Liverpool vs ManUnited 5:0:"Die Leute werden lange über das Spiel sprechen"

FC Liverpool: Mo Salah bejubelt ein Tor gegen Manchester United

Drei Tore gegen United: Mo Salah nähert sich stetig seiner Bestform.

(Foto: Oli Scarff/AFP)

Klopp jubelt, Salah trifft dreifach: Der FC Liverpool stürzt das mit einer halbe Milliarde Euro inklusive Ronaldo verstärkte Manchester United in eine tiefe Krise - Trainer Solskjaer steht in der Kritik.

Von Sven Haist, Manchester

Nach seinen drei Toren und dem beginnenden Hype um Mohamed Salah könnte man gerade meinen, dass er in ein paar Tausend Jahren bei seinen Nachfahren einmal ähnliche Faszination auslösen könnte wie Tutanchamun, jener altägyptische Pharao, dessen Grab im Tal der Könige Archäologen einst unversehrt und nicht von Grabräubern geplündert fanden. Als erstem Spieler der Premier League gelang dem ägyptischen Stürmerfilou des FC Liverpool ein Dreierpack beim Erzrivalen Manchester United im Old Trafford. Damit hat er nun mit 107 Toren (und 43 Vorlagen) in 167 Erstligaspielen den unvergessenen Didier Drogba (104/Elfenbeinküste) als afrikanischer Rekordtorschütze auf der Insel abgelöst.

Seine Fans glorifizieren ihn längst in einem Sprechgesang als "ägyptischen König" und halten ihn für ein Weltwunder wie die große Pyramide von Gizeh. Anders wäre es auch kaum zu erklären, dass Salah in zehn Pflichtspielen hintereinander mit teils außergewöhnlicher Raffinesse getroffen hat, darunter gegen Meister Manchester City und Champions-League-Sieger FC Chelsea. Einzig am zweiten Spieltag, beim Heimsieg über den FC Burnley, blieb er in dieser Saison ohne eigenen Treffer. Aber das liegt gefühlt so ewig zurück wie das Schreiben von Rekorden auf Papyrus.

Die Offenbarung löst bei den britischen Medien einen Sturm der Entrüstung aus - Trainer Solskjaer wird in Frage gestellt

Mit seinem Hattrick, der ihm zugleich den Spielball als Erinnerungsstück einbrachte, bestätigte Salah am Sonntag seine Ausnahmestellung im Weltfußball. An ihn ran kommt schon gar kein Akteur aus dem Aufgebot von Manchester United, das momentan höchstens die meisten Spieler im Kader weiß, die jeweils von sich selbst glauben, der Oscar des Fußballs zu sein - und gegen Liverpool auch genauso auftraten.

In einer erschreckend armseligen Darbietung kassierte der Rekordmeister mit einem 0:5 die höchste Heimniederlage seit 1955, als das Team des Trainers Matt Busby damals mit demselben Resultat dem Stadtrivalen City unterlag. Ohne jedes der fünf Liverpool-Tore wirklich gesehen zu haben, dürfte sich das Ergebnis wie ein Schreibfehler lesen. Noch nie in der 126-jährigen Auseinandersetzung der beiden Vereine hatte United vor eigenem Publikum eine höhere Abreibung erfahren.

Die Offenbarung löste bei den Inselmedien einen Sturm der Entrüstung aus. Die Times erkannte eine "totale Demütigung" für United, die Boulevardpresse zielte scharf auf Trainer Ole Gunnar Solskjaer. Am gröbsten ging das Massenblatt Sun vor, das ihn auf dem Titel als "Wally" Gunnar Solskjaer verspottete. Eine böse Anspielung auf den ehemaligen englischen Nationalcoach Steve McClaren, der bei der verpassten Qualifikation für die EM 2008 nach seinem tatenlosen Zusehen im strömenden Regen als Trottel mit dem Schirm ("The Wally with the Brolly") in die Historie einging.

Auf der nächsten Seite forderte die Zeitung die sofortige Abberufung des bei den Fans beliebten Norwegers, weil der nicht die Kompetenz hätte, um den "Eliteklub" zu führen: "Falls United ihn nicht entlässt, sollte er selbst zurücktreten!" Die Kritik fiel auch deswegen vernichtend aus, weil Solskjaer in seiner Verteidigungsrede zwar zugab, dass er sich "am Boden" fühle und die Pleite der "dunkelste Tag" in seiner dreijährigen Tätigkeit in Manchester sei, sich jedoch gleichzeitig überzeugt zeigte, auf dem "richtigen Weg" zu sein.

