Lewis Hamilton:Konsequenzen für den Anarchisten

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Der Strategie-abtrünnige Engländer belastet den inneren Frieden bei Mercedes mit einem Ego-Trip.

Von René Hofmann

Toto Wolff wählte scharfe Worte. "Die Struktur des Teams in aller Öffentlichkeit zu untergraben, bedeutet, sich selbst über alles zu stellen", referierte der Chef des Formel-1-Teams von Mercedes nach dem Großen Preis von Abu Dhabi. "Anarchie funktioniert aber nicht", glaubt der Österreicher, "in keinem Team und in keiner Firma." Über Konsequenzen will er deshalb in Ruhe nachdenken. Mit welchem Ergebnis - das wird spannend zu beobachten sein, denn schließlich handelt es sich bei demjenigen, dem Wolff anarchische Tendenzen attestiert, nicht nur um den Sieger des letzten Rennens 2016, sondern auch um einen zweimaligen Mercedes-Weltmeister: Lewis Hamilton.

Der Brite ignorierte auf dem Weg zum Sieg in Abu Dhabi die mehrmals eindeutig vorgetragenen Forderungen, so schnell zu fahren, wie ihm der Mercedes das erlaubte. Mit der Trödelei versuchte Hamilton, seinen Teamkollegen Nico Rosberg, den Titelfavoriten, in die Fänge der Verfolger zu treiben. Wäre der Deutsche Vierter oder schlechter geworden, dann hätte Hamilton seinen Titel verteidigt. Er gefährde den Rennsieg, hatte ihn Paddy Lowe gemahnt; der Technikchef ist im Funkverkehr als äußerste Eskalationsstufe in der Kommandokette vorgesehen. Hamiltons unmissverständliche Antwort: "Ich verliere gerade die WM, da ist es mir doch egal, ob ich das Rennen gewinne oder verliere."

Hamiltons Plan scheiterte. Rosberg blieb Zweiter und konnte sich am Ende gönnerhaft über die Spielchen des Rivalen äußern: "Ich habe die WM gewonnen, ich kann da drüber stehen", sagte Rosberg, der einräumte, von der Bummel-Taktik des Gegners überrascht gewesen zu sein. Hamiltons Ego-Trip stauchte das Feld am Ende mächtig zusammen und verlieh dem Finale, das ansonsten doch arg fad verlaufen wäre, Würze. Nicht nur die 7,45 Millionen Zuschauer, die den Schlussspurt bei RTL verfolgten, dürften ihm dafür dankbar gewesen sein. "Ich habe keinen in Gefahr gebracht. Ich habe mich an alle Regeln gehalten", verteidigte Lewis Hamilton sein Verhalten, das sich tatsächlich als listenreicher Trick werten ließ, aber kaum als Foul. Mit dem Rammstoß beispielsweise, mit dem sich Michael Schumacher 1997 gegen Jacques Villeneuve zum Titel rempeln wollte, war die Aktion nicht vergleichbar.

Schon okay, das war auch die vorherrschende Meinung im Fahrerlager zu der Aktion. Aber keineswegs von allen Experten erntete Hamilton Verständnis. "Ich verstehe, was Lewis versucht hat, aber ich hätte es nicht gemacht", sagte der Österreicher Niki Lauda, der Weltmeister der Jahre 1975, 1977 und 1984 und Chef des Aufsichtsrats des Mercedes-Rennstalls, "es geht auch ums Team."

Wie stark Hamiltons Beziehung zum Team nun belastet ist, könnte eine entscheidende Frage werden, wenn es ab März darum geht, wer 2017 Weltmeister wird. In der Formel 1 sind erfolgreiche Partnerschaften schon wegen weniger zerbrochen.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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