Libyen und der italienische Fußball:Zittern um die Petrodollars

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Ein Gaddafi-Sohn als gedopter Serie-A-Profi, ein Ligapokal-Spiel in Tripolis: Die Unruhen in Libyen betreffen auch Italiens Fußball, besonders Juventus Turin ist eng mit den Gaddafis verstrickt.

Birgit Schönau

Weil ein Unglück selten allein kommt, hat Juventus am Samstag auch noch eine historische Niederlage kassiert. Zu Hause 0:2 vom FC Bologna besiegt zu werden (mit zwei Toren von Marco Di Vaio), das war in den letzten 31 Jahren nicht vorgekommen, damals spielte Juve-Präsident Andrea Agnelli noch im Sandkasten. Am Sonntag erwachte Agnelli, der noch vor Tagen die markige Losung ausgegeben hatte, gefälligst bis Saisonende alle Spiele zu gewinnen, als Tabellensiebter.

Erinnerungen an das Jahr 2002: Al-Saadi Gaddafi (re.) posiert mit Juve-Idol Alessandro Del Piero (li.) für das Siegerfoto des Supercups. (Foto: REUTERS)

Am Montag schon erwartet ihn im Verwaltungsrat der Juventus AG der nächste Angstgegner: Muammar al-Gaddafi. Natürlich werden weder der Oberst noch die Abgesandten der Lafico (Libyan Arab Foreign Investment Company) anwesend sein, aber das bedeutet nur, dass man sie umso stärker zur Kenntnis nehmen muss.

Seit zehn Jahren ist Gaddafis Lafico mit 7,5 Prozent an Juventus beteiligt. "Stets haben unsere Partner alle operativen Entscheidungen unterstützt", sagt der Turiner Unternehmenssprecher Marco Re, "aber jetzt weiß niemand, was aus der Beteiligung von Lafico wird." Die Aktie hat erwartungsgemäß nachgegeben, wenn auch nicht dramatisch. Schwerer wiegt der Anstieg der Benzinpreise, das wird mittelfristig auch das Juve-Mutterunternehmen Fiat treffen.

Jahrelang hatte Gaddafi geprahlt, bei Juventus stärker einsteigen zu wollen, jetzt sind sie in Turin heilfroh, dass dieser Deal nicht zustande kam. Genauso wie sie in Rom aufatmen, dass das libysche Angebot für den AS Rom nur ein Gerücht war, gestreut von einem politischen Verbündeten des postfaschistischen Bürgermeisters Gianni Alemanno, der verhindern wollte, dass die Roma an "richtige Ausländer" verkauft würde - eine Investorengruppe aus den USA, die sich von einem ehemaligen Mussolini-Fan nicht dreinreden lässt.

Begierig wurde das Gerücht von den römischen Radiosendern aufgesogen und verbreitet, es klang umso glaubhafter, als die Libyer schon Anteile an der Großbank Unicredit halten, die als Gläubigerinstitut die Verkaufsverhandlungen leitet.

So barmten sie in Rom um Gaddafi, genauso wie vor Jahren die gesamte zweite Liga Schlange gestanden hatte, um von den libyschen Ölmilliarden ein paar Brosamen für ihre siechen Vereine zu erhaschen. Damals hatte die Triestina aus Triest das Rennen gemacht, 33 Prozent übernahmen die Libyer, allerdings blieben die ganz großen Investitionen aus. Heute ist die Triestina der erste Klub Europas, der eine ganze Fantribüne gesperrt hat. Anstatt der echten Zuschauer ist nur noch eine riesige Plastikplane mit Fotos der Fans zu sehen, pflegeleicht und abwaschbar.

Man könnte also sagen, dass Auftauchen und Verschwinden des bizarren Tyrannen in der Fußballwelt der ehemaligen italienischen Kolonialmacht einhergehen mit der irrsten Phase des calcio und mit seinem offenkundigen Niedergang. Als Italien noch über die durchgeknalltesten Fußballbosse des Kontinents verfügte, da schaffte es der Gaddafi-Sprößling Al-Saadi sogar, sich als Profi anheuern zu lassen.

Der Alte öffnete seine Portokasse, und schon durfte der Sohnemann kicken, wenn schon nicht bei seinem Lieblingsverein Juventus, so doch wenigstens im Provinzklub AC Perugia. Dort herrschte der ehemalige Straßenbahnfahrer Luciano Gaucci als Fußballpräsident, ein leidenschaftlicher Lottospieler, der angab, mit den Glücksspielgewinnen seinen Verein zu finanzieren.

