Sport in der Corona-Krise:Plötzlich boxt Ali gegen Tyson

Boxing Boxeo Muhammad Ali Ali con Don King y su colega Mike Tyson 1988 Foto Archivo Agencia EL; Mike Tyson Don King

Reale Begegnung zweier Größen: 1988 traf Muhammad Ali (l.) den jungen Mike Tyson, zur Freude des legendären Promoters Don King (Mitte).

(Foto: Zuma Press / Imago)
  • Boxen, Autorennen und vielleicht bald Basketball: In Ermangelung echter Sport-Veranstaltungen behilft sich die Branche in den USA mit virtuellen Wettkämpfen.
  • Die Einschaltquoten sind erstaunlich gut und die Zuschauer erhalten bisweilen interessante Einblicke.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich ist das der Boxkampf, den viele sehen wollten, weil sie ja seit Jahren heftig darüber debattieren, wie er wohl ausgehen würde. Und die Leute werden nicht enttäuscht: Gleich in der ersten Runde schickt Muhammad Ali seinen Gegner in den Ringstaub, doch nur einen Durchgang später muss er nach einem mörderischen linken Haken selbst zu Boden. Ali steht auf, lächelt, ein paar Runden später präsentiert er seinen berühmten Rope-a-dope. Er schwebt wie ein Schmetterling, doch er sticht nicht wie eine Biene, jedenfalls nicht an diesem Abend - nach zwölf Runden lautet das gerechte Urteil der Punktrichter: Mike Tyson ist der beste Schwergewichtler der Geschichte.

Ja, richtig gelesen: Der 25 Jahre alte Ali und der 20 Jahre alte Tyson sind gegeneinander angetreten - in einer Computersimulation des Videospiels Fight Night Champion, so ähnlich wie im Film "Rocky Balboa": Der junge Computer-Rocky haut den amtierenden Weltmeister um, weswegen der alte echte Rocky noch einmal in den Ring muss. Der deutsche Box-Promoter Kalle Sauerland hatte die Idee zu diesem virtuellen Turnier der Schwergewichte, bei dem im Lauf der vorigen Woche unter anderem auch der virtuelle Lennox Lewis, der virtuelle Joe Frazier und der virtuelle George Foreman gekämpft haben. "In diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, den Fans ein bisschen Ablenkung zu bieten", sagte Sauerland. Es funktionierte: Mehrere Hunderttausend Leute sahen auf verschiedenen Internet-Plattformen zu.

Die Leute gehen zum Sport, das hat der Fußballtrainer Sepp Herberger mal gesagt, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Derzeit können die Leute wegen der Coronavirus-Pandemie aber nicht zum Sport gehen, und die Veranstalter werden deshalb erfinderisch. Das Boxturnier ist dabei noch eine harmlosere Spielerei, die dennoch spannend war, weil die Zuschauer eben nicht wussten, wie es ausgehen würde. Die US-Rennsportserie Nascar ist noch einen Schritt weiter gegangen, sie präsentierte ihren Fans am vorigen Wochenende ein komplettes Rennen auf dem Texas Motor Speedway, mit allem Drum und Dran. Auf dem TV-Sender Fox Sports sahen knapp eine Million Amerikaner live zu.

Die Zuschauer erhalten bisweilen interessante Einblicke

Die 35 Fahrer saßen dabei nicht in ihren Rennwagen, sondern in Simulatoren. Der Rennfahrer Denny Hamlin hatte sich ein 40 000-Dollar-Gerät ins Wohnzimmer gestellt, um während der Zwangspause an seinen Fähigkeiten feilen und sich an unbekannte Rennstrecken gewöhnen zu können: "Es ist unfassbar realistisch." Der Rundkurs in Texas war bereits vor der Saison gescannt worden, dabei wurden selbst kleine Unebenheiten im Asphalt erfasst. Aus dem Training entstand die Idee, ein paar Rennen zu veranstalten - am Sonntag gewann dann Timmy Hill, von dem die Spötter nun behaupten können, er sei am Simulator talentierter als im Rennwagen. Hills bestes Resultat in der Nascar-Serie war bislang: Platz 38.

Es ging am Ende nicht ganz so ernst zu wie bei wirklichen Rennen, was auch daran zu sehen war, dass Daniel Suarez irgendwann versuchte, seinen Kontrahenten Ty Dillon per Crash vom Asphalt zu subtrahieren - und deshalb augenzwinkernd disqualifiziert wurde. Dafür erhielten die Zuschauer bisweilen interessante Einblicke: Chase Elliot filmte seine Füße und zeigte so, wie ein Rennfahrer seinen Boliden steuert. Michael McDowell erklärte ausführlich die Boxenstopp-Strategie seines Teams, Dale Earnhardt junior beschrieb live ein ungeschicktes Manöver, bei dem er den Zaun touchierte. Die Veranstalter haben sich jedenfalls ziemlich viel Mühe gegeben, das Rennen so realistisch wie möglich daherkommen zu lassen. Wem so etwas gefällt, der dürfte seine Freude gehabt haben an diesem Wettstreit, unter anderem auch deshalb, weil eben niemand wusste, dass Hill gewinnen würde.

Über andere Formen der sportlichen Unterhaltung wird schon nachgedacht

"Es ist manchmal schwierig für Leute wie mich, Sponsoren zu finden", sagte Hill danach: "Vielleicht hilft mir der Sieg dabei, ein bisschen bekannter und damit auch attraktiver für mögliche Sponsoren im wirklichen Leben zu werden."

Die Einschaltquoten waren jedenfalls sehr ordentlich, zum Vergleich: Vor einem Jahr sahen 3,6 Millionen Leute das echte Rennen. Das führt nun dazu, dass bereits über andere Formen sportlicher Unterhaltung nachgedacht wird. Zahlreiche Spieler der Basketballliga NBA halten sich ja in der eigenen Turnhalle fit - wäre es da nicht möglich, einen Slam-Dunk-Contest abzuhalten? Oder könnten die besten Schlagmänner beim Baseball nicht ein Homerun-Derby in Simulatoren abhalten? Und wie wäre es mit einem virtuellen Golfturnier?

All das sind einstweilen aber nur ein paar der Ideen, über die in den USA derzeit spekuliert wird. Sicher ist, dass die Nascar-Fahrer weiterhin virtuell antreten werden und dass auch das virtuelle Boxturnier fortgesetzt wird. In der kommenden Woche soll der beste Mittelgewichtler der Geschichte ermittelt werden, die Teilnehmer sind unter anderem: der virtuelle Marvelous Marvin Hagler und der virtuelle Sugar Ray Leonard.

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