2. Liga: 1860 München:Zorn im Kulturzentrum

Beim Treffen der Fußballabteilung des TSV 1860 München entlädt sich die Wut der Fans gegen die Rettung mit Hilfe des FC Bayern. Auf das Servicecenter des FCB gab es einen Farbbeutelanschlag.

Markus Schäflein

Das Kulturzentrum in Milbertshofen war überfüllt, Sitzplätze gab es längst nicht mehr, viele Gäste mussten im Vorraum stehen. "Mit diesem Andrang hatten wir nicht gerechnet, als wir den Saal gemietet haben", sagte Abteilungsleiter Robert Reisinger. 17.461 Mitglieder hat zwar die Fußballabteilung des TSV 1860 München, doch bei der vergangenen Abteilungsversammlung waren nur 140 erschienen. Die Abteilung ist zuständig für den Nachwuchs (U10 bis U17), die meisten Mitglieder sind Fans. Diesmal drängten sich aufgrund der aktuellen Lage 500 Personen im Saal, teilweise musste der Sicherheitsdienst die Türen schließen.

Unternehmer Dieter Schneider neuer 1860-Präsident

Wurde noch glimpflich behandelt: 1860-Präsident Dieter Schneider.

(Foto: dpa)

Worum es gehen würde, zeigte sich schon auf dem Weg von der U-Bahn-Station zum Saal: um die Sanierung des TSV und um die Rolle, die der FC Bayern dabei spielen soll. Die Petition gegen eine Rettung der Profifußball-KGaA und für einen Neustart des Vereins in der Bayernliga waren im Untergeschoss und entlang der Straße vielfach plakatiert und fast genauso oft wieder weggerissen worden; "Sechzig: Lieber pleite als rotes Geld" prangte von den Zeitungskästen, "FC Bayern III" stand auf einem Plakat. In der Halle regierte der wütende Mob; als Reisinger bekannt gab, dass KGaA-Geschäftsführer Robert Schäfer abgesagt hatte, tobte die Masse, derbe Beleidigungen hallten durch den Saal.

Gekommen war hingegen 1860-Präsident Dieter Schneider - als er erschien, wirkte er noch erstaunlich gelassen, er wurde sogar mit freundlichem Applaus empfangen. Reisinger heizte die Stimmung vorab an - mit Klagen über die KGaA und über die Bayern, die die Löwen-Junioren angeblich beim Kindergeburtstag besuchen und mit Geschenken abwerben würden. Dann trat Schneider aufs Podium.

"Es ist natürlich ein bisschen schwer, in dieser aufgeheizten Stimmung mit vernünftigen Argumenten ein bisschen Sachlichkeit reinzubringen", sagte er, "die Sprechchöre - wir sind Löwen und ihr nicht - tun mir ein bisschen weh."

"Was fehlt diesem Verein?"

Schneider wurde von der Basis noch relativ glimpflich behandelt, seiner Argumentation, er sei auch ein echter Löwe, folgten die meisten noch. Die Wut ließen sie an Vizepräsident Franz Maget aus, als Politiker per se verdächtig, doch kein so echter Löwe zu sein. "Die Vereinsführung ist dazu verpflichtet, auch schon rechtlich, die Insolvenz zu verhindern", sagte Maget, "wir haben Verträge mit Angestellten und Spielern."Dieses zentrale Argument ließ Maget allerdings nicht lange wirken, stattdessen schob er nach: "Diesen Beitrag, den der FC Bayern angeblich zur Sanierung leistet, glaubt den bitte nicht." Das erzürnte die Massen erneut, rotes Konfetti flog durch die Luft.

Bei 1860 nehmen die Emotionen zu (dazu passt die Meldung, dass in der Nacht auf Samstag ein Beutel mit blauer Farbe auf das Servicecenter des FCB geworfen wurde). Jene, die 1860 lieber als Zweitligist sehen wollen, erschienen an diesem Nachmittag jedoch nur vereinzelt; einer traute sich ans Mikrofon und brüllte gegen die Buhrufe an. "Was fehlt diesem Verein? Es fehlt Tradition, Identifikation, Vision und Strategie", sagte Roman Beer, Vorsitzender des Vereins Freunde des Sechzger Stadions. "Wenn ich den Marktführer nicht angreifen kann, muss ich mir eine Nische suchen."

Er nannte wieder einmal St. Pauli und Union Berlin als Vorbilder - und natürlich ist auch für ihn die Arena die Wurzel allen Übels. "Wenn sie aus ideologischen Gründen nicht in die Arena gehen wollen, ist das ihre Entscheidung", sagte Schneider zum Abschluss, "wir haben jedenfalls Bedingungen ausgehandelt, dass die Arena wirtschaftlich keine Blockade bei der Sanierung mehr sein wird."

Wie viele bei einer Rettung wirklich den 1860-Spielen fernblieben, ist freilich offen. "Das mag so sein, ob diese Abstimmung mit den Füßen kommt", sagte Schneider, "aber das sind alles Spekulationen." Eines indes ist sicher: "Natürlich beobachten unsere Gesprächspartner genau, wie die Fanszene reagiert", berichtete der Präsident, "wenn es militant wird, erschwert das die Gespräche natürlich." Bis Mitte der Woche wird 1860, das verriet Schneider, wohl doch brauchen, um die angestrebte Rettungsaktion des Klubs zu organisieren.

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