Libyen: Gaddafi-Clan
:Das Ende der Macht - und einer Familie

Das libysche Regime bricht unter den Aufständen zusammen - und mit ihm der Gaddafi-Clan. Die Kinder des Despoten sind für ihren extravaganten Lebensstil bekannt. Manch einer genoss die Vorzüge der Macht im Ausland, zum Teil auch in Deutschland.

Gaucci bereitete Gaddafi junior einen märchenhaften Empfang in einem Schloss, dieser reiste mit eigenem Hubschrauber und sechs Leibwächtern zu den Auswärtsspielen von Perugia, um dann brav auf der Bank Platz zu nehmen. Nach Monaten wurde er endlich gegen Juventus für 15 Spielminuten eingewechselt - und beim anschließenden Dopingtest positiv getestet. Das war's dann in Perugia, Gaddafis Spielerkarriere klang lautlos aus bei Udinese Calcio.

Auch der damalige Ligapräsident Adriano Galliani (li.) plauderte mit dem gutgelaunten Diktatorensohn. Der hatte eine kurze Fußballerkarriere in Perugia. (Foto: REUTERS)

Präsident Gaucci aber entfloh dem Würgegriff der italienischen Finanzpolizei in die Dominikanische Republik, von dort kommentierte er telefonisch die Geschehnisse in Libyen. In der Gazette Il Riformista hielt Gaucci eine Lobrede auf seinen "echten Freund Muammar", einer muss es ja machen. "Es tut mir Leid, dass er im Moment solche Probleme hat, ich hoffe, ihm geschieht nichts Böses."

Man habe sich in der Wüste kennengelernt, "ein freundlicher Mann, voller Gastfreundschaft und Respekt. Wir haben uns umarmt und lange miteinander gesprochen." Wer Gaucci kennt, fragt sich: in welcher Sprache, schließlich beherrscht der Mann nur den Dialekt der südlichen Stadtteile Roms, aber egal.

In Santo Domingo kann man in jeder Sprache der Welt Geschichten aus 1001 Nacht erzählen, zum Beispiel diese: "Als ich Al-Saadi zu mir holte, träumte ich davon, damit die Beziehungen aller Mittelmeerstaaten zu verbessern." Später wollte Gaucci auch die Deutsche Birgit Prinz für sein Männerteam anheuern, was er damals geträumt hat, wollen wir lieber nicht wissen.

So begehrt waren Gaddafi und sein Geld, dass 2002 sogar das Match um den Ligapokal in Tripolis ausgetragen wurde, der AC Parma und Juventus lieferten sich eine Partie Beach Soccer auf grüngefärbtem Wüstensand, und mittendrin lief ein Geraune um die Ränge, das Spiel sei sofort abzubrechen, weil es dem Diktator nicht gefalle. Al-Saadi als Präsident des libyschen Fußballverbandes verhinderte das Schlimmste, und Juventus gewann 2:1.

Jetzt zittert nicht nur die Juve um die Petrodollars. Auch der Erzrivale Inter Mailand ist indirekt von Gaddafi abhängig. Erst vor wenigen Tagen, als in Libyen schon der Bürgerkrieg tobte, trat Vizepräsident Marco Tronchetti Provera, Chef des Hauptsponsors Pirelli, von seinem Posten im Aufsichtsrat des Staatsfonds Lia zurück. Inters Patron Massimo Moratti bezog im vergangenen Jahr nicht weniger als 5,4 Millionen Tonnen Rohöl aus Libyen - die Morattis sind mit ihrem Unternehmen Saras der größte italienische Petrollieferant, der Löwenanteil stammt aus Gaddafis Reich.

Dass wenigstens Tamoil als Trikotsponsor bei Juventus und Atalanta Bergamo schon länger ausgedient hat, ändert nichts an der bitteren Erkenntnis: Gaddafi hat unter Verletzung sämtlicher Menschenrechtskonventionen nicht nur Italien und Europa die Flüchtlinge vom Hals gehalten. Sein Geld trug auch maßgeblich dazu bei, dass die Fußballshow im Circus Italia weitergehen konnte.

© SZ vom 28.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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