Lisicki bei den US Open:"Der Typ da oben redet andauernd mit ihr"

Lisicki of Germany reacts after losing a point against Sharapova of Russia during their women's singles match at the U.S. Open tennis tournament in New York

Nach dem Aus von Lisicki steht erstmals seit fünf Jahren keine Deutsche bei den US-Open im Achtelfinale.

(Foto: REUTERS)

Sabine Lisicki verliert bei den US Open gegen Maria Scharapowa. Doch nicht, weil die Gegnerin besser gewesen wäre. Die deutsche Tennisspielerin verschenkt zahlreiche Chancen - und diskutiert hitzig mit dem Schiedsrichter.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es gibt in jedem Rennfahrer-Film diesen Moment, in dem die erbitterten Kontrahenten beim wichtigsten Rennen der Saison gleichauf liegen. Sie sehen sich an, kneifen die Augen zusammen, greifen das Lenkrad noch ein wenig fester. In diesem Augenblick ist nicht abzusehen, wer am Ende gewinnen wird. Dann wird einer kurz abgelenkt, er ist für wenige Sekunden unkonzentriert, ihm unterläuft jener Fehler, durch den er verlieren wird. Der andere fährt einfach davon und ist nicht mehr einzuholen.

Bei der Partie zwischen Sabine Lisicki und Maria Scharapowa gab es ebenfalls so einen Moment. Mitte des zweiten Satzes war das, Lisicki lag mit einem Break in Führung, sie sah Scharapowa lange an und marschierte selbstbewusst zu ihrem Stuhl. Plötzlich jedoch wurde sie abgelenkt, sie debattierte mit dem Schiedsrichter darüber, ob Trainer Guillaume Peyre und Freund Oliver Pocher ihr zuvor möglicherweise Zeichen gegeben hätten.

Ja, hatten sie. Peyre und Pocher hatten die Daumen aneinander gehalten und danach ihre Hände flach auseinander geschoben. "Der Typ da oben redet auch andauernd mit ihr", beschwerte sich Lisicki schließlich. Gemeint war Sven Groeneveld, der Trainer von Scharapowa, der nach jedem Ballwechsel etwas in Richtung Spielfeld rief. Ein berechtigter Einwand, nur: Warum ließ sich Lisicki überhaupt auf eine derartige Diskussion ein? Sie war nach verlorenem ersten Satz angekommen in dieser Partie, sie lag mit einem Break in Führung und war dabei, der nun wahrlich nicht souverän agierenden Russin die Kontrolle über diese Begegnung zu entziehen.

Das darauf folgende Aufschlagspiel verlor sie, ohne auch nur einen Punkt für sich zu entscheiden. Und danach gab sie gleich noch einmal ihren Aufschlag ab. "Er dachte, es gab Coaching - doch ich habe nichts gesehen", sagte Lisicki nach der Partie: "Ich habe versucht, eine Lösung zu finden, damit ich meiner Box sagen kann, dass sie nicht mehr machen, was immer sie gemacht haben." Lisicki fing sich zwar wieder, konnte jedoch nicht mehr aufholen und verlor am Ende mit 2:6, 4:6. Sie hat diese Partie nicht verloren, weil die Gegnerin besser gewesen wäre - sie hat sie verschenkt.

Lisicki rettet ihre Gegnerin

Die Diskussion mit dem Schiedsrichter stand dabei symbolisch für diese Partie, in der Lisicki ihre Gegnerin immer wieder in knifflige Situationen manövrierte. Allerdings musste sich die Russin aus diesen Situationen nicht befreien, sondern wurde jeweils von ihrer Gegnerin gerettet. Breakball zu Beginn des ersten Satzes: Lisickis unbedrängte Vorhand erreichte nicht einmal die Netzkante. Noch ein Breakball: Sie verzog die Rückhandhand meterweit. Noch ein Breakball: noch ein leichter Fehler. Scharapowa dagegen nutzte jeweils ihre ersten beiden Breakchancen und gewann mit 6:2.

Im zweiten Durchgang war es ähnlich. Lisicki gelang sogleich ein Break, gleich danach verlor sie ihr Aufschlagsspiel. Sie schaffte noch ein Break und hatte die Chance zu einem weiteren: zwei leichte Fehler. "Es war eine wichtige Erfahrung für mich, aus so einer Partie kann ich viel ziehen", sagte Lisicki: "Ich muss lernen, in gewissen Situationen noch gelassener zu werden." Scharapowa stimmte zu, sie sagte nach der Partie: "Das war eine schwierige Gegnerin, die sehr aggressiv gespielt hat. Ich bin froh, dass ich die wenigen Chancen genutzt habe."

"Es war ein enttäuschendes Turnier"

Tennis: U.S. Open Sharapova vs Lisicki

Eine Runde weiter: Maria Scharapowa

(Foto: USA Today Sports)

Ebenfalls in Lisickis Box saß Bundestrainerin Barbara Rittner. Sie gab keine Zeichen, hatte sich jedoch schon vor der Partie zum Abschneiden der deutschen Frauen bei diesem Turnier geäußert: "Ich habe vorher gesagt, dass es gute US Open wären, wenn ich auch in der zweiten Woche gucken kann. Das haben die drei sicherlich auch von sich behauptet. So gesehen muss man sagen, dass es ein enttäuschendes Turnier war."

Am Nachmittag waren bereits die anderen beiden verblieben deutschen Frauen gescheitert. Angelique Kerber unterlag der erst 17 Jahre alten Schweizerin Belinda Bencic. Nach schwachem Beginn fing sich Kerber, führte im zweiten Durchgang deutlich und hatte insgesamt fünf Satzbälle. In diesen Momenten allerdings agierte Bencic herausragend und vor allem fehlerfrei. "Ich bin natürlich enttäuscht, muss aber auch anerkennen, dass meine Gegnerin sehr gut gespielt hat", sagte Kerber danach: "Insgesamt bin ich mit meiner Saison bislang dennoch zufrieden."

Kurz darauf verlor Andrea Petkovic gegen die Dänin Caroline Wozniaki mit 3:6, 2:6. "Wenn wir ehrlich sind, dann habe ich die letzten drei Wochen schon schlecht gespielt", sagte Petkovic nach der Partie. Sie sei krank gewesen und habe dann vor diesem Turnier panisch versucht, sich in Form zu bringen: "Im Unterbewusstsein bleibt dann diese Gewissheit, nicht komplett fit zu sein. Gegen jemanden wie Wozniaki, die keine Fehler macht, ist es dann schwierig, seine Ruhe zu bringen. Grundsätzlich hätte ich nie erwartet, überhaupt die dritte Runde zu erreichen."

Rittner dagegen muss nun in der zweiten Woche die Partien von Petra Kvitova und Lucie Safarova betrachten, die Gegnerinnen beim FedCup-Finale Anfang November. Ziel ist es, in Prag auf jeden Fall für diesen Moment zu sorgen, mit dem Gegner gleichauf zu liegen - und dann womöglich zu gewinnen. Was Rittner auf jeden Fall schon gesehen hat: Gegen Kvitova und Safarova sollte man nicht allzu viele Punkte verschenken.

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