Lewis Hamilton bei Mercedes:Der Weltmeister, der sich bitten lässt

Mercedes-Pilot Lewis Hamilton beim Formel-1 Grand Prix in Österreich

Weiter mit dem Stern: Lewis Hamilton bleibt bei Mercedes.

(Foto: Getty Images)
  • Lewis Hamilton verlängert seinen Vertrag nur um zwei weitere Jahre.
  • Die Vertragsverlängerung schien Formsache zu sein, doch dann zogen sich die Verhandlungen ewig hin.
  • Ein Grund könnte sein: Die Formel 1 wird wohl von 2020 an ganz anders aussehen.

Von Philipp Schneider, Hockenheim

Der Mann, von dem alle wussten, dass er schon vor Monaten seinen Vertrag bei Mercedes unterschrieben hatte, kam zu spät. Also standen die Journalisten vor dem Museum des Herstellers in Stuttgart-Bad Cannstatt, starrten auf Oldtimer und erzählten Geschichten über den Weltmeister, den sie erwarteten. Er sei inzwischen losgefahren in Stuttgart-Feuerbach, erzählte einer. Ein anderer wusste zu berichten, dass der Weltmeister selbst hinter dem Lenkrad Platz genommen habe, selbstredend, er sei ja ein leidenschaftlicher Autofahrer. In ein paar Minuten sei er da. Wenn er denn nicht auf die falsche Straßenseite gerate, immerhin sei er ja Engländer, die Macht der Gewohnheit, man kenne ja die Geschichten. Dann rollte der einmalige Weltmeister vor, stieg aus einer mattfarbenden Limousine, er lächelte, winkte, stand da im Blitzlicht der Fotografen, und dann sagte Lewis Hamilton: "Hello, happy new year!" Es war der 21. Januar 2013.

Menschen, die warten, empfinden manchmal Vorfreude. Und Menschen, auf die gewartet wird, sind oft begehrt. Möglicherweise weiß Lewis Hamilton um die Macht der Verspätung. Denkbar auch, dass ihm Verspätungen egal sind. Hauptsache, die wirklich wichtigen Verträge werden unterzeichnet. Der Zeitpunkt ist egal. Und warum sollte einer nicht noch am 21. Januar ein frohes neues Jahr wünschen dürfen?

Am Donnerstag haben Mercedes und Lewis Hamilton am Hockenheimring endlich bekanntgegeben, dass sie ihre Zusammenarbeit fortsetzen möchten. Sehr spät. Überraschend war es kaum. Aus dem einmaligen Weltmeister, der an einem warmen Januartag vor fünfeinhalb Jahren aus der Limousine in Bad-Cannstatt gestiegen war, ist ein viermaliger Weltmeister geworden. Und aus einem schüchtern im Museum säuselnden 28-Jährigen, der an seinem ersten Arbeitstag kundtat, dass er sich in das "Zuhause von Nico Rosberg" begeben habe und selbstredend der "Newcomer" sei, ist ein 33-Jähriger Chef-Chauffeur erwachsen, der den treuen Beifahrer Valtteri Bottas an seiner Seite weiß, und über den sein alter und neuer Chef Toto Wolff nun widerspruchslos behaupten durfte: "Er ist einer der Größten in der Geschichte des Sports."

Also, bitte, die irren Zahlen: 76 Pole Positions hat Hamilton jetzt schon vorzuweisen, acht mehr als Michael Schumacher. Hinzu kommen 65 Rennsiege, das sind die zweitmeisten in der Geschichte der Formel 1, nur Schumacher hat 26 mehr. Noch. Für zwei weitere Jahre hat sich Hamilton an Mercedes gebunden. Und 26 Rennsiege sind in zwei ganzen Saisons plus der verbliebenen Hälfte der laufenden Spielzeit durchaus zu schaffen für einen Rennfahrer, der zuletzt einmal neun (2017), zweimal zehn (2015, 2016) und einmal elf (2014) Siege sammelte. Alles schön und gut also in den Häusern Hamilton und Mercedes. Nur zwei Fragen bleiben: Warum fällt die Entscheidung so spät? Und warum nur zwei weitere Jahre? Zumal Hamilton sagte, die Verlängerung sei "im Grunde genommen nur eine Formalität" gewesen, "seit Toto und ich im Winter zusammensaßen".

Offenkundig, es sei denn, Hamilton wäre ein Fan von Verspätungen, haben sich die Verhandlungen seit der Wintergeschichte unerwartet gezogen. Eigentlich wollten beide Parteien vor der Saison die Verlängerung verkünden. In regelmäßigen Abständen wurde behauptet, bald sei es so weit. Als "no-brainer", als Kinderspiel, bezeichnete Wolff den neuen Kontrakt Anfang Februar. Aber Kinderspiele, in denen es um viel Geld geht, sind schnell etwas für Erwachsene. Zumal wenn es nicht nur die Höhe des Gehalts auszuhandeln gilt - dem Vernehmen nach verdient Hamilton mindestens 40 Millionen Euro -, sondern auch die Zahl der PR-Termine, wie jener im Museum an Hamiltons erstem Arbeitstag. Man darf nicht vergessen: Wolff und Mercedes sind in Vertragsfragen hypersensibel, seit ihnen überraschend der Weltmeister Rosberg entlaufen ist. "Danke an Toto. Nicht jeder hätte mir so viel Zeit gegeben", sagte Hamilton, er habe Wolff nach einer Einigung immer wieder angerufen, "können wir dies ändern, können wir das noch ändern?"

Ein alternatives Cockpit war ohnehin nicht in Sicht

In den Wochen zuvor hatte Hamilton eine gewisse Freude empfunden, dass alle wissen wollten, wann er denn endlich verlängert. Er wolle erst einmal sehen, in welche Richtung sich die Formel 1 unter den neuen Besitzern von Liberty Media nach 2020 entwickeln würde, hatte Hamilton geantwortet. Nach dem Motto: Ich mache mich doch nicht schick für die Party, solang ich nicht weiß, wer eingeladen ist und ob die Tanzfläche überhaupt tanzbar ist! Hamilton tanzt jetzt noch zwei Jahre. Welcher Belag dann verlegt wird, weiß er nicht. Das wissen nicht einmal die Teams. Bis 2020 wird es die aktuellen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren noch geben, das danach folgende Reglement wird derzeit hart verhandelt. Möglich, dass die Formel 1 technisch abrüsten wird und dann die kleineren Teams den Anschluss finden an Mercedes, Ferrari und Red Bull.

Ein alternatives Cockpit war für Hamilton ohnehin nicht in Sicht - seit sich Sebastian Vettel im vergangenen Sommer den begehrtesten Sitzplatz in der Formel 1 für drei weitere Jahre gesichert hatte. Denn dass Hamilton auf seine alten Rennfahrertage noch einmal umsteigt in das Auto des Limonadenkonzerns, aus dem sein Rivale Vettel schon vor Jahren in einen Ferrari umgezogen war, wäre undenkbar.

Eines der Teams, Ferrari oder Red Bull, habe ihn allerdings angesprochen, gab er zu.

"Die Nummer vier ist eine schöne Zahl", sagte Hamilton Ende 2017. "Jetzt will ich Titel Nummer fünf." Seither steht die Frage im Raum: Was kommt da noch? Titel sechs? Titel sieben womöglich? Die Frage, in welchem Auto er dabei sitzen würde, haben sich nur wenige Menschen gestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: