Süddeutsche Zeitung

Reiterin Lisa Müller:Von wegen Spielerfrau

  • Ihr Sieg im Grand Prix von Stuttgart ist für Lisa Müller, Frau von Fußballer Thomas Müller, auch eine Emanzipation.
  • Sie überzeugt als Dressurreiterin mit einem Pferd von internationalem Format.
  • "Lisa arbeitet sehr hart und konzentriert", sagt ihre Lehrmeisterin Isabell Werth, sechsmalige Olympiasiegerin.

Von Gabriele Pochhammer

"Natürlich waren wir geplättet" - das sagte die Münchner Dressurreiterin Lisa Müller nach ihrem Überraschungssieg auf dem zwölfjährigen Oldenburger Stand by Me im Grand Prix des Stuttgarter Hallenturniers am Wochenende. Es sei schön, einmal die Lorbeeren für die viele Arbeit zu ernten. Der Sieg war nicht nur deswegen spektakulär, weil es für die 30-Jährige ihr erster auf internationaler Bühne war. Er gewinnt an Wert, wenn man bedenkt, wen sie geschlagen hat: drei Olympioniken. Hubertus Schmidt auf Escolar, Ingrid Klimke auf Franziskus, vor allem aber ihre Lehrmeisterin Isabell Werth auf Emilio.

Kein Teilnehmer war in der Schleyerhalle in dieser Prüfung ohne Fehler geblieben, aber die von Lisa Müllers Pferd Stand by Me fielen am wenigsten ins Gewicht: lediglich ein Versehen in den Zweierwechseln und ein paar unsichere Momente. Dagegen standen sensationelle Piaffen, Passagen und die Übergänge zwischen den beiden schwierigen Lektionen, die noch einmal gesondert bewertet werden. Nur wenige Pferde zeigen diese Paradelektionen der hohen Dressur so eindrucksvoll, aber ohne dieses Talent macht heute kein Pferd mehr eine große Dressurkarriere.

Zur Freude über den Sieg im Grand Prix kam noch ein beachtlicher dritter Platz hinter Werth und Schmidt im Grand Prix Special am Sonntag. Hier ließ Werth niemanden vorbei und hatte ihren mächtigen Braunen wieder ganz im Griff. Aber Lisa Müller konnte zeigen, dass der Sieg am Vortag kein Zufall war, sondern vielleicht der erste Schritt zum Aufstieg auf höhere Gipfel. "Lisa hat hier ein Pferd von internationaler Qualität" lobt Bundestrainerin Monica Theorodescu.

Bald sah man schon, dass Lisa Müller eine begabte Reiterin ist

Stand by Me hat Lisa Müller zusammen mit Isabell Werth ausgebildet, die den Schwarzbraunen zu Beginn der Karriere zweimal selbst auf Turnieren geritten hat, um ihm die Angst vor dem Trubel zu nehmen. Jetzt fährt Lisa Müller aus Otterfing in Bayern noch ab und an zu Werth nach Rheinberg, meist kommt ihr Heimtrainer Götz Brinkmann dazu, dann wird die weitere Arbeit besprochen. "Lisa arbeitet sehr hart und konzentriert", sagt Werth über ihre Schülerin, die immerhin zwölf Pferde in ihrem Beritt hat.

Sie alle gehören Lisa und ihrem Ehemann Thomas Müller, dem FC-Bayern-Fußballer, der bei jedem Turnierauftritt, zu dem er seine Frau begleitet, einen Medientrubel hervorruft. Nun endlich wird sie auch von einem großen Publikum nicht nur als Frau eines Fußballers sondern als Reitsportlerin wahrgenommen, wahrscheinlich die wichtigste Nebenwirkung des Stuttgarter Erfolgs.

Lisa Müller hat sich vieles von Isabell Werth abgeguckt in den letzten Jahren. "Sie kann sich auf jedes Pferd einstellen, findet für jedes Pferd einen Weg," sagt Müller. "Mach's mal so, probier' es einfach mal anders aus", sei dann Werths Rat.

Es war ein langer Weg für Lisa Müller, die mit 16 Jahren ihr erstes Pferd bekam und dem Reitsport treu blieb, auch als sie mit nur 20 Jahren den gleichaltrigen Bayernhelden heiratete und damit zu "Spielerfrau" wurde. In den meisten Kreisen nicht nur ein schmeichelhaftes Attribut, dem sie sich immer widersetzte. Ihre reiterliche Karriere ging langsam aber stetig bergauf, von ersten Erfolgen bis hin zum Goldenen Reitabzeichen, das man nach zehn Siegen in der Klasse S bekommt. Aber um oben mitzuspielen, braucht es gute Pferde. Die kosten viel Geld, die Einnahmen eines Fußballprofis sind da durchaus hilfreich.

Ihr erstes internationales Pferd, der heute 16-jährige Dave, wurde von Nicole Casper in den Grand-Prix-Sport gebracht, und konnte alles, als Müller ihn vor sechs Jahren übernahm. Er war ihr Lehrmeister, mit ihm arbeitete sie sich Schritt für Schritt nach vorn. Anfangs sah sie noch aus wie eine dieser jungen Frauen, die mit von anderen gut ausgebildeten Pferden auf Medaillenjagd gehen - aber bald sah man schon, dass hier eine begabte Reiterin im Sattel saß. Denn auch das bravste und teuerste Pferd will geritten werden und macht auf Dauer nichts voll alleine. Mit dem hochtalentierten Stand by Me nahm Müllers Karriere noch mal Fahrt auf.

An diesem Wochenende bei den Munich Indoors wird Müller gegen nicht ganz so starke Konkurrenz ihren Dave satteln, für Stand by Me gibt's jetzt ein Winterpause, dann wird mit Isabell Werth der Turnierplan fürs nächste Jahr besprochen. "Ihr Ziel sollte die deutsche Meisterschaft sein", sagt Bundestrainerin Theodorescu. Dort, im sauerländischen Balve, werden die Plätze für Aachen verteilt, die ganz große Bühne, die Feuertaufe für jeden Reiter. Lisa Müller bleibt Realistin: "Das wäre ein Traum. Aber jetzt heißt es, bloß nicht abheben, sondern schön fokussiert bleiben." Doch wer weiß, vielleicht heißt es ja eines Tages: Thomas Müller? Ist das nicht der Mann der Dressurreiterin Lisa Müller?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4689924
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.11.2019/tbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.