2. Liga: TSV 1860 München:Stelldichein bei Spargelsuppe

Streit? Welcher Streit? Der TSV 1860 München ist beim 2:1 gegen den KSC um ein harmonisches Miteinander bemüht. Beim Besuch von Investor Hasan Ismaik in der Arena menschelt es medienwirksam - die Querelen der vergangenen Tage sollen vergessen gemacht werden. Doch die Fans scheinen noch längst nicht vom neuen Geldgeber begeistert.

Jonas Beckenkamp, Fröttmaning

Der Himmel über der Münchner Arena öffnete seine Schleusen, als Vereinspräsident Dieter Schneider in Sakko und Schal gehüllt den Rasen betrat. Es nieselte aus bedrohlich grauen Wolken. Als habe das Wetter die Stimmungslage beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München wiedergeben wollen.

1860 München - Karlsruher SC

Hasan Ismaik (rechts), Investor beim TSV 1860 München, gemeinsam mit dem Vereinspräsidenten Dieter Schneider (links) und Vize-Präsident Franz Maget beim Spiel gegen den KSC am Samstag in München.

(Foto: dpa)

Der Verein befindet sich nach den Querelen um das Engagements des Investors Hasan Ismaik wieder einmal in stürmischen Zeiten. Der Jordanier steht unter Verdacht, seine Macht über Gebühr auszudehnen. Dieter Schneider soll deshalb kurz vor dem Rücktritt gestanden haben. Entsprechend mühevoll war es für ihn, den anwesenden Fernsehreportern zu erklären, dass dem TSV nun eine erfolgreiche Zukunft bevorstehe.

Der Mannschaft war in dieser Hinsicht kein Vorwurf zu machen. Das Team von Trainer Rainer Maurer mühte sich zu einem 2:1 (1:1) gegen den Karlsruher SC und sorgte damit für ein mildes Zwischenhoch. Der Sieg trug einen Teil dazu bei, nach der Wahl Ismaiks zum neuen Chef des Aufsichtsrats ein weiteres positives Signal zu senden. Frei nach dem Motto: Genug geredet, jetzt zählt wieder der Sport.

Entsprechend erleichtert zeigten sich anschließend die mittelbar Beteiligten. "Spielerisch haben wir sicher noch Luft nach oben, aber die Sicherheit kommt mit jedem gewonnenen Punkt zurück", erklärte Sportdirektor Florian Hinterberger. Nicht nur er offenbarte, dass die Turbulenzen um die Klubführung nicht spurlos an den Spielern vorbeigegangen waren. "Hätten wir heute nicht gewonnen, dann hätte es wieder gebrannt", sagte Stefan Aigner, der in der 56. Minute per Kopf den Siegtreffer erzielt hatte. Der Mittelfeldmann berichtete auch davon, dass das Team "zuletzt nicht unbedingt mit großen Selbstbewusstsein bestückt war".

Diplomatisch heikler Besuch

Tatsächlich hatten die Sechziger das Spiel gegen den KSC nervös begonnen. Und als Christoph Schindler mit dem Führungstreffer für Sicherheit hätte sorgen können (35.), ließ 1860 zwei Minuten später den Ausgleich zu. Weil eben jener Schindler sich auf der linken Seite den Ball durch die Beine spitzeln hatte lassen. Woraufhin sein Teamkollege Dominik Stahl den KSC-Stürmer Marco Terrazzino umsenste - und kurz darauf mit ansah, wie Alexander Iashvili per Elfmeter zum 1:1 traf (37.).

Beinahe interessanter war jedoch das Gebaren des Immobilien-Millionärs und 1860-Retters Ismaik, der sich vor der Partie der Mannschaft beim Mittagessen vorgestellt hatte. Mit einem "kurzen Hallo auf lockere und witzige Art", wie Sportdirektor Hinterberger betonte. "Sehr positiv" empfand auch Mittelfeldspieler Dominik Stahl den diplomatisch heiklen Besuch - die Deutsche Fußball-Liga verbietet allzu große Einflussnahme von Investoren auf den Klub - und versicherte, Ismaik habe betont, es sei für ihn "eine große Ehre, an diesem Projekt teilzunehmen".

Begafft wie ein Tier im Zoo

Die Presseschar reagierte auf ihre Weise auf den ersten arabischen Geldgeber im deutschen Fußball. Sie bestaunte, wie sich der Jordanier - gewandet in einen dunklen Blouson und ein legeres Streifenshirt - zunächst einen Teller Tomate mit Mozarella genehmitgte, ehe er zu Spargelsuppe überging. Die kulinarischen Details schienen plötzlich wichtig zu sein. Durch die Glasscheibe des VIP-Bereichs wurde Ismaik begafft wie ein seltenes Tier im Zoo.

Ismaik selbst nahm die enorme Aufmerksamkeit gelassen hin - er wollte offenbar zeigen, dass sich die Wogen geglättet haben. Zum gewünschten Bild neuer Harmonie gehörte auch, dass er sich während des Spiels einträchtig neben Präsident Schneider und Vize Franz Maget setzte und fröhlich jubelte - ganz so, als sei er längst mit der viel zitierten Seele des Vereins vertraut.

Über das Gesehene hatte der Jordanier dann auch nur Positives zu berichten: "Der KSC war ein harter Gegner, aber unsere Spieler sind schneller gerannt. Es war eine tolle Begegnung." In etwas holprigem Englisch fügte er an, es sei "schade" gewesen, dass "unsere Nummer elf die Chance zum 3:1 nicht genutzt hat." Gemeint war Benjamin Lauth, der in der 75. Minute freistehend die Vorentscheidung vergeben hatte. Sportdirektor Hinterberger bog jedoch auch diesen Anflug von Kritik um, indem er sagte, Ismaik könne "in Zukunft durchaus öfter" auf der Tribüne sitzen. "Er war jetzt zweimal da und beide Male haben wir gewonnen."

Dass an diesem menschelnden Nachmittag doch noch etwas von den gravierenden Unstimmigkeiten beim TSV 1860 zu Tage trat, lag an den Anhängern. Sie schienen die versuchten Eingriffe in das empfindliche Innenleben ihres Klubs durch den Investor und seine Gefolgsleute nicht vergessen zu haben und verhielten sich zunächst auffällig ruhig. Die Ultras der "Cosa Nostra" verzichteten gar ganz auf aktives Anfeuern, während Mitte der zweiten Halbzeit ein Spruchband in der Fankurve ausgerollt wurde. Die Aufschrift: "Wer sich in Dinge einmischt, die einen nichts angehen, wird Dinge hören, die einem nicht gefallen."

Niemandem sonst gelang es, die allgemeine Gefühlslage - trotz aller Friedensbekundungen - treffender zu formulieren. Die Skepsis gegenüber dem Retter und seinen Millionen dürfte noch eine Weile anhalten - zumindest so lange, bis 1860 München dauerhaft erfolgreich ist.

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