Premier League:Liverpool entdeckt den Zynismus

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Jürgen Klopp (l.) mit Sadio Mané. (Foto: Getty Images)
  • Mit drei gelben Karten, einem wegen minimalem Abseits zurückgepfiffenen Treffers für Chelsea und mit zwei eigenen Toren nach Freistößen kontert Liverpool den höchsten Ligaerfolg der Klubhistorie von Manchester City.
  • Durch den sechsten Sieg im sechsten Spiel hält der Tabellenführer den Vorjahresmeister City fünf Punkte auf Distanz.
  • Im Vergleich zum Pokalsieg und den zwei Meisterschaften mit Dortmund profitiert Klopp bei seiner Arbeit in Liverpool davon, dass der Verein in der Lage ist, seine wichtigsten Spieler beisammenzuhalten.

Von Sven Haist, London

Dieses Foulspiel musste sein, daran ließ James Milner keine Zweifel aufkommen. Vier Minuten vor Spielende holte der Mittelfeldmann des FC Liverpool mit einer Grätsche den gegnerischen Innenverteidiger Kurt Zouma von den Beinen. Die rücksichtslose Attacke nahe am Strafraum zog eine gelbe Karte nach sich im Sonntagabend-Topspiel beim FC Chelsea. Für Liverpool war es eine weitere Verwarnung in der zweiten Halbzeit - auch ein taktisches Foul des Abräumers Fabinho und ein Zeitspiel des Rechtsverteidigers Trent Alexander-Arnold bei der Ausführung eines Einwurfs waren zuvor geahndet worden. Am Seitenrand suchte Chelseas in Rage geratener Trainer Frank Lampard das Gespräch mit seinem Gegenüber Jürgen Klopp, um sein Missfallen zu artikulieren. Als Reaktion bekam Lampard ein "Oh, come on!" zu hören - und er sah dazu: das unverwechselbare Klopp-Lachen.

Die drei kassierten gelben Karten an der Stamford Bridge hatten zur Folge, dass Liverpool mit nun fünf Verwarnungen in der Wertung des fairsten Teams der Premier League in dieser Saison erst mal auf den zweiten Platz hinter Leicester City zurückgefallen ist. Diese Fairness-Statistik führten die Reds in den drei vergangenen Spielzeiten mit Abstand an, allerdings lag in der Punktetabelle am Ende Chelsea und zweimal Meister Manchester City vorne.

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Die Königlichen lassen das 0:3 gegen PSG hinter sich. Guardiola und ManCity gelingen acht Tore. Klopp erobert die Stamford Bridge.

Auf der Insel klang daher der Vorwurf an Liverpool durch, nicht abgezockt genug zu sein, wenn es wirklich darauf ankomme im Titelkampf. Am Montag kommentierte der Guardian das dünne 2:1 bei Chelsea so: "Die Realität ist, dass sie ihre mentale Standhaftigkeit behielten. Sie sammelten Verwarnungen, verlangsamten das Tempo, wechselten aus und bahnten sich ihren Weg zum Abpfiff."

Auf maximal zynische Art, also mit drei gelben Karten (so viele wie seit zehn Ligaspielen nicht mehr), mit einem wegen minimalem Abseits zurückgepfiffenen Treffer für Chelsea und mit zwei eigenen Toren nach Freistößen (Alexander Arnold/14. und Firmino/30.) hat Liverpool den höchsten Ligaerfolg der Klubhistorie von Manchester City am Tag davor gekontert. Das Team von Pep Guardiola spielte mit einem überragenden Kevin De Bruyne beim 8:0 den Tabellenletzten Watford an die Wand - letztlich brachte das aber nur genauso viele Punkte ein wie Liverpools knapp gehaltenes 2:1 bei Chelsea.

In der Vorbereitung konnte Klopp den Blick auf Details richten

Die Begegnung erhielt nur Spannung, weil N'Golo Kanté bei seinem Solo zum Anschlusstor für Chelsea (71.) einmal ungehindert durchlaufen konnte. Durch den sechsten Sieg im sechsten Spiel, der aufgrund der überwundenen Barrieren in der hektischen Schlussphase einer Teambuilding-Maßnahme glich, hält Tabellenführer Liverpool den Vorjahresmeister City fünf Punkte auf Distanz. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist aufgrund des Rückstands der restlichen Vereine wahrscheinlich, dass auch diese Saison auf einen Zweikampf an der Spitze zwischen Liverpool und City hinauslaufen wird.

Passend zu seinem 150. Pflichtspiel mit Liverpool und dem bevorstehenden vierjährigen Dienstjubiläum purzelten für Jürgen Klopp die Rekorde. Mit 92 Siegen löste er den bisher letzten Meistertrainer, Kenny Dalglish, ab, dem beim Erreichen von 150 Spielen nur 87 Erfolge gelungen waren. Dazu schafften die Reds erstmals sieben aufeinanderfolgende Auswärtssiege in der Liga, die Gesamt-Siegessträhne stieg auf 15 Partien in Serie an. Drei weitere Siege (gegen Sheffield United, Leicester City und Manchester United) - und die vor zwei Jahren von Manchester City aufgestellte Bestmarke von 18 Siegen hintereinander wäre egalisiert. Diese Statistiken sollen Liverpool als Wegweiser dienen, um nach 30 Jahren endlich wieder die englische Meisterschaft zu gewinnen. Nach dem Triumph in der Champions League würde Klopp damit sein Werk vollenden.

Im Vergleich zum Pokalsieg und den zwei Meisterschaften mit Dortmund profitiert Klopp bei seiner Arbeit in Liverpool davon, dass der Verein in der Lage ist, seine wichtigsten Spieler beisammenzuhalten. Weil die Reds im Sommer keinen einzigen Weggang aus dem Kern des Teams verkraften mussten, konnte der Trainer in der Vorbereitung den Blick weiter auf Details richten. Das zahlt sich aus: Seit Beginn der Vorsaison hat Liverpool zum Beispiel 34 Tore nach Standards erzielt, sieben mehr als jedes andere Team. Im Vergleich zu bisherigen Auseinandersetzungen mit City haben die Reds an Reife zugelegt - und erweisen sich nun als Team, das Spiele multimethodisch gewinnen kann.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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