Lido Azzurro:Deutschlands Korea

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(Foto: SZ)

Seit 1966 zittert Italien nach dem Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft in England vor den Lumpenbällen des Nordkoreaners Pak Doo-ik. Nun erlebt auch die deutsche Nationalmannschaft "una corea" gegen das engagierte Team aus dem Süden.

Von Birgit Schönau

Puh. Jetzt erstmal sacken lassen. Ein bisschen verdauen. Und dann, cari amici, geht das Leben weiter. Mal verliert man, mal gewinnen die anderen. Mehr ist ja nicht passiert. Wir wissen, wie das ist, ganz ernsthaft und ganz ohne Schadenfreude. Wenn bei uns eine ganz schlimme Niederlage evoziert werden soll, ob im richtigen Leben oder im Fußball, so reden wir von: "una corea". Ein Korea, das ist im Italienischen das Synonym für so eine richtige Klatsche. Die größtmögliche Niederlage, die bitterste Demütigung: ein Korea.

Das ist so, seit 1966 die Azzurri bei der Fußball-Weltmeisterschaft in England der Amateurmannschaft aus Nordkorea unterlagen und aus dem Turnier ausscheiden mussten. Die Koreaner gewannen damals 1:0, der Torschütze war Pak Doo-ik, ein Name, der noch heute mit einem ähnlich ehrfürchtigen Gruseln ausgesprochen wird wie in Westdeutschland der von Jürgen Sparwasser. Nur dass Sparwasser nicht mit Lumpenbällen kicken gelernt hatte, wie Pak Doo-ik, der nach dem Siegtor gegen den Klassenfeind aus Italien im nordkoreanischen Heer zum Offizier befördert wurde. Später wurde er Sportlehrer.

Damit nicht genug, liebe Deutsche! Es gibt ja bekanntlich zwei Koreas, die jeweils für "una corea" sorgen können, und so stießen die Azzurri im Jahr 2002 auf Südkorea. Im WM-Achtelfinale hatten die Koreaner diesmal einen Helfershelfer aus Ecuador - den Schiedsrichter Byron Moreno. Der annullierte ein reguläres italienisches Tor, stellte Francesco Totti als angeblichen Simulanten vom Platz und sorgte dafür, dass schließlich Südkorea 2:1 gewann.

Den Siegtreffer, ein Golden Goal in der 117. Minute, verabreichte Ahn Jung-hwan, der damals in Italien beim AC Perugia spielte und nur Minuten nach dem Schlusspfiff von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen wurde. Mit der Begründung: "Für uns hat dieser Mensch ein Jahr lang kein Tor gemacht, und bei der WM kegelt er Italien raus!" Byron Moreno wurde kurz darauf in Ecuador wegen Spielmanipulationen gesperrt, und als das FBI ihn auch noch auf dem New Yorker Flughafen mit sechs Kilo Heroin schnappte, kam der Ex-Schiedsrichter hinter Gitter. Der Korea-Fluch.

Ein schwacher Trost, gewiss, jetzt, wo auch Deutschland sein Korea erlebt. Aber seht es doch mal so: Es ist Sommer, und die Welt voller Verheißungen. Vergesst Russland und kommt zu uns! Willkommen am Lido, hier guckt keiner Achtelfinale. Stattdessen können wir uns kaum entscheiden zwischen lauter Festen und Gelagen. Fest des Sommertrüffels. Spanferkeltreffen. Schneckenschmaus. Gnocchi mit Ochsenfleischsauce, alles im Umkreis von zehn Kilometern. Und dann, just am Sonntag, großes Krippenfest im Nachbardorf! Warum auch nicht, man kann nicht früh genug an Weihnachten denken. Bei der Weihnachts-WM wie beim Gnocchi-Verputzen sind wir Deutsche und Italiener Dauerweltmeister.

Gigi und Zlatan lassen übrigens auch grüßen. Sie würden jetzt zu gern den Kumpel Toni an den Lido einladen, und der könnte auch den Thommi und den Mats mitbringen. Beach Soccer mit den Deutschen - ein italienischer Sommernachtstraum.

© SZ vom 29.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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