfrage. Er wollte wissen, für wen es auch nach Ansicht der Fernsehbilder ein Elfer sei. Ein Reporter meldete sich. Klopp reagierte echauffiert: "Seht her, genau deswegen ist es kein klarer Fehler (sodass der Videoassistent hätte eingreifen können, d. Red.). Weil er denkt, es ist einer." Dann meldete sich der nächste Journalist. "Beide tragen übrigens Brillen", spöttelte Klopp, "aber meine hat die richtige Verschreibung."

In England hat sich der deutsche Trainer seit seinem Amtsantritt im Oktober 2015 neben seiner fachlichen Expertise ebenso einen Namen gemacht für seine Ausreden nach Niederlagen. Auf mehreren Internetseiten wird Buch geführt über Klopps Vorwände, zu denen schon der Wind, der Schnee sowie der Platzzustand gehörten. Und ein Fernsehsender, der die Nachspielzeit bei einer Partie beeinflusst haben soll. In Neapel befand Klopp, dass er viele Dinge sagen könne, die ihn dann aber alle als schlechten Verlierer dastehen lassen würden: "Dabei bin ich nicht unbedingt der beste Verlierer auf der Welt, aber auch kein schlechter."

Und was hielt Neapels Trainer Carlo Ancelotti von alldem? "Von der Bank schien es für mich ein eindeutiger Elfer zu sein, aber ich möchte das Thema nicht diskutieren." Stattdessen sagte Ancelotti in seiner ihm eigenen Gemütsruhe nach dem Spiel zu Klopp: "Keine Sorge. Wenn du in Neapel verlierst, wird es so kommen, dass du am Ende die Champions League gewinnst." So war es Klopp und Liverpool schließlich in der Vorsaison ergangen.

Zur SZ-Startseite
-

Champions League
:Der große Abend des Erling Braut Håland

Nach Jahren des Wartens spielt Salzburg in der Champions League - und sendet mit dem 6:2 gegen Genk ein Signal an die namhafte Konkurrenz. Ein junger Norweger ragt heraus.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: