Holstein Kiel:Bruchweg-Boy am Scheideweg

Hamburger SV v RB Leipzig - Bundesliga

Keine glückliche Zeit: Lewis Holtby war von 2014 bis 2019 im Trikot des Hamburger SV

(Foto: Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Lewis Holtby galt als großes Talent und war Teil eines legendären Mainzer Trios. Nach schwierigen Jahren beim HSV und in England startet der Mittelfeldmann jetzt mal wieder neu - beim kriselnden Zweitligisten Holstein Kiel.

Von Thomas Hürner

Manchmal reicht es, wenn auf dem Smartphone eine Transfermeldung aufploppt, um Freunde des gepflegten Ballsports in minutenlange innere Monologe zu stürzen. Üblicherweise beginnen diese mit einer Feststellung und einer unausweichlichen Anschlussfrage: Holla, die Waldfee, den gibt's ja auch noch - wo hat der denn all die Jahre gesteckt? Damit ist der Monolog aber noch nicht beendet, die Meldung will ja noch interpretiert und in einen historischen Kontext eingebettet werden, was dann häufig in etwa so klingt: Mensch, der war mal so ein Guter, der hätte es doch sicher zu mehr bringen können - wann und wo ist dieser talentierte Fußballer gleich noch mal falsch abgebogen? Kam der Wechsel auf die Insel damals zu früh? Nein, halt, der hat doch auch mal beim Hamburger SV gespielt. Klar, das wird's gewesen sein: Er hat beim HSV gespielt!

Am Dienstagnachmittag dürften Fußballfreunde mal wieder in ihren Gehirnwindungen gestöbert haben und dabei auch auf halbrichtiges Halbwissen gestoßen sein, ehe sie sich auf Spurensuche in den einschlägigen Datenbanken begaben. Die Nachricht war ja wirklich ein geeigneter Anlass: Lewis Holtby, 30 Jahre alt - erst, wie man aufgrund seiner bewegten Vita zu sagen geneigt ist -, wechselt ablösefrei zum Zweitligisten Holstein Kiel, nachdem sein Vertrag beim englischen Zweitligisten Blackburn Rovers ausgelaufen war. Er freue sich "wahnsinnig darauf", nun an der Förde zu spielen, wird der Mittelfeldmann in einer Klubmitteilung zitiert. Und um gleich die aufgekommen Fragen zu beantworten: Ja, der Wechsel auf die Insel zum englischen Spitzenteam Tottenham Hotspur kam vermutlich etwas zu früh für Holtby. Und ja, die Zeit später beim HSV hat ihm vermutlich auch nicht sonderlich gut getan. Doch der Reihe nach.

Holtby wurde in Mainz von einem gewissen Thomas Tuchel trainiert

Erstes Aufsehen erregte Holtby als führendes Bandmitglied der sogenannten "Bruchweg-Boys", von denen sie sich in Mainz noch heute viel erzählen. Zusammen mit den Angreifern André Schürrle und Adam Szalai bildete Holtby in der Saison 2010/2011 eine Achse der Jungspunde, die mit ihren aberwitzigen Offensivkombinationen die Liga verzauberte. Wild, dynamisch, sogar ein bisschen archaisch sah der Fußball aus, den der damalige Mainzer Trainer spielen ließ: ein gewisser Thomas Tuchel, der sich seit ein paar Monaten Champions-League-Siegercoach nennen darf.

Nach nur einer Saison lösten sich die Bruchweg-Boys wieder auf. Holtby ging zurück zum FC Schalke, welcher ihn zur Weiterbildung nach Mainz verliehen hatte - und der junge Holtby kam wettkampfgestählt zurück, wurde zur anerkannten Führungskraft im Schalker Mittelfeld, spielte in der Champions League und schaffte es ins deutsche Nationalteam, immerhin für drei Einsätze. Dann aber wollte Holtby auf Schalke seinen Vertrag nicht verlängern und wechselte aus Karrieregründen lieber zu Tottenham, von wo aus er nach einem miserablen Jahr zum FC Fulham weiterzog.

In Kiel sind sie noch dabei, die Scherben der Vorsaison beiseite zu räumen

In England wurde Holtby nie glücklich, was ihn 2014 dazu bewog, beim soeben fast abgestiegenen HSV anzuheuern. "Von Hamburg wird nichts bleiben", sagte Holtby fünf Jahre später, nachdem sich beide Parteien gegenseitig zerrieben hatten und dann gemeinsam abgestiegen waren, erstmals in der Geschichte des Traditionsklubs. Holtby war HSV-Kapitän und als solcher zwar "stets bemüht" - eine bessere Beurteilung konnte ihm in seinem HSV-Abschlusszeugnis aber nicht ausgestellt werden.

Nun also von Blackburn nach Kiel, wo sie gerade schwer damit beschäftigt sind, die Scherben aus der vergangenen Saison beiseite zu räumen. Noch vor wenigen Monaten hatte alles danach ausgesehen, als würden die "Störche" eine sagenhafte Aufstiegsgeschichte schreiben, doch zwei Corona-Quarantänen und ein verlorenes Relegationsduell gegen Köln machten den Traum zunichte. Zahlreiche Stammspieler haben den Klub im Sommer verlassen, die ersten drei Saisonspiele gingen jeweils 0:3 verloren. Jetzt soll der erfahrene Holtby beim Wiederaufbau helfen - vielleicht ist er ja diesmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

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