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Durchgereicht ins Mittelfeld der Tabelle: Manchester United hat in der Liga seit vier Spielen nicht mehr gewonnen - obwohl Trainer Ole Gunnar Solskjaer (rechts) in Cristiano Ronaldo einen der weltweit besten Spieler zur Verfügung hat.

(Foto: Martin Rickett /PA Images/imago)

Nach vier sieglosen Ligaspielen (mit drei Niederlagen) ist Manchester ins Tabellenmittelfeld durchgereicht worden und liegt am neunten Spieltag schon acht Punkte hinter Spitzenreiter Chelsea. Auf der Tribüne schüttelte Alex Ferguson, 27 Jahre lang Uniteds Trainer, entsetzt den Kopf. Vermutlich wäre Solskjaer bei anderen Topvereinen nach einem derartigen Resultat direkt seines Amtes enthoben worden, aber als ehemaliger Ferguson-Zögling steht er offenbar weiter in der Gunst seines einflussreichen Mentors - und profitiert davon, dass der Verein um den zum Jahresende ausscheidenden Geschäftsführer Ed Woodward sich selten zu vorschnellen Entscheidungen hinreißen lässt.

Dieses Vorgehen zeichnete sich bei Solskjaers prominenten Vorgängern José Mourinho und Louis van Gaal ab, die trotz offenkundiger Differenzen mit einigen Spielern erstaunlich lange durch die amerikanische Klubinvestorenfamilie Glazer gestützt wurden. Die Times fragte deshalb: "Können sich die Glazers einen weiteren sich ziehenden Abschied leisten?"

Mit Platz zwei in der Meisterschaft der Vorsaison schloss Solskjaer den Stimmungsumschwung im Verein erfolgreich ab, nachdem ihm sein streitbarer Vorgänger Mourinho damals eine von Zerwürfnissen geprägte Mannschaft übergeben hatte. Doch mit den im Sommer für 140 Millionen Euro geholten Zugängen Cristiano Ronaldo, Raphaël Varane und Jadon Sancho - wodurch die Transferausgaben unter Solskjaer auf knapp eine halbe Milliarde Euro anstiegen - war die Erwartung verbunden, nach acht Saisons endlich wieder um die Meisterschaft spielen zu können.

Die Unzulänglichkeiten fallen umso deutlicher ins Gewicht, wenn auf der anderen Seite das von Jürgen Klopp trainierte Liverpool steht

Allerdings scheitert Solskjaer daran, aus dem Potpourri aus klangvollen Einzelspielern ein Team zu entwickeln, dessen Idee auf mehr gründet als auf einem abwartenden Konterspiel. Entsprechend verhängnisvoll war daher seine Fehleinschätzung, das Team gegen Liverpool plötzlich früh attackieren zu lassen, obwohl die für ein laufintensives Angriffsspiel notwendigen Typen nicht vorhanden sind. Erst recht nicht seit der Rückkehr des 36 Jahre alten Ronaldo, dessen Habitus als Mittelstürmer eher nicht darauf ausgelegt ist, seine Mitspieler in der Defensive zu unterstützen. Prompt fehlte jegliche Abstimmung im Forechecking, die Mannschaftsteile gerieten auseinander und die Abwehr in der Folge in Panik.

Spielend leicht erzielten Naby Keita (5.), Diogo Jota (13.) und Salah (38., 45.+5, 50.) ihre Tore. Wohl aus Frust über den Spielstand und sein erst zur zweiten Halbzeit erfolgtes Mitwirken auf dem Platz holte sich der französische Weltmeister Paul Pogba dazu die Rote Karte ab (60.) - nach einem üblen Tritt ans Schienbein von Keita, der verletzt ausgewechselt werden musste. Die Unzulänglichkeiten des Branchenriesen fallen wohl umso deutlicher ins Gewicht, wenn auf der anderen Seite das von Jürgen Klopp trainierte Liverpool steht. Der bejubelte ein "wahnsinniges Ergebnis" und einen "großen Tag" für seinen Klub: "Die Leute werden lange über das Spiel sprechen, weil so was auf absehbare Zeit, wenn überhaupt, nicht mehr passieren wird."

Als krönender Abschluss gab Mohamed Salah, 29, rund um die Partie bekannt, seine Karriere am River Mersey beenden zu wollen. Sein Vertrag läuft im Juni 2023 aus, eine Einigkeit über sein zukünftiges Salär mit dem Verein gibt es jedoch noch nicht. Natürlich habe er von diesem Vorhaben gehört, freute sich Klopp. Er finde, dass Salah seinen Fußball genieße und hoffe, dass das noch "lange, lange, lange" so weitergehe.

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