Süddeutsche Zeitung

Robert Lewandowski:Alle 69 Minuten ein Tor

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Robert Lewandowski vom FC Bayern ist zum zweiten Mal offiziell der beste Fußballer der Welt. Er steht für maschinengleiches Toreschießen, gegen das sich kaum etwas einwenden oder ausrichten lässt.

Kommentar von Sebastian Fischer

Man muss Fußballerwahlen nicht übermäßig ernst nehmen, wenn man nicht selbst Weltfußballer werden möchte, das vorweg. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass solche Wahlen nicht nur in dem auf Helden getrimmten Event-Sport der Gegenwart, sondern auch früher schon gelegentlich ein Thema waren. 1970 zum Beispiel, da wurde zum ersten Mal eine internationale Auszeichnung an einen Spieler aus der Bundesliga vergeben. Gerd Müller gewann den Ballon d'Or für Europas Fußballer des Jahres. Als ein ungarischer Funktionär gegen diese Wahl "polemisierte", da er den Gewinner nur für einen Abstauber und mittelmäßigen Spieler hielt, wie der Müller-Biograf Hans Woller schreibt, debattierte darüber die deutsche Sportöffentlichkeit: "Die Fachblätter und Tageszeitungen wurden mit Leserbriefen überhäuft."

Um das Gedenken an Gerd Müller ging es auch bei der diesjährigen "The Best" genannten Kür des Weltverbands Fifa. Anlässlich seines Todes im vergangenen Jahr wurde ein Video mit seinen Toren gezeigt. Als Robert Lewandowski seinen Besten-Pokal entgegennahm, wurde er nach Müller gefragt. "Leider ist Gerd nicht mehr bei uns. Aber ohne ihn hätte ich all das nicht geschafft", sagte er. Ohne Müller, so meinte das der Stürmer des FC Bayern, hätte es keinen 40-Tore-Rekord gegeben, den er mit 41 Saisontreffern in der Bundesliga hätte überbieten können. "Es geht immer um den nächsten Schritt, um die nächsten Ziele zu erreichen."

Robert Lewandowski, 33, ist nun zum zweiten Mal hintereinander ein von der Fifa geehrter Weltfußballer, gewählt von den Kapitänen und Trainern aller Nationalmannschaften sowie ausgewählten Journalisten und Fans. Den traditionsreicheren Ballon d'Or, bei dem nur Journalisten abstimmen und bei dem es mehr ums Image geht, hatte er im November hingegen nicht gewonnen, da war er Zweiter hinter Lionel Messi geworden. Es gab tatsächlich Menschen, die das damals ein bisschen skandalös fanden, ein klein wenig polemisiert wurde auch. Und nun? Lag die einzige Aufregung darin begründet, dass der zweitplatzierte Messi seinem Kontrahenten Lewandowski keine seiner drei möglichen Stimmen schenkte. Ansonsten gab es viel Zustimmung. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte gar: "Vermutlich hat niemand auch nur für eine Sekunde gedacht, dass es anders kommen könnte."

Der erste Titel war eine Wegmarke auch für den FC Bayern, der zweite ist eine persönliche Auszeichnung

Der erste Weltfußballer-Titel für Lewandowski war noch eine historische Wegmarke in seiner Biografie, jahrelang hatte er darauf hingearbeitet, an die Dauergewinner Messi und Cristiano Ronaldo heranzureichen, mit noch mehr Toren, erzielt auf jede erdenkliche Weise. Es trieb ihn an, und damit machte es auch den FC Bayern noch erfolgreicher, was wiederum ein Argument für Lewandowskis Privattriumph war. Der zweite Weltfußballer-Titel ist nun vor allem die Beurteilung seiner persönlichen Leistung: 58 Pflichtspieltore im Kalenderjahr, statistisch betrachtet alle 69 Minuten eines.

Dass sich der Blick der Öffentlichkeit auf Lewandowski nun verändern wird, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Anders als der mit Spektakel verbundene Messi bleibt der Pole eher der maschinengleiche Fließbandtorschütze. "Das personifizierte Perpetuum mobile des Toreschießens" hat ihn Bayern-Präsident Herbert Hainer genannt, was nur insofern unpräzise ist, da ein Perpetuum mobile von allein in Bewegung bleibt; Lewandowski macht das mit Zusatztraining und Ernährungsoptimierung.

Er lerne seinen Körper weiterhin kennen, sagte er bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Das klang nicht, als würde er jemals übers Aufhören nachdenken. Lewandowski, beim FC Bayern bis 2023 unter Vertrag und in der Form seines Lebens, wird auch die Fußballerwahlen 2022 wieder ernst nehmen.

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