Lindsey Vonn bei der Ski-WM:Kürzeste Party, die Beaver Creek je erlebt hat

2015 FIS Alpine World Ski Championships - Day 2

Auf dem Weg zu Platz drei: Lindsey Vonn.

(Foto: AFP)
  • Lindsey Vonn träumt bei der Ski-WM in Amerika von Gold im Super-G, doch sie wird geschlagen. Es siegt die Österreicherin Anna Fenninger.
  • Damit beendet Vonn den ersten Wettkampf mit dem gleichen Gefühl wie das deutsche Team, das ohne Medaille bleibt.
  • Hier geht's zum Ergebnis der Frauen und zum Liveticker des Super-G der Männer ab 19 Uhr.

Von Thomas Hummel

Als Tina Maze im Zielraum abbremste, prallte sie gegen eine Wand aus Stille. "Die Zuschauer wurden plötzlich alle ruhig", erzählte sie, "aber ich schrie meine innere Freude heraus."

Die Slowenin beendete die wohl kürzeste Party, die der Skiort Beaver Creek je erlebt hat. Nur etwas mehr als eine Minute vor ihr war Lindsey Vonn im Super-G dieser alpinen Ski-Weltmeisterschaft ins Ziel gerauscht. Vonn ist im nahegelegenen Vail zu Hause, es ihre Heim-WM. Seit Kurzem ist sie die Frau mit den meisten Weltcupsiegen der alpinen Ski-Geschichte. Für die Amerikaner steht fest: Lindsey Vonn muss gewinnen, sich ihren American dream erfüllen - und den Leuten eine Party schenken.

Die Feier war dann sehr laut, aber eben auch sehr kurz. Vonn kam mit Startnummer 18, im oberen Streckenabschnitt hatte sie noch überraschend großen Rückstand auf die zu diesem Zeitpunkt führende Cornelia Hütter aus Österreich. Doch sie holte auf und am Ende lag sie elf Hundertstel Sekunden vorne.

Ein monströser Aufschrei der 9000 Zuschauer hallte durch die Bergwelt, im Zielraum ballte ihr Freund Tiger Woods die Faust, die Familie umarmte sich. Vonn jubelte. Doch dann kam Maze.

Die Slowenin bewältigte die Kurven auf der sehr steilen Raptor-Piste noch einmal zwölf Hundertstel schneller, später fuhr die Österreicherin Anna Fenninger mit dem Hauch von drei Hundertstel Vorsprung zu Gold. Vonn wurde Dritte. Nach der Reaktion des Publikums musste man meinen: nur Dritte.

Für die Veranstalter ist Lindsey Vonn das Gesicht dieser Ski-WM. Oder besser gesagt, eines von zwei Gesichtern. Das zweite ist ihr Freund Tiger Woods, ein Weltstar des Sports, Ikone des Golfs. Auf der Videoleinwand im Zielraum wurde Woods gefühlt alle zwei Minuten eingeblendet, wie er da stand mit dicker, schwarzer Sonnenbrille und konzentriertem Ausdruck, als müsste er selbst gleich das 18. Loch beim Masters spielen.

Vonn erzählte vor dem Rennen: "Heute hatte ich viele großartige Erinnerungen an die WM 1999, als ich ein Rutscher war. Ich habe die ganzen Kids gesehen und mich erinnert, wie ich in der exakt selben Situation war. Jetzt bin ich in meiner Heimatstadt und fahre eine WM - das ist etwas, was die meisten nie erleben." Das sind Geschichten, wie sie Amerika liebt.

Rebensburg: "Eigentlich ein gutes Ergebnis"

Dass die Heldin in spe überhaupt antritt, ist ja auch so eine Geschichte. Vonn hatte sich vor zwei Jahren bei der WM in Schladming in eben diesem Super-G schwer am Knie verletzt: Kreuzbandriss und Innenbandriss. Im November darauf riss das Kreuzband erneut, die Olympischen Spiele in Sotschi sagte sie zum Entsetzen des übertragenden US-Fernsehens ab. Doch wieder kämpfte sich die nun 30-Jährige zurück, die WM in der Heimat war Ansporn genug. In dieser Saison gewann sie bereits wieder Rennen.

Es gehört zu Lindsey Vonn dazu, dass bereits ein zweiter Platz der erste Verliererplatz ist. Auch wenn sie nach dem Platz-drei-Rennen versuchte, das Positive zu betonen: "Das Publikum ist vielleicht enttäuscht, ich bin zufrieden mit der Medaille. Passt schon."

Allerdings sprach sie auch die Witterung an, die unübersehbar Einfluss auf das Ergebnis genommen hatte: Wegen eines Sturms musste der Start verschoben und die Strecke verkürzt werden. "Ich hatte starken Gegenwind. Mit diesem Wind hatte ich keine Chance. Es war nicht ganz fair", berichtete Vonn.

Vom Wind betroffen war auch die Deutsche Viktoria Rebensburg. Als sie mit Nummer 10 schon im Starthaus stand, wehte es fast die ersten Tore vor ihr um. Sie wurde zurückgerufen, um die Böe über den Berg ziehen zu lassen, machte noch einmal ihre Skischuhe auf. Erst nach einer mehrminütigen Unterbrechung durfte sie auf die Strecke.

Rebensburg wollte das nicht als Nachteil sehen, sie sei sogar froh gewesen, dass die Jury sie nicht in dem Moment des starken Windes auf die Strecke geschickt habe. Sie fuhr dann auch ein tolles Rennen. Aber eben nicht toll genug, um das erklärte Ziel zu erreichen: eine Medaille. Die einzige deutsche Skifahrerin in der Weltelite wurde mit 78 Hundertstel Rückstand Fünfte.

"Eigentlich ein gutes Ergebnis. Bei einem Weltcup-Rennen könnte man damit zufrieden sein, aber bei einer WM zählen halt nur die Medaillen", erklärte die 24-Jährige. Sie fuhr ein ähnliches Rennen wie Vonn: Oben etwas zaghaft mit ein paar Flüchtigkeitsfehlern, unten herausragend. "Wenn man am Limit fährt, passieren Fehler", sagte Rebensburg, "mir ist halt leider der ein oder andere zu viel passiert."

Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands, wirkte ebenfalls ein wenig angesäuert. "Wenn man es objektiv analysiert, hätte einfach der Mittelteil aggressiver gefahren werden müssen. Da hat sie ein bisschen die Linie verloren, das hat die Konkurrenz ein bisschen besser gemacht." Er weiß, dass allein Rebensburg ihm eine Nach-WM-Debatte über ein viel zu schwaches Frauen-Team ersparen könnte. Nur sie kann eine Medaille holen und der Super-G war eine gute Chance. Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Abfahrt am Freitag, denn im Riesenslalom hat die ehemalige Olympiasiegerin ein bisschen den Anschluss verloren.

"Für die Abfahrt heißt das, dass sie noch mal ein bisschen zulegen muss. Sie darf keine Reserven hinten drauf lassen. Für das Podium muss man auch das letzte Hemd geben", forderte Maier. Dass Veronique Hronek in einem ihrer besten Rennen den guten elften Platz belegte, spielte nur eine Nebenrolle.

In diesem Sinne hatten Lindsey Vonn und die Deutschen am ersten Tag der Ski-WM eines gemeinsam: Irgendwie gut gefahren, aber mit dem Gefühl ins Bett gegangen, dass es besser werden muss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: