Start der Ligue 1:Mbappé ist fort – und jetzt?

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Classique auf Augenhöhe? Olympique Marseille will Paris Saint-Germain im Kampf um den Titel herausfordern. Aber auch Monaco und Lyon wollen oben mitmischen. (Foto: Matthieu Mirville/Imago/Zuma Wire)

Wie werden die französische Liga und der Vorzeigeklub aus Paris ohne ihren bekanntesten Spieler zurechtkommen? Das Fernsehgeld ist schon eingebrochen – aber dafür sitzt in Marseille nun der „Lieblingstrainer der Fußball-Hipster“ auf der Bank.

Von Stefan Galler

Jetzt ist er weg. Der Mann, der in den vergangenen Jahren den Fußball in Frankreich geprägt hat wie kein Zweiter. In acht Jahren wurde Kylian Mbappé siebenmal Meister, in den vergangenen sechs Jahren jeweils Torschützenkönig der Ligue 1 – womit er die historische Marke von Jean-Pierre Papin überbot, der sich zwischen 1988 und 1992 fünfmal hintereinander zum besten Goalgetter kürte. Mbappé wollte keinen achten Meistertitel und sich auch nicht noch einmal die Torjägerkrone aufsetzen. Selbst wenn ihm die katarischen Besitzer von Paris Saint-Germain eine eigene Ölquelle geschenkt hätten oder ein ganzes Emirat (wobei keiner weiß, ob ihm derlei nicht sogar angeboten wurde), hätte er es diesmal durchgezogen. Der 25-Jährige erfüllt sich einen Kindheitstraum und spielt nun für Real Madrid.

Paris Saint-Germain hat innerhalb von zwei Sommertransferphasen alle drei von der französischen Presse als „Außerirdische“ gerühmten Berühmtheiten verloren, Neymar und Lionel Messi 2023, jetzt Mbappé. Und so wird sich zeigen müssen, ob der Hauptstadtklub die Liga weiterhin so dominieren wird, wie er das seit dem Einstieg der Kataris mit Ausnahme der Titelgewinne von Monaco 2016/17 (mit dem damals 17-jährigen Mbappé) und Lille 2020/21 gewohnt ist.

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PSG-Trainer Luis Enrique hat den Testlauf für ein Leben ohne Weltgrößen schon in der vergangenen Rückrunde gestartet, als er seinen wertvollsten Spieler immer wieder auf die Bank setzte. Denn der stolze Asturier wollte von Anfang an nicht der Alleinunterhalter für eine Ansammlung verwöhnter Millionäre sein, sondern ein Team aufbauen, in dem jeder bereit ist, auch Defensivaufgaben zu übernehmen.

Noch fahndet PSG nach einem neuen Mittelstürmer

Luis Enrique verkündete damals vollmundig, Paris Saint-Germain werde „nächste Saison in allen Belangen eine bessere Mannschaft haben: offensiv, defensiv, taktisch“. Das Motto: weniger Bling-Bling, mehr Teamgeist und die Verjüngung des Teams. Letzteres zeigt sich etwa daran, dass Eigengewächs Warren Zaïre-Emery, 18, bereits jetzt eine Führungsrolle zukommt. Die Zugänge João Neves (19, von Benfica), Gabriel Moscardo (18, von Corinthians), Desiré Doué (19, von Rennes) und Willian Pacho (22, von Eintracht Frankfurt), sind ebenfalls allesamt jung. Noch fahndet der Hauptstadtklub nach einem renommierten Torjäger; gut möglich, dass man mit den in der Vorsaison nicht immer überzeugenden Mittelstürmern Goncalo Ramos und Randal Kolo Muani in die Saison geht.

Die große Frage ist, ob PSG nach Jahren der Dominanz diesmal zu packen ist. Vielleicht schlägt die Stunde von Olympique Marseille, das zuletzt in einer Chaos-Saison mit zwei Trainerwechseln zwar bis ins Halbfinale der Europa League vorstieß, jedoch in der Liga nur Rang acht erreichte und den internationalen Wettbewerb verpasste. Wegen der geringeren Belastung könnte das womöglich ein Vorteil im Kampf um die kommende Meisterschaft sein.

Hoffnungsträger in der Provence: Trainer Roberto De Zerbi wechselte von Brighton nach Marseille. (Foto: Gkyn Kirk/AFP)

Präsident Pablo Longoria hat mit Berater und Ex-Bayern-Profi Mehdi Benatia den großen Coup gelandet: Sie holten als neuen Trainer Roberto De Zerbi aus Brighton, an dem sie alle dran waren: Barcelona, Bayern, Manchester United. Der „Lieblingstrainer der Fußball-Hipster“ (L’Équipe) erhielt einen hoch dotierten Dreijahresvertrag – bemerkenswert für einen Verein, bei dem in den vergangenen gut drei Jahren neun verschiedene Übungsleiter auf der Bank saßen.

De Zerbi hat einen großen Trainerstab um sich, besitzt bei Transfers weitgehend Entscheidungsfreiheit. Auf die Frage, ob es möglich sei, mit PSG zu konkurrieren, sagte der Italiener der L’Équipe am Mittwoch: „Das ist unser Traum. Wann es so weit ist, weiß ich nicht. Aber natürlich ist es mein Anspruch, sonst kommt man nicht zu OM.“

Marseille geht mit einem runderneuerten Kader in die Saison. Während es etwa Nationalspieler Jonathan Clauss nach Nizza und den früheren Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang nach nur einer Saison in Südfrankreich nach Saudi-Arabien zu Al-Qadsiah zog, wurde Prominenz verpflichtet, darunter Routinier Pierre-Emile Höjbjerg von Tottenham. Mehr als 50 Millionen Euro investierte der Klub in das neue Sturmduo Elye Wahi (Lens) und Mason Greenwood, der nach Vergewaltigungsvorwürfen und vorübergehender Inhaftierung bei Manchester United seit Januar 2022 kein Spiel mehr bestritten hatte und in der abgelaufenen Saison an Getafe in Spanien verliehen wurde.

Olympique Lyon und Adi Hütters AS Monaco zählen zum erweiterten Favoritenkreis

Neben PSG und Marseille werden mehreren Klubs Chancen auf den Titel eingeräumt: Olympique Lyon, wo Interimscoach Pierre Sage zum Chef befördert wurde, nachdem er den siebenmaligen Meister als bestes Rückrundenteam von einem Abstiegsplatz noch in die Europa League geführt hatte. Und die AS Monaco, die mit einem 3:0-Testspielsieg beim FC Barcelona zuletzt für Aufsehen sorgte. Trainer Adi Hütter belegte mit dem Team aus dem Fürstentum in der Vorsaison hinter PSG Platz zwei, der Kader wurde weitgehend zusammengehalten, man holte unter anderem den deutschen Nationalspieler Thilo Kehrer von West Ham United dazu.

Was ist sonst noch wichtig? Der frühere Rekordmeister AS Saint-Étienne, einer der populärsten Klubs der Republik, kehrte nach zwei Jahren ins Oberhaus zurück. Und die Ligue des Talentes macht ihrem Slogan weiterhin alle Ehre: Alleine diesen Sommer wechselten Leny Yoro (von Lille zu Manchester United), Khéphren Thuram (von Nizza zu Juventus), Jean-Clair Todibo (von Nizza zu West Ham), Enzo Le Fée (von Rennes zu AS Rom), Jeanuël Belocian und Martin Terrier (beide von Rennes zu Leverkusen) für viel Geld zu größeren Klubs.

Apropos Geld: Davon haben die 18 Erstligisten künftig weniger in der Kasse, weil der neue Fernsehvertrag nach zuletzt 633 Millionen nun nur noch 500 Millionen Euro pro Saison einbringt – eine Milliarde jährlich hatte man ursprünglich anvisiert. Da heißt es für einige Klubs wohl künftig Vittel statt Champagner. Dass ausgerechnet die amerikanische Fast-Food-Kette McDonald’s im Land der Gourmets der neue Namenssponsor der höchsten Spielklasse ist, passt irgendwie ins Bild.